Die neue Spielzeit 2020/21 am Saarländischen Staatstheater beginnt. Welches Programm erwartet die Besucher in den Zeiten von Corona?
Wir kommen Ihnen ganz nah", verspricht Bodo Busse, Generalintendant des Saarländischen Staatstheaters(SST), den Zuschauern für die neue Spielzeit. Was in Corona-Zeiten wie ein Drohung klingt, ist vielmehr eine Verführung zur Bühnenkunst, die – trotz strenger Distanzregeln – Räume für soziale Begegnungen schaffen will. „Auch Kunst und Kultur leben von zwischenmenschlicher Nähe, Kontakt, vom gemeinschaftlichen Erlebnis, von Berührung und Berührt-Werden. Körperliche Distanz ist sicherlich wichtig, um das Infektionsgeschehen einzudämmen, aber das hat eigentlich nichts mit sozialer Distanz zu tun", betont der SST-Chef.
In den vergangenen Monaten musste sich das SST auf die Suche nach neuen theatralischen Formen machen. „Alle Produktionen haben wir neu für eine besondere Zeit erfunden oder entsprechend modifiziert", berichtet Bodo Busse. Das erklärte Ziel dabei: Auch in Zeiten von Corona die Zuschauer mitten ins Herz treffen.
Bereits der Auftakt ist ungewöhnlich. Statt des traditionellen Theaterfestes, das ebenso wie die Kulturmeile corona-bedingt entfällt, heißt es „Staatstheater goes Völklinger Hütte!". Beim Theater-Parcours am Sonntag, 23. August, 14 bis 18 Uhr, wird das Areal des Unesco-Weltkulturerbes zum Begegnungsort mit Musikern, Sängern, Schauspielern und Tänzern. Das ehemalige Eisenwerk wird zum Ort für die Bühnenkunst. Eine Woche später, am 30. August, 16 Uhr, ist das Saarländische Staatsorchester zu Gast in der Völklinger Hütte. Meisterwerke von Verdi, Bizet und Beethoven werden beim Konzert im Roheisenkanal erklingen. Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist frei.
Ebenso am Sonntag, 30. August, geht es im Großen Haus los. Um 11 Uhr findet das 1. Kammerkonzert statt. Auf dem Programm stehen Werke von Antonio Pasculli, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven.
Die erste Theaterpremiere wird am 5. September in der Alten Feuerwache gefeiert: „Nora_spielen!" nach Henrik Ibsens Theaterstück „Nora". Die gleichnamige Protagonistin erzählt von dem hohen Preis, den sie für das Glück ihrer Familie zahlen musste, und vom Leben mit fragwürdigen Idealen und Konventionen. Vor 141 Jahren erschien das Werk des norwegischen Dramatikers – und doch ist es in Zeiten von Corona erstaunlich aktuell. Die zentrale Frage: Wie weit darf die Freiheit des Einzelnen gehen?
Die Opern-Sparte des SST startet am 6. September, 18 Uhr, im Großen Haus mit einer großen Verdi-Oper in die neue Spielzeit. „Der Troubadour" garantiere mit „suggestiven Bildern voll hinreißender Musik und vokaler Brillanz Gänsehautmomente", heißt es dazu im Programm. Zwar werde pandemiebedingt auf die chorische Opulenz der Handlung verzichtet, aber das biete die Möglichkeit, den Fokus noch stärker auf das Innenleben der Figuren sowie den Bruderzwist im Politischen wie im Persönlichen zwischen Graf Luna und dem Troubadour Manrico zu richten.
Neue Wege musste auch das Ballett gehen. Das zeigt Ballettdirektor Stijn Celis in seiner neuen Choreografie „Sound &Vision" eindrucksvoll. Soli, Duette und kleine Formationen ohne Körperkontakt sowie Pop- und Unterhaltungsmusik bilden die Elemente für den Bühnentanz in Zeiten von Corona. Die Uraufführung ist für Samstag, 3. Oktober, 18 Uhr, im Großen Haus geplant.
Freier Eintritt beim Theater-Parcours
Die erste Inszenierung in der Sparte 4 erweist sich ebenso am Puls der Zeit. „Die Politiker", ist ein Sprechtext von Wolfram Lotz, in dem er die mediale Omnipräsenz der Politik der Selbstisolation des Schreibenden gegenüberstellt. Das 2019 entstandene Stück, in dem der Autor über das „Propagieren der Fiktion" sinniert, ist hochpolitisch und brandaktuell. Es feiert am 18. September, 20 Uhr, Premiere in Saarbrücken.
Musical-Fans dürfen sich auf die Premiere von „Hair", am 24. Oktober um 19.30 Uhr in Großen Haus freuen. Das Love-Rock-Musical, das sich um freie Liebe, Rauschgiftkonsum, Kriegsdienstverweigerung sowie um Menschen, die ihre Meinung sagen und sich für Frieden und Toleranz einsetzen, dreht, gilt seit der Uraufführung 1967 als bunter Protest gegen das Establishment. Die Parallelen zur Gegenwart sind auch hier groß.
Die SST-Broschüre von September bis Dezember 2020 beeindruckt mit Vielfalt und einem vollen Terminkalender. In den ersten beiden Monaten sind fünf Premieren und vier Uraufführungen angekündigt. Der Kartenverkauf für August, September und Oktober beginnt am Montag, 24. August.
„Alle Produktionen folgen auf der Bühne und im Zuschauerraum der dynamischen Entwicklung aller Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus", versichert Bodo Busse. Sollten sich die behördlichen Sicherheitsauflagen ändern, werde man schnell darauf reagieren, zum Beispiel Platzkapazitäten und Besetzungsgrößen erweitern beziehungsweise verringern. Mit Plan A, B und C sei man für alle Eventualitäten gerüstet.
Das Programm für die zweite Spielzeithälfte ab 1. Januar 2021 erscheint im Herbst. Die Vorbereitungen dafür haben bereits begonnen, dann habe man Großes vor, verrät der Generalintendant: „Endlich können wir mit der Premiere von Richard Wagners ‚Die Walküre‘ den geplanten ‚Ring des Nibelungen‘ zu schmieden beginnen. Auch eine grandiose Neuvertonung des ‚Macbeth‘ von William Shakespeare ist in der Planung für Februar 2021."