Bildende Künstler, Musiker, Tänzer und Kreativschaffende sahen durch die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Krise einem finanziellen Nichts entgegen. Neben der Unterstützung von Bund und Land gab es weitere Initiativen im Saarland, die sich mit Förderprogrammen um schnelle finanzielle Lösungen bemühten.
Alleinunterhalter, sagte man in früherer Zeit, wenn ein einzelner Musiker auf Familienfeiern mit der Hammond-Orgel musizierte und dazu sang. Heute ist das etwas aus der Mode gekommen. Wie ein solcher Alleinunterhalter mag sich der Rapper Manu Meta im Frühjahr 2020 vorgekommen sein – wenngleich ohne Orgel und unter anderen Vorzeichen. Er war am 28. April 2020 der erste Künstler, der bei der von der Union Stiftung initierten Aktion „20x1000" live auf Sendung ging und zwar auf deren Facebook-Kanal. Das Ungewöhnliche daran: Manu Meta hatte sich kein Programm für seine Zuhörer zu Hause an Laptop oder Tablet ausgedacht, sondern der saarländische Rapper gab sein erstes „StreamMix-Konzert".
Meta saß in der Union Stiftung an seinem Laptop und die Zuschauer reichten in der Kommentarspalte der Live-Übertragung Songvorschläge mittels eines Youtube- oder Soundcloud-Links ein, die er herunterlud. Natürlich nur Instrumental-Versionen, damit Meta dazu seine eigenen Liedtexte rappen konnte. Das hört sich etwas kompliziert an und war es in der Umsetzung tatsächlich auch. Zuerst liefen die Kommentare nicht ein, dann funktionierten die Links nicht, „technische struggles", es rauschte und knackte. Aber Meta war durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Wenn die Technik funktionierte, und er mit tollen Texten zum Beispiel an die „Frau fürs Leben" rappte, dann sorgte das durchaus für Gänsehaut. Einfach mega! Auch für den Rapper war diese Art des Streaming-Konzertes eine neue Erfahrung. „Wie meine Kollegin Angela Merkel sagen würde, betrete ich hiermit Neuland", kommentierte Meta seinen ersten „Kaltstart". Nach dem Konzert bedankte er sich in der Kommentarspalte bei seinen Zuhörern: „Das war echt coooolio". Ein weiteres, bedeutendes Detail dieses Live-Auftrittes: Die Union Stiftung organisierte nicht nur den technischen Support für die Künstler und Musiker, um sich im Netz zu präsentieren, sondern obendrauf gab es 1.000 Euro Honorar.
Die Union Stiftung, die sich demokratische und staatsbürgerliche Bildung sowie die Förderung von Wissenschaft, Forschung und Kultur auf die Fahnen geschrieben hat, rief bereits kurz nach dem Lockdown den Wettbewerb „20x1000 Corona Hilfe" für Kultur- und Kreativschaffende ins Leben. Man wollte direkt und unmittelbar finanzielle Unterstützung leisten. „Die Corona-Krise hat dazu geführt, dass nahezu alle Künstlerinnen und Künstler, also Maler, Autoren, Schriftsteller, Komiker, Musiker, Comiczeichner, Poetry Slamer oder Filmemacher im Saarland hohe Einnahmeverluste zu verzeichnen haben. Bei vielen geht es um ihre Existenz. Mit unserem Wettbewerb leisten wir zusammen mit unserem Szene-Partner „PopRat Saarland" einen Beitrag zur Linderung dieser schwierigen Situation", sagte Hans-Georg Warken, Vorstandsvorsitzender der Union Stiftung.
„Beitrag zur Linderung der Situation"
Über 100 Beiträge wurden bis Mitte April eingereicht und von einer Jury schließlich 20 Preisträger ermittelt. Alle Gewinner produzierten – wie Manu Meta – einen Videobeitrag zu ihrem eingereichten Projekt. Diese sind immer noch auf der Facebook-Seite der Union-Stiftung abrufbar: Chansonkonzert, Musikhörspiel für Kinder, Drive-in-Art, Comiclesung oder ein Videotagebuch aus Mexiko machen deutlich, wie vielfältig das Kulturschaffen in unserer Region ist und zugleich auch, wie viele Akteure von der finanziellen Misere durch Kontaktbeschränkung und daher Auftrittsverboten betroffen sind. Da die Wertschätzung von Musik, Kunst und Kultur keine Landesgrenzen kennt, legte die Union Stiftung gemeinsam mit dem Ministerium für Finanzen und Europa zusätzlich einen Wettbewerb „20fois1000" für französische Künstlerinnen und Künstler aus der Region Grand Est auf. Hier stehen die 20 Preisträger mittlerweile ebenfalls fest und präsentieren sich mit Live-Auftritten auf Facebook.
Auch das Kulturforum der Sozialdemokratie Saarland hatte im Frühjahr einen Nothilfefonds initiiert und dabei 27.000 Euro an Spendengeldern gesammelt. In 60 Anträgen zu je 450 Euro wurden diese an Künstlerinnen und Künstler ausgeschüttet, da „die Notlage der Kulturschaffenden mit den Händen zu greifen war", wie die frühere Bildungsministerin und Vorstandsmitglied des Kulturforums, Marianne Granz, erklärte. Auch das Kulturforum wird mit allen Beteiligten ein Festival im Netz veranstalten. „In einem eigens eingerichteten Show-Room kann dann jeder live oder zeitversetzt sich die Beiträge, gleich ob Musik, Lesungen, Bilder, Fotografien der beteiligten Kulturschaffenden anschauen. Wer will, kann dann mit einem kleinen Obolus für die Eintrittskarte den Spendentopf für eine zweite Ausschüttung füllen", hofft der Kulturforums-Vorsitzende Dr. Burkhard Jellonnek.
Weitere im Saarland ansässige Stiftungen (Heinrich-Böll-Stiftung, Villa Lessing – Liberale Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Peter Imandt Gesellschaft/Rosa-Luxemburg-Stiftung) haben zwar während der Corona-Krise ebenfalls ihre laufenden Veranstaltungen auf „Online-Angebote" umgestellt, zusätzliche finanzielle Förderprogramme für Kulturschaffende wurden jedoch nicht aufgelegt.
Während für bildende Künstler und Musiker schon wenige Tage nach dem Lockdown der Ruf nach finanzieller Unterstützung laut wurde und die Kreativszene, neuerdings als „sozialer Kitt" betitelt, eine Lobby erhielt, fiel eine weitere im Kultursektor aktive Berufsgruppe durchs Raster: die freiberuflichen Kunsthistoriker. Also diejenigen, die in Museen oder bei Bildungseinrichtungen, die „Erzeugnisse" der bildenden Künstler vermitteln. Zu ihnen zählt etwa der promovierte Kunsthistoriker Bernhard Wehlen, der sowohl freiberuflich in Museen als auch in der Erwachsenenbildung arbeitet, sowie Lehraufträge an der Universität des Saarlandes wahrnimmt – er hat unbürokratisch die Soforthilfe des Landes erhalten. Und auch Bernhard Wehlen hat in der Corona-Krise neue Formen der Vermittlung mit Erfolg erprobt. Seine Vortragsreihen an der VHS in Saarbrücken und Saarlouis wurden in Online-Kurse umgewandelt. Und das mit großem Erfolg. Seine Seminare waren ausgebucht. Mit Bereitstellung der technischen Unterstützung durch die Volkshochschulen wurde die Möglichkeit geschaffen, die geplanten Bildungsangebote durchzuführen und dadurch einen Komplettausfall der Einnahmen zu vermeiden.
Auch wenn viele Kulturschaffende erfolgreich neue technische Möglichkeiten ausprobiert haben, hoffen doch alle darauf, bald wieder mit ihrem Publikum vereint zu sein. Denn: Live ist es doch am Schönsten!