Immer größer, immer komfortabler: Im Kampf um deutsche und niederländische Urlauber fusionieren Österreichs Skigebiete wie andernorts Konzerne. Die Seilbahnbetreiber investieren Milliarden. Ein Hindernis: die einheimische Bevölkerung.
Es ist ein Wettrüsten mit Seilbahn und Schneekanone: Österreichs Skigebiete haben seit der Jahrtausendwende eine zweistellige Milliardensumme ausgegeben, um Winterurlauber bei der Stange zu halten, insbesondere aus Deutschland und den Niederlanden. Allein für die laufende Saison haben die österreichischen Seilbahnen nach Angaben ihres Fachverbands mehr als 750 Millionen Euro in neue Bahnen und Lifte, Beschneiung, Pistenraupen und dergleichen investiert – eine Rekordsumme.
Der Trend geht unübersehbar zum Mega-Skigebiet. In Tirol beispielsweise wird zurzeit über die Umweltverträglichkeit eines 130 Millionen Euro schweren Projekts gestritten, das inoffiziell „Gletscherehe" heißt. Dieser Zusammenschluss der Skigebiete Pitztal und Sölden sieht die Bebauung zweier bislang unberührter Gletscher in 3.000 Meter Höhe vor. Die Alpenvereine in Deutschland und Österreich wollen diese Fusion in Schnee und Eis verhindern.
Umweltschützern ist der Skitourismus seit jeher ein Dorn im Auge, weil Gondeln, Sessellifte und Pisten die wilde Gebirgslandschaft stören und die Beschneiung den Wasserhaushalt in der betreffenden Region verändert. Doch die Seilbahnbetreiber reagieren lediglich auf die Nachfrage – und auf das, was sich Gäste offenbar wünschen.
So werden regelmäßig etwa 30.000 Menschen von den österreichischen Seilbahnen nach ihren Präferenzen und Vorschlägen befragt. Das Ergebnis: für 56 Prozent sei die Größe des Skigebiets der ausschlaggebende Faktor, sagt Ricarda Rubik vom Fachverband der Seilbahnen Österreichs. Und für 40 Prozent sei vor allem die Schneesicherheit wichtig. Zwei Faktoren, die dafür sorgen, dass sich die Anbieter sowohl über weitere Fusionen Gedanken machen – aber auch verhindern, dass die künstliche Beschneiung trotz Einwänden der Naturschützer eingeschränkt wird.
Gletscherbebauung geplant
Über die Landesgrenze von Tirol und Salzburg erstreckt sich der „Skizirkus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn" mit 270 Pistenkilometern. Der Zusammenschluss mit den Nachbarn in Zell am See, Kaprun und am Kitzsteinhorn vergrößert den Skizirkus auf mehr als 400 Kilometer. Und künstlich beschneit werden inzwischen etwa 70 Prozent der österreichischen Pisten. Anfang des Jahrtausends waren es erst 30 Prozent.
Damit haben die Österreicher die Nase vorn vor der eidgenössischen Konkurrenz. In der ohnehin teuren Schweiz haben die Wirtschaftskrise vor zehn Jahren und der starke Franken massive Probleme verursacht. Die Gästezahlen waren seit 2008/09 praktisch rückläufig. Wegen des Konkurrenzdrucks durch Nachbarländer hätten die Seilbahnen die Preise kaum erhöhen und daher kaum investieren können, sagt Andreas Keller vom Verband Seilbahnen Schweiz. „Nur ein Drittel der Skigebiete kann gut allein wirtschaften", sagt er. Die anderen seien auf Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen, etwa auf günstige Darlehen oder Beteiligungen.
Immer mehr Skigebiete experimentieren mit dynamischen Preisen, darunter Zermatt, Gstaad und St. Moritz. Wer früh bucht, bekommt Rabatt, trägt aber das Risiko, bei schlechtem Wetter auf dem Skipass sitzenzubleiben. Wer kurzfristig bucht, zahlt mehr als früher. Bei manchen hat das viel Geld in die Kassen gespült. „Knapp 50 Prozent der Mehrtageskäufer haben im Vorfeld diese Tickets gebucht – das war eine große Überraschung für uns", sagte Markus Meili vom Vorstand der Oberengadiner Bergbahn in einem Fernsehinterview. „Als wir über die Festtage bei Preisen über 100 Franken waren, hat das natürlich nicht nur Applaus ausgelöst." 100 Franken für einen Tagespass, das sind etwa 91 Euro.
Auch die vergleichsweise winzigen Skigebiete in den Bayerischen Alpen investieren für ihre Verhältnisse hohe Summen, um Schritt halten zu können – subventioniert von der Staatsregierung in München. So wurde 2019 bei Berchtesgaden für rund 57 Millionen Euro eine neue Gondelbahn auf den Jenner am Königssee fertig.
Dabei zielen die Bayern hauptsächlich auf heimische Tagesgäste, nicht auf Urlauber aus dem Norden jenseits des Weißwurst-Äquators. „Wir werben mehr mit Skifahren dahoam", sagt Peter Lorenz, Geschäftsführer zweier oberbayerischer Skigebiete am Brauneck bei Lenggries und am Spitzingsee, die zusammen gerade einmal 54 Kilometer Pisten bieten.
Einen Rüstungswettlauf mit Tirol und Salzburg könnten die Bayern ohnehin nie gewinnen, die weiß-blaue Bergwelt ist dafür zu klein, die Skipisten liegen nicht hoch genug. „Am Brauneck haben wir keine 20 Prozent Urlaubsgäste von außerhalb der Region", sagt Lorenz. In der Tat geht es in bayerischen Skigebieten im Vergleich zur Konkurrenz südlich der Staatsgrenze eher beschaulich zu, auch die Tickets sind günstiger.
Einwohner sind zunehmend genervt
Doch würden die bayerischen Skigebiete gar nichts investieren, bestünde die Gefahr, dass auch Tagesgäste sich umorientieren. Von der Grenze ist es nicht weit ins Zillertal oder nach Kitzbühel. Und im Vergleich zu den modernen österreichischen Anlagen sind manche bayerischen Seilbahnen Museumsstücke, die den Charme der 50er- und 60er-Jahre versprühen.
Unterdessen mehren sich trotz aller Modernisierungen auch in Österreich die Zeichen, dass die Skizirkusse an ihre Grenzen stoßen. Die Belastung durch Urlaubs-, Transit- und Güterverkehr geht vielen Tirolern mittlerweile so auf die Nerven, dass sie zum politischen Großthema geworden ist. Seit dem 21. Dezember vergangenen Jahres sind Ausweichrouten durch Ortschaften für den überregionalen Fernverkehr an den Wochenenden gesperrt – die Fahrverbote werden von der Polizei überwacht. Und in einer Umfrage der „Tiroler Tageszeitung" sprachen sich 70 Prozent der Befragten gegen die geplante „Gletscherehe" und ein so entstehendes neues Mega-Skigebiet aus. •