Die Corona-Pandemie hält weiter an. Aber das erste Online-Semester an der Universität des Saarlandes ist überstanden, Vorbereitungen für das nächste laufen. Die Lehren aus einem „seltsamen Semester": Es fehlt an Interaktion und Kommunikation, sagen die Studierenden.
Es war ein besonderes Semester, keine Frage, im Zeichen des Coronavirus. Mittlerweile ist das Sommersemester der Universität des Saarlandes beendet, Klausuren und Abgaben stehen aber noch bis Ende Oktober an. Während sich Universität und Asta zum Ziel gesetzt hatten, unnötige Zeitverzögerungen zu vermeiden, haperte es bei der Umsetzung. Studierenden fehlte es an Kommunikation. Auch das Management einiger Dozenten ließ laut Asta zu wünschen übrig, da nicht immer klar war, wann oder wie die nächste Sitzung stattfindet oder der Termin für Klausuren und Hausarbeiten angesetzt war. Ein weiterer Knackpunkt: die Arbeitsbelastung, die gegen Ende des Semesters nicht weniger, sondern teils sogar noch mehr wurde. Vor allem in der Philosophischen Fakultät soll sie besonders hoch gewesen sein. Der akademische Mittelbau und die Hilfswissenschaftler mussten laut Asta jede Menge unbezahlte Überstunden leisten, da einige Dozenten sich nicht an der nötigen Arbeit hinter der Web-Kamera beteiligten.
Dies sind Erkenntnisse der Saarbrücker Studierendenvertretung aus Zuschriften per E-Mail. „Die Dozenten haben den Arbeitsaufwand für Studierende von 15 Wochen in zehn Wochen gesteckt. Daraus folgte, dass die Wochenarbeitsbelastung gestiegen ist. Daran müssen wir das nächste Semester einfach arbeiten", erzählt der Asta-Vorsitzende Alexander Schrickel. In den sogenannten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) stehen Lehrvideos zum Teil schon lange auf der Tagesordnung, die Studierenden sind es also gewohnt, sich den Arbeitsaufwand entsprechend aufzuteilen. Hannah Spies, stellvertretende Vorsitzende des Asta: „Damit haben die Philosophische Fakultät und die Fakultät für Empirische Humanwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften einfach keine Erfahrung". Laut drittem Asta-Chef Moritz Philipp waren zu Beginn sowohl Dozenten als auch Studierende mit der Situation einfach überfordert.
Auf der Haben-Seite: Die Microsoft-Teams-Lizenz wurde auf dem Campus innerhalb kürzester Zeit eingeführt. Die Institutsbibliotheken mussten für einige Zeit geschlossen werden, jedoch hat die Saarländische Universitätsbibliothek ihren Bestand an Online-Literatur mittlerweile aufgestockt. Allerdings gibt Asta-Vorsitzender Schrickel zu bedenken: Nicht alle Studierende und auch nicht alle Dozenten hätten ein mobiles Endgerät, auf denen notwendige Programme für die Online-Lehre fehlerfrei installiert werden könnten. Auch sei in den Wohnheimen das W-Lan häufig überlastet gewesen.
Um die psychische Belastung zu verringern, versuchte der AStA, den Druck zu reduzieren: Er bemühte sich um Kulanz- und Wiederholungsregelungen für Klausuren. Doch hierbei gab es Widerstand – seitens der Dozenten. Im Examens-Studiengang Pharmazie, genau wie bei Medizin und Jura, gab es laut Asta keine Kulanz – trotz vieler Studenten, die sich an den Pandemie-Maßnahmen beteiligten. „Studenten, die zum Beispiel in die Apotheken geschickt wurden, um Desinfektionsmittel herzustellen. Für die Pharmazeuten und Mediziner, die in Gesundheitsämtern und Telefonschleifen ausgeholfen haben, wurden keine Examensklausuren verschoben oder hierfür Freiversuche gegeben. Da sind wir als Asta vor Wände gerannt ", erzählt die stellvertretende Vorsitzende Hannah Spies.
„Zu Beginn waren alle einfach überfordert"
Dr. Michael Ring ist Studienkoordinator der Pharmazie und hat die Situation etwas anders wahrgenommen: „Wichtig ist vor allem zu erwähnen, dass unsere reguläre Studienordnung bereits einen solchen Freischuss vorsieht. Bei uns haben die Studierenden regulär vier Versuche in jeder Abschlussprüfung und damit schon einen Versuch mehr als in den meisten anderen Studiengängen an der Universität des Saarlandes" (UdS). Ring erklärt außerdem, dass die Aushilfstätigkeiten der Studierenden in einer Zeit stattfanden, in der ohnehin nur Online-Veranstaltungen angeboten wurden, die überwiegend ohne Teilnahmepflicht waren. „Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Studierenden und hätten es sicher erfahren, wenn es in diesem Zusammenhang Probleme gegeben hätte. Viele Studierende der UdS hatten und haben ja immer noch große finanzielle Probleme, da ihre Nebenjobs, zum Beispiel in der Gastronomie, verloren gingen. Die pharmazeutisch arbeitenden Studierenden hatten hier sogar Vorteile", so Ring.
Dennoch habe das Virus Probleme sichtbar gemacht, die zuvor nicht auffielen. „Wir haben ein Machtproblem an der Uni", sagt Hannah Spies: „Professoren haben natürlich qua Amt Macht, denn sie können deine Klausuren aufsetzen und korrigieren. Und wenn sich das dann doppelt mit Ämtern wie Prüfungsausschuss-Vorsitzendem oder Studienkoordinator machen wir die Erfahrung, dass sich Studis nicht trauen, Feedback zu geben, ihren Studiengang zu kritisieren, vor allem nicht namentlich und oft auch nicht anonym. Und das finden wir sehr schade, denn dann kann man auch nichts verbessern", sagt Alexander Schrickel.
Insgesamt ist der Asta-Vorsitzende trotz einiger Probleme recht zufrieden mit dem Verlauf des Online-Semesters. Er gibt jedoch ein klares Statement für das kommende Semester ab: „Für das nächste Semester muss den Dozenten klar sein, dass es jederzeit zu einem Lockdown kommen kann. Das heißt, sie müssen auf jeden Fall eine Online-Lehre vorbereiten. Wir denken aber trotzdem, dass es im nächsten Semester besser laufen wird, weil die Dozenten einfach viel mehr Vorlaufzeit hatten. Wir waren dieses Semester kulant, aber es muss nächstes Semester noch besser werden."
„Mehraufwand hat sich gelohnt"
Dr. Jonas Nesselhauf ist Juniorprofessor für Europäische Medienkomparatistik in der Philosophischen Fakultät. Er weiß um die Herausforderungen, mit denen auch die Dozenten im Online-Semester zu kämpfen hatten. „Dennoch hatte ich das Gefühl, dass Unileitung und -verwaltung, Studierende und Lehrende in diesem seltsamen Semester alle an einem Strang gezogen haben, um das Sommersemester so reibungslos wie möglich zu machen. Auch wenn es sicherlich schön wäre, wenn der dadurch entstandene deutliche Mehraufwand von der Universität auch anerkannt werden würde — denn viele Lehrende haben sich über alle Fakultäten hinweg mit innovativen Lehrformaten aus dem Homeoffice heraus wirklich große Mühe gegeben", erklärt er. Nesselhauf betont, dass natürlich der direkte Austausch mit den Studierenden fehlte. „Der zeitliche Aufwand war für mich als Lehrender deutlich höher, und es gab zahlreiche Wochen, in denen neben der Vor- und Nachbereitung der Lehre und den ohnehin anfallenden Verwaltungsaufgaben schlicht keine Zeit für die eigene wissenschaftliche Arbeit mehr übrigblieb." Am Ende war jedoch nicht alles schlecht: „Das Feedback war insgesamt überaus positiv und hat meine Hoffnungen übertroffen — was mir dann am Ende dieses Semesters zeigte, dass sich der hohe Aufwand offenbar gelohnt hat", so der Juniorprofessor.
Robert Gesing, Leiter der Stabstelle für Digitalisierung und Nachhaltigkeit der UdS, schließt sich diesem positiven Feedback an. Dennoch ist seine zentrale Empfehlung für das Wintersemester, alle Vorlesungen auch online aufzunehmen, damit sie in jedem Fall für die Studierenden verfügbar sind. „Wir versuchen im Moment, die Krise für einen weiteren Innovationsschub zu nutzen und eine nicht unerhebliche Anzahl an Vorlesungs- und Seminarräumen mit Kamera und Videosystemen auszustatten", sagt der Leiter der Stabstelle. Für das kommende Semester ist geplant, dass Vorlesungen weitestgehend online stattfinden, während Seminare mit geringerer Personenanzahl in Präsenz gehalten werden können. Auch Prof. Christian Wagner, der als Vizepräsident für die Digitalisierung zuständig ist, zieht eine insgesamt positive Bilanz: „Wenn man sich vergegenwärtigt, wie schnell die Ereignisse sich kurz vor dem Sommersemester überschlagen haben und wie schnell sich alle Beteiligten, sowohl die Studierenden als auch die Dozierenden an der UdS, auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt haben, kann man sehr zufrieden sein. Auch die Bereitstellung der notwendigen Technik ist uns rechtzeitig gelungen."
Unterm Strich war das „seltsame" Semester 2020 wohl weitestgehend erfolgreich, allerdings nicht einfach und fehlerlos. Aber daraus lernt die Universität: Für das kommende Wintersemester sollten Interaktion und Kommunikation ganz oben auf der Agenda stehen.