Vor dem Ausbruch der Pandemie musste das Pflegepersonal noch um die Würdigung seiner Arbeit kämpfen. Mittlerweile sind sie zu „Helden des Alltags" aufgestiegen. Sarah Schlimmer, Leiterin der Pro Seniore Residenz in Homburg, über einen anspruchsvollen und bislang oft unterschätzten Beruf.
Frau Schlimmer, wie fühlen Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich als die neu entdeckten „Helden des Alltags"?
Ich bin sehr stolz darauf, was wir als Team in dieser schweren Pandemiezeit geleistet haben und auch noch künftig leisten werden. Daher freue ich mich natürlich sehr über diese Entwicklung und auch über die Würdigung, die allen Pflegekräften an dieser Stelle zuteilwird. Sie sind alle Helden und haben es mehr als verdient. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viele wichtige und gleichzeitig unterschiedliche Aufgaben sie übernehmen müssen. Und das im Hinblick auf die erschwerten Bedingungen. Ich als Residenzleiterin bin dagegen nicht mehr so aktiv in der Pflege. Daher sehe ich mich persönlich eher als einen Motivator, der die Mitarbeiter anspornt und sie in ihrer täglichen Arbeit unterstützt. Helden sind für mich tatsächlich die Pflegekräfte. Ihnen gehören auch die Lorbeeren. Allerdings muss man an dieser Stelle auch erwähnen, dass Corona nicht der erste, flächendeckende Virus ist, mit dem wir zu kämpfen haben. Vor wenigen Jahren hatten wir beispielsweise eine Influenza-Epidemie, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Und auch wenn sie zum Glück nicht so gravierend verlaufen ist, wie die Corona-Pandemie jetzt, haben sich die Pflegekräfte in dieser Phase extrem engagiert und sind über sich hinausgewachsen, um die Menschen zu schützen und ihnen zu helfen. Nur geriet dieses Engagement leider in Vergessenheit.
Können sie das näher erläutern?
In der aktuellen Zeit sieht man ganz deutlich, welche Rolle die Pflegeberufe für unsere Gesellschaft spielen. Wir bekommen viel Zuspruch seitens der Öffentlichkeit und der Politik und das gibt uns viel Kraft, um unserer täglichen Arbeit nachzugehen. Dafür sind wir natürlich sehr dankbar.
Was ich mir allerdings noch wünschen würde, wäre ein globales politisches Signal, damit sich in der Pflege auch nachhaltig etwas verändert. Gerade kommt sehr viel Bewegung in dieses Thema. Wenn das auch weiterhin so bleibt und Politik Pflege auch weiterhin antreibt, wird sich das Ansehen dieser Berufsgruppen auch nachhaltig steigern. Das haben die Pflegekräfte mehr als verdient. Pflege ist so vielfältig und bietet so viele Weiterbildungsmöglichkeiten. Wer diesen Beruf ergreift, wird nie arbeitslos werden. Wir gehen beispielweise nicht in Kurzarbeit. Wir haben immer zu tun und werden immer gebraucht. Alleine das ist schon wert, dass man das Ansehen dieser Berufe in der Gesellschaft steigert. Stattdessen müssen wir an manchen Stellen immer noch gegen Vorurteile ankämpfen. Das finde ich schade.
Dass der Pflegebereich nur wenige Aufstiegschancen bietet?
Ja, das wäre so ein Beispiel. Dabei ist das totaler Irrsinn. Den ich auch mit meinem eigenen Werdegang widerlegen kann. Als ich noch in der Schule war, habe ich beispielsweise ein Praktikum im Krankenhaus machen dürfen. Und so entschied ich mich nach meinem Fachabitur zunächst auch für eine Ausbildung..Das lag zum einen an den vielen guten Erfahrungen, die ich bereits während des Praktikums sammeln konnte, zum anderen wollte ich auch eine solide Grundlage für mein Leben haben. Also habe ich im Krankenhaus meine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin absolviert.
Nach ein paar Jahren Berufspraxis habe ich mich entschieden, parallel zu meiner Arbeit ein berufsbegleitendes Studium im Bereich Pflegemanagement zu machen. Im Jahr 2010 kam ich dann auch zu Pro Seniore und bin erstmals als Pflegedienstleitung gestartet und durfte gleich ein Trainee-Programm besuchen. Ich bin sehr gefördert worden vom Unternehmen und konnte mich deshalb auch immer weiterentwickeln. Vier Jahre später durfte ich dann die Funktion als Residenzleitung der Pro Seniore Residenz Am Steinhübel übernehmen. Alleine daran sieht man, wie viel dieser Bereich Pflege eigentlich zu bieten hat.
Dabei ist das nur ein ganz kleiner Bruchteil der ganzen Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen. Ob man nun mit Auszubildenden oder im Qualitätsmanagement arbeiten oder Führungsaufgaben übernehmen möchte: In diesem Bereich ist alles möglich.
Von daher, wenn man ein Händchen dafür hat und Freude an der Arbeit, öffnen sich einem extrem viele Türen. Und darauf kann man auch richtig stolz sein.
In Ihrer Residenz gab es bislang noch keinen einigen Infizierten, wohingegen andere Häuser hohe Zahlen an Erkrankten gemeldet haben. Wie haben Sie das geschafft?
Wir haben beispielsweise gleich zu Beginn der Pandemie die Besucherzahlen in unserem Haus eingedämmt und uns auch keine externen Dienstleister mehr ins Haus geholt. Zudem haben wir auch die ganze Koordination der Einrichtung umgestellt. Alles, was nur möglich gewesen ist, wurde nur noch intern organisiert.
Was die Hygienerichtlinien angeht, hat sich nur wenig verändert. Die vom Robert Koch-Institut vorgegebenen Standards sind sozusagen unsere tägliche Arbeitsgrundlage. Wir müssen jeden Tag mit Infektionskrankheiten rechnen. Auch mit Einzelfällen. Von daher sind wir stets vorbereitet. Für uns fiel nur der Startschuss, dass es jetzt ernst wird und wir noch mehr tun müssen als wir sowieso schon getan haben.
Zudem haben wir auch eine hauseigene Quarantänestation etabliert. Wenn also akute Fälle aufgetreten wären oder auch künftig auftreten würden, hätten wir eine ganze Etage, um diese zu isolieren und von einem eigens dafür ausgewählten Kernteam betreuen zu lassen. Damit sich das Virus nicht weiter im Haus ausbreitet.
Und wie kam diese Umstellung bei Ihrem Team an?
Die Stimmung war von Anfang an gut. Alle Mitarbeiter zeigten sich sehr optimistisch. Wir hatten sogar ein internes Motto: „Wir sind zu freundlich für das Virus und lassen es nicht rein." Das ist uns bisher auch gelungen.
Zudem zeigte sich auch der Zusammenhalt. Wenn ein Mitarbeiter erkrankt ist – also einen grippalen Infekt hatte –
sprang gleich ein anderer für ihn ein. Ich musste mich an dieser Stelle auch gar nicht viel einmischen. Aber auch die Kommunikation nach außen hat sehr gut funktioniert. Wir mussten ja zu Beginn der Pandemie vielen Angehörigen unserer Bewohner unsere Maßnahmen näherbringen. Dass sie zum Beispiel ihre Angehörigen nicht mehr regulär besuchen können. Auch diese Gespräche waren sehr erfolgreich. Seit dem Ausbruch der Pandemie muss das Team noch mehr leisten als sonst. Und diese Aufgaben meistern sie wirklich mit Bravour. Das macht mich sehr stolz.
Und wie kamen die neuen Regelungen bei den Bewohnern an?
Hier gingen die Meinungen auseinander. Für manche Bewohner hat sich nichts verändert. Andere hatten dagegen Bedenken, weil sie ihre Angehörigen nicht mehr sehen konnten. Das war natürlich eine Umstellung. Allerdings haben wir auch an dieser Stelle versucht die Bewohner so gut wie es nur ging aufzufangen. Jetzt haben wir beispielsweise ein iPad, um eine Verbindung zu ihren Familien herzustellen. Vorher nutzen wir zum Teil sogar unsere Handys um diese Kommunikation zu ermöglichen.
Seit wenigen Tagen konnten wir aufgrund der Lockerungen auch ein eigenes Besucherzimmer einrichten. Dafür funktionierten wir unseren großen Gymnastikraum in eine Begegnungsstätte um, die allen Hygienevorschriften entspricht. Das wird sehr gut angenommen.
Aber auch von den Angehörigen kam viel Aufmerksamkeit. Sie schickten Blumen, Päckchen und liebevolle Briefe an die Bewohner. Wir haben zum Beispiel einen Herren, der seiner Mutter täglich einen Brief schreibt, und das seit Anfang der Pandemie. Dann werden die Briefe von unseren Mitarbeitern vorgelesen, weil sie selbst nicht mehr so gut sehen kann. Daran zeigt sich auch, wie gut wir sein können, wenn wir alle zusammenrücken. Und das macht sehr viel Mut, weiterzumachen.