Wie Bäume sich gegenseitig warnen, warum Moose wahre Überlebenskünstler sind und warum Bakterien im Waldboden so wichtig sind.
Der Wald dient uns zur Erholung – so viel ist klar. Er aktiviert den Nerv der Ruhe, den sogenannten Parasympathikus, der für unsere Entspannung zuständig ist. Und der Wald hilft, unser Immunsystem zu schützen. Der Biologe Clemens Arvay schreibt in seinem Buch „Der Heilungscode der Natur. Die verborgenen Kräfte von Pflanzen und Tieren entdecken" über die Stoffgruppe der Terpene. Terpene sind ein wichtiger Teil des Soziallebens der Pflanzen und dienen als chemische Wörter. Bäume warnen sich damit beispielsweise vor Schädlingen. Diese Stoffe sind Teil der Waldluft. Wenn wir sie einatmen, reagiert unser Immunsystem nachweislich mit einer Steigerung der Abwehrkräfte. Es produziert mehr sogenannte natürliche Killerzellen, die dafür da sind, Viren aus dem Körper zu entfernen und Krankheiten abzuwehren. Außerdem werden die drei wichtigsten Krebsproteine unseres Körpers gesteigert und aktiviert. Das kann uns vor Krebs schützen und bestehende Tumore bekämpfen. Weitere Wirkungen sind beispielsweise die Aktivierung einer natürlichen Herzschutz-Substanz, der Blutdruck wird gesenkt, der Blutzuckerspiegel geht zurück – sogar bei Diabetespatienten.
Daneben dienen Wälder auch als riesige Kohlendioxid-Speicher. Tatsächlich ist der Wald einer der effektivsten Klimaschützer weltweit. Allein in Deutschland entlasten Wald- und Forstwirtschaft die Atmosphäre jährlich um mehr als 120 Millionen Tonnen CO2. Die Arbeit teilen sich etwa 90 Milliarden Bäume, sodass auf einen Deutschen etwas mehr als 1.000 Bäume kommen. Sie entnehmen der Luft im Prozess der Photosynthese CO2, binden den darin enthaltenen Kohlenstoff in ihrem Holz und geben Sauerstoff an die Luft ab. Damit der deutsche Wald weiter für Klimaschutz sorgen kann, hat die Bundesregierung einen Waldklimafonds (WKF) eingerichtet. Mit den Geldern aus dem Fond sollen Maßnahmen angestoßen und umgesetzt werden, mit denen die Wälder zum einen an den Klimawandel angepasst werden und zum anderen einen Beitrag zum Klimaschutz liefern. Seit Juni 2013 wurden 170 Projekte mit einem finanziellen Gesamtvolumen von rund 55 Millionen Euro auf den Weg gebracht.
Der Wald ist der effektivste Klimaschützer
Neben seiner Funktion als Kohlendioxidspeicher, speichert und filtert der Wald auch Wasser, er schützt den Boden vor Erosion und produziert den Rohstoff Holz. Besonders die Bäume des Waldes haben dabei ein spannendes Eigenleben. Deutschlands wohl berühmtester Förster, Peter Wohlleben, versucht in seiner Arbeit die Deutschen in die Geheimnisse der Bäume einzuführen. Sein Buch „Das geheime Leben der Bäume" wurde mit drei Millionen verkaufter Exemplare zum Beststeller und in 40 Sprachen übersetzt. Seitdem hält er Vorträge, ist Gast in Talkshows und im Januar dieses Jahres kam „Das geheime Leben der Bäume" auch in die Kinos. Wohlleben erklärt beispielsweise, dass Bäume soziale Wesen seien. Über Wurzel-Netzwerke tauschen sie Nahrung und Informationen aus. Sie kümmern sich um ihren Nachwuchs, so „stillen" Buchenmütter etwa ihre Sprösslinge und halten sie im Schatten zu geduldigem Wachstum an. In Notzeiten helfen Starke den Schwachen, indem sie ihnen wichtige Stoffe wie Glukose zufließen lassen, schreibt der Förster. Mehr noch glaubt Wohlleben, dass Bäume auch Charakter haben. Als Beispiel führt er die drei Eichen in der Nähe seines Heimatortes in der Eifel an. Im Winter müssten sie sich entscheiden, ob sie lieber länger Sonne tanken oder einen Frostschaden riskieren wollten. Zwei der Eichen seien mutiger, sie behielten ihre Blätter länger. Der dritte Baum hingegen sei ängstlicher oder vernünftiger und werfe sein Laub früher ab – und das trotz identischer Umweltbedingungen.
Auch Schmerzen könnten sie fühlen. Der Baum habe an seinen Wurzelspitzen gehirnähnliche Strukturen. „Wer weiß, dass Bäume Schmerz empfinden und ein Gedächtnis haben und dass Baumeltern mit ihren Kindern zusammenleben, der kann sie nicht mehr so einfach fällen und mit Großmaschinen zwischen ihnen herumwüten", schreibt der Förster.
Auch der Fortpflanzung hat er ein Kapitel gewidmet, das den Namen „Liebe" trägt. Während Nadelbäume ihre Samen möglichst jährlich auf die Reise schickten, verfolgten Laubbäume eine andere Strategie. Eigentlich wollten die Bäume gerne gleichzeitig blühen, um ihre Gene zu mischen. Wenn sie allerdings nicht jedes Jahr blühen, können sich Rehe und Wildschweine nicht darauf einstellen und ihrerseits so viel Nachwuchs produzieren, dass sie im Herbst Waldgebiete bis auf den letzten Krümel absuchen und im Frühjahr nichts mehr blühen kann. Deshalb stimmten die Bäume sich ab: „Sollte man im nächsten Frühjahr loslegen oder doch noch ein oder zwei Jahre warten?" Ist das entschieden, erzeugen die Bäume ihre Pollen. Dabei wird nur fremdes Erbgut durchgelassen. Wie Bäume das unterscheiden können, sei noch nicht klar. „Bekannt ist lediglich, dass die Gene aktiviert werden und passen müssen. Man könnte ebenso gut sagen: Der Baum kann es spüren", so Wohlleben.
Bäume stimmen sich offenbar ab
Nicht alle jedoch sind begeistert von Wohllebens Thesen, manche halten seinen Bestseller gar für grüne Esoterik. „Herr Wohlleben vermittelt kein Wissen, sondern betreibt Unterhaltung. Er sagt den Menschen, dass man sich selbst auf den Wald projizieren kann und ihn dann schon verstanden hat. Aber so einfach ist es nicht. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind durch die zunehmende Spezialisierung heute komplizierter denn je", klagt der Biologe Torben Halbe in einem Interview mit dem „Spiegel". Er hat das Buch „Das wahre Leben der Bäume" verfasst, in dem er sich mit den Thesen von Wohlleben auseinandersetzt. Nach Veröffentlichung des Buches wurde er Mitarbeiter beim Deutschen Forstwirtschaftsrat. Halbe geht davon aus, dass die Tatsache, dass Nährstoffe von einem Baum zum anderen fließen können, nichts damit zu tun hat, dass sie soziale Wesen sind. Vom menschlichen Herzen aus flössen beispielsweise auch Stoffe zu anderen Organen. Auch die These, dass Bäume Schmerzen empfinden könnten, unterstützt er nicht. Dafür fehle ihnen eine zentralisierte Informationsverarbeitung wie etwa das menschliche Gehirn, so der Biologe.
Aber nicht nur über die größeren Gewächse des Waldes gibt es Interessantes zu berichten. Die kleinen und unauffälligen Moose beispielsweise sind echte Überlebenskünstler. Sie können jahrhundertelang eingefroren sein und wenn sie auftauen, dennoch erneut zum Leben erwachen. Das stellten Forscher fest, die die schmelzenden Gletscher im Norden Kanadas untersucht haben. Generell haben es Moose gern feucht und schattig. Sie haben keine Wurzeln, sondern nur ein Haargeflecht, mit dem sie sich an Mauern, Steine oder Bäume kleben. Ihre Nährstoffe nehmen sie ausschließlich über ihre Blätter auf. Moose kommen aber auch länger ohne Regen aus und gedeihen selbst auf blankem Fels oder in der Wüste. Genauso wie Kälte können sie nämlich auch Trockenheit gut tolerieren. Das funktioniert, weil sie ihren Stoffwechsel herunterfahren können. Pflanzen, die höher entwickelt und anders aufgebaut sind, haben diese Möglichkeit nicht und würden deshalb austrocken. Die Moose aber können, sobald es regnet und sie Wasser bekommen, wieder zum Leben erwachen. Wer sich näher mit Moosen befasst, stellt fest, dass viele von ihnen spannende Namen haben. So gibt es etwa das Gabelzahnmoos, das Sternmoos oder welliges Katharinenmoos. Die alten Botaniker wollten mit dieser Namensgebung ihre Wertschätzung gegenüber den Gewächsen ausdrücken. Weil sie schützenswert sind, stehen viele von ihnen auf der Roten Liste. Spaziergängern wird daher geraten, vorsichtig durch Mooswälder zu gehen und die Pflanzen am besten mit einer Lupe zu studieren. Wer das tut, wird vielleicht auch eines der vielen Kleinstlebewesen finden, die Moose beherbergen.
Etwa eine Million Lebewesen in 0,3 Kubikmeter Waldboden
Auch etwas weiter unten, nämlich im Waldboden, findet sich jede Menge Leben. Gehen wir mit unseren Füßen über den Erdboden, befinden sich unter uns sogar mehr Lebewesen als Menschen auf der Welt leben. Innerhalb von 0,3 Kubikmeter, also einer Fläche von 1 mal 1 Meter und 30 Zentimeter Tiefe, leben 1,6 Billionen Lebewesen. Rund drei Viertel der Masse machen Pilze und Bakterien aus. Sie zählen zu den kleinsten Lebewesen im Erdreich. Bakterien beispielsweise sind einzellige Lebewesen, die nur wenige Mikrometer groß sind. Dafür sind sie zahlreich zu finden. In einer Fingerspitze gesunder Erde können mehrere Millionen von ihnen leben. Die Bakterien leben vor allem in dem Bereich des Bodens, der von Pflanzen durchwurzelt ist – der sogenannten Rhizosphäre. Dort sorgen sie für eine bessere Bodenqualität, indem sie organischen Abfall zersetzen, Nährstoffe im Boden halten und Schadstoffe aus dem Boden filtern. Während Bakterien besonders häufig in landwirtschaftlich genutzten, offenen Flächen zu finden sind, herrschen Pilze vor allem in Wäldern oder in trockenen Naturräumen vor. Auch sie sind nur von geringer Größe, bestehen aus winzigen Zellen, die sich zu schmalen, langen Fasern oder Strängen von nur wenigen Mikrometern Durchmesser und Längen bis zu mehreren Metern ausbilden. Diese durchdringen den Boden als ein mikroskopisches Geflecht. Neben diesen beiden Bewohnern gibt es auch noch Fadenwürmer. In 0,3 Kubikmeter gesundem Erdreich kommen etwa eine Million von ihnen vor. Außerdem finden sich dort circa 100.000 Milben, 50.000 Springschwänze, 25.000 Rädertiere und 10.000 Borstenwürmer. Deutlich geringer sind größere Tiere ausgeprägt, sie kommen nur noch zwischen 50- und 100-mal in den 0,3 Kubikmetern vor. Zu ihnen zählen etwa Käferlarven, Zweiflüglerlarven, Regenwürmer, Schnecken, Spinnen und Asseln. Der Wald, so scheint es, beherbergt viel mehr Leben als vielen Menschen bewusst ist. Für den aber, der genau hinschaut, hat er jede Menge Staunenswertes zu bieten.