Mit dem Klimawandel und aggressiven Viren hat die Kakaopflanze in Westafrika, woher drei Viertel der weltweiten Kakaoproduktion stammen, zwei übermächtige Gegner. Schon 2030 könnte Schokolade auf dem Weltmarkt daher rar werden.
Dunkle Wolken am Schokoladen-Himmel. Bereits 2030 kann die weltweite Nachfrage nach Kakao vermutlich nicht mehr gedeckt werden. Schuld daran ist eine aus zwei Quellen gespeiste Krise mit womöglich gravierenden gesellschaftspolitischen Auswirkungen in den wichtigsten Anbaugebieten der Pflanze, nämlich den sechs westafrikanischen Ländern Elfenbeinküste, Ghana, Sierra Leone, Togo, Liberia und Nigeria. Die beiden erstgenannten Staaten sind dabei die global führenden Anbauländer. Die Elfenbeinküste mit einer jährlichen Erntemenge von rund zwei Millionen Tonnen Kakaobohnen ist einsamer Weltmarktführer.
Die ursprünglich aus dem südamerikanischen Amazonasbecken und dem zentralamerikanischen Mexiko stammende Kakaopflanze wurde Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Portugiesen in Westafrika heimisch gemacht. Dort entwickelte sie sich schnell dank optimaler klimatischer Bedingungen mit hohen Temperaturen und reichlich Niederschlägen zu einem begehrten Kulturgut, mit dem die damaligen Kolonialmächte Portugal, Frankreich und Großbritannien spätestens seit den 1930er-Jahren beträchtliche kommerzielle Gewinne erzielen konnten.
Veränderungen im Niederschlagszyklus
Der sich natürlich auch in Westafrika vollziehende Klimawandel setzt die Kakaopflanze inzwischen allerdings unter erheblichen Stress. Wobei nicht die steigenden Temperaturen das Problem darstellen, sondern die Veränderungen im Niederschlagszyklus. Denn mittlerweile regnet es nicht mehr genau dann, wenn die Pflanze das Wasser am dringendsten braucht, sondern meist erst viel später, wenn der Regen eigentlich nur noch Schaden anrichten kann.
Die dadurch schon geschwächten Pflanzen sind ein mehr oder weniger wehrloses Opfer gegenüber aggressiven Viren, die dem „braunen Gold“ neben Schädlingen und Pilzbefall zwar schon seit fast einem Jahrhundert zu schaffen machen, aber erst in Zeiten des Klimawandels geradezu verheerende Vernichtungserfolge erzielen können. Dabei handelt es sich um in Westafrika weit verbreitete sogenannte Badnaviren, die durch bislang kaum erforschte Schmierläuse übertragen werden und die in der ursprünglichen amerikanischen Herkunftsregion der Kakaopflanze unbekannt sind. Deshalb konnte die Kakaopflanze in ihrer evolutionären Entwicklung keinerlei natürliche Resistenzen aufbauen. Bereits 1936 konnte in Ghana erstmals einer der Viruserreger nachgewiesen werden, der auf den Namen „Cacao Swollen Shoot Disease“ (CSSD) getauft wurde. Man hatte festgestellt, dass der Kakaobaum nach dem Virenbefall und einer etwa siebenwöchigen Inkubationszeit erste Krankheitssymptome zeigte. Zunächst verfärbten sich die Venen seiner Blätter oder veränderten ihr Muster, was gemeinhin als „Mosaikkrankheit” bezeichnet wird. Danach schwollen der Stamm und junge Triebe an, was im Englischen „shoot swelling“ genannt wurde und der Krankheit ihren Namen gab. Nach einem Jahr ließen Wachstum und Erträge der befallenen Pflanze nach, spätestens nach drei Jahren war der Baum abgestorben.
Eigentlich hätten schon damals in Ghana alle infizierten Kakao-Plantagen rigoros abgeholzt werden müssen, aber dazu konnten sich die armen Bauern nicht durchringen, zumal sie dafür keinerlei staatliche Kompensationen erhalten hätten. Stattdessen wurde nichts unternommen und nur die nicht mehr nutzbaren Anbauflächen durch immer neue und größere Plantagen in sämtlichen westafrikanischen Ländern ersetzt, nicht zuletzt, um die in den letzten Jahrzehnten ständig wachsende Nachfrage nach Kakao auch in neuen Absatzmärkten wie China und Indien befriedigen zu können. Mit dem logischen Ergebnis, dass „den Badnaviren auch mehr Wirte zur Verbreitung der Seuche“ zur Verfügung standen, wie es das Wissenschafts-Online-Portal ,,Spektrum.de“ in einem Beitrag über die aktuelle Kakao-Krise dargestellt hatte. „Obwohl CSSD bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auftrat“, so Spektrum.de, „war die Krankheit für die gesamte Kakaoproduktion nie so gefährlich wie jetzt“.
Das hängt auch damit zusammen, dass die Krankheit nicht nur von einem einzigen Virus übertragen wird, wie man in der Forschung bis 1999 angenommen hatte. Nach derzeitigem wissenschaftlichen Stand gibt es mindestens zehn Spezies des Badnavirus, die CSSD verursachen können. Diese verschiedenen Spezies können regional sehr unterschiedliche Krankheitssymptome auslösen und dadurch wird die schnelle Erkennung der Krankheit häufig deutlich erschwert. Die daraus resultierenden Ernteausfälle werden für das Jahr 2030 auf zwei Millionen Tonnen Kakao taxiert. Für das Jahr 2050 hat die amerikanische Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA) prognostiziert, dass an der Elfenbeinküste und in Ghana, den beiden weltweit größten Produzenten, fast 90 Prozent der derzeitigen Kakao-Anbauflächen nicht mehr genutzt werden könnten. In Ghana hatte die Seuche 2019 ihren bisherigen Höhepunkt mit bestätigten 16 Prozent infizierter Pflanzen erreicht, wobei die Dunkelziffer noch weitaus höher anzusiedeln sein dürfte. Die Auswirkungen auf den weltweiten Kakao-Handel, dessen derzeitiger Umsatz auf mehr als 100 Milliarden US-Dollar geschätzt wird und der dadurch den Lebensunterhalt von rund 50 Millionen Menschen sichert, dürften bald gravierend werden. Besonders die Staaten Westafrikas sind vom Kakao-Anbau wirtschaftlich enorm abhängig. Beispiel Elfenbeinküste: Dort arbeiten rund sechs Millionen Menschen in der Kakao-Industrie. Deren möglicher Niedergang könnte daher erhebliche soziale und politische Unruhen zur Folge haben.
80 bis 100 Prozent der Kakaopflanzen infiziert
Ein erfolgversprechendes Patentrezept zur Lösung der Kakao-Krise ist derzeit nicht in Sicht. An der University of Queensland in Australien wird derzeit an einem mobilen DNA-Test-Gerät geforscht, mit dessen Hilfe die Bauern den Virus-Befall ihrer Bäume nachweisen können sollen. Im besten Fall könnten sie damit auch Pflanzen, deren Frucht theoretisch das ganze Jahr über geerntet werden kann, wobei die Hauptmenge jedoch meist im Monat Oktober anfällt, herausfiltern, die noch gesund sind und daher für eine neue Kultur verwendet werden könnten. Eigentlich bleibt derzeit als Schnellmaßnahme nur das Abholzen befallener Plantagen. Aber auch diese althergebrachte Methode scheint nicht mehr auszureichen, wie es die renommierte Pflanzenvirologin Prof. Judith K. Brown von der University of Arizona gegenüber spektrum.de kommentiert hatte: „Die infizierten Bäume abzuholzen, funktioniert einfach nicht mehr. Elfenbeinküste und Ghana haben versucht, der Krankheit davonzulaufen, indem sie Plantagen immer weiter entfernt von den ursprünglichen Ausbruchsherden errichteten. Nun wird aber klar, dass die Krankheit auch auf diesen neuen Plantagen auftritt.“ Prof. Brown, die seit Jahren mit dem US-Landwirtschaftsministerium und dem Schokoriegel-Riesen Mars zusammenarbeitet, hat sich längst auch vor Ort ein Bild vom Kakaobaumsterben gemacht: „In vielen Plantagen, die ich in Westafrika begutachtet habe, sind 80 bis 100 Prozent der Kakaopflanzen mit der Krankheit infiziert.“ In einer 2019 im Fachmagazin „Phytopathology“ veröffentlichten Studie hatte Prof. Brown mit Kollegen nachweisen können, dass derzeit schon jedes Jahr bis zu 38 Prozent der globalen Kakaoernte durch Erreger wie CSSD vernichtet werden.
Der flächendeckende und massive Einsatz von Pestiziden verspricht auch kaum Erfolgsaussichten im Kampf gegen die Seuche. Viele der Schmierläuse hausen tief in der Erde und können daher von der chemischen Keule kaum getroffen werden.
Einige Wissenschaftler regen das Aufstellen grüner Barrieren an, mit denen die Kakaoplantagen gewissermaßen schützend eingezäunt werden sollen. Ob allerdings die dafür ausersehenen Zitrusbäume, Ölpalmen oder Kautschukbäume, die selbst resistent gegen Badnaviren sind, die Seuche wirklich in Zaum halten können, bleibt abzuwarten. Prof. Brown hält die vor allem in Europa wohl umstrittenste Methode der genetischen Modifizierung mittels der Cripsr-Technologie zur Rettung der Kakaopflanze für am vielversprechendsten. Dabei könnten die für die Erreger anfälligen Gene der Pflanze durch widerstandsfähige ersetzt werden. „Wenn die Menschen ihre Produkte andernfalls nicht mehr erhalten können“, so Prof. Brown, „werden sie ihre Meinung vielleicht ändern.“