Universitäten stehen für Zukunft und Forschung und haben deshalb eine Vorbildfunktion. Aber was macht die Universität des Saarlandes als erste Fairtrade-Universität Deutschlands mit ihrem Müll? Ein Blick in die Tonne – und auf Kaffeebecher.
Eine Studentin steht mit ihrem Kaffeebecher vor der Mülltonne und überlegt: Gelb, Rot oder Blau? Sie wirft einen Blick auf die Anleitung an der Wand. Der Plastikdeckel fällt durch die gelbe Klappe, der Becher durch die blaue. Eine typische Szene auf dem Campus. Aber nimmt sich jeder Student so viel Zeit für wohl überlegte Mülltrennung?
Die Universität des Saarlandes (UdS) war 2014 die erste Fairtrade-Uni Deutschlands, 2009 bundesweit die dritte Hochschule mit zertifiziertem Entsorgungsbetrieb. Margret Stragand ist die Leiterin dieses Betriebs: „Die Mülltrennung erfolgt nach den drei Farben Gelb, Rot und Blau – Abfälle des dualen Systems, Restmüll und Papier." Das System wird laut Stragand gut angenommen. An den 50 Abfallsammelstellen auf dem Campus sammelt täglich ein Fahrer zwischen 8 und 13 Uhr den Müll ein. Neben der Trennung von 26 Müllsorten werden bis zu 80 Prozent davon recycelt.
Stragand ist auch verantwortlich für die Reinigungskräfte. Allerdings haben die Sparrunden der vergangenen Jahre auch hier Spuren hinterlassen. Die hohe Fluktuation ihrer Mitarbeiter und teils schlechte Deutschkenntnisse führen zu Missverständnissen. „Ich bemühe mich, wenigstens einmal im Jahr eine Schulung für die Reinigungskräfte anzubieten. Sie erkennen vor Ort am ehesten einen Mangel. Ich hake dann in dem jeweiligen Gebäude nach, was nicht klappt. Es funktioniert, weil ich immer dahinter bleibe", fügt sie hinzu. Trotzdem gibt es Anlass zur Kritik: „Vorher hatten wir immer einen Asta-Vorsitz, der lange Jahre im Amt war. Jetzt haben wir leider seit dem Bologna-Prozess einen Asta, der sich, um sein eigenes Studium zu retten, am Campus nie lange engagieren kann. Es wäre schön, wieder einen regelmäßigeren Kontakt herzustellen."
Ein Müllverursacher auf dem Campus: die Mensa. Vom Campus-Center bis dorthin ist es nur ein kurzer Fußweg. Mülleimer auf dem Weg dorthin gibt es genug. Trotzdem liegt er da auf dem Boden, wo er eigentlich nicht hingehört – ein gelbbrauner Einweg-Kaffeebecher. Warum wird dieser Becher auf dem Campus überhaupt noch gebraucht?
Das Studentenwerk ist Träger der Saarbrücker Uni-Mensa. 3.500 Mahlzeiten bereitet sie täglich zu. Dabei fällt so gut wie kein Restmüll an, so das Studentenwerk. Im Zuge einer „Nimm die Reste mit"-Aktion hat die Mensa neue Verpackungen bereitgestellt. Sie bestehen zum Großteil aus Zuckerrohr. Bleibt doch etwas übrig, wird es am nächsten Tag für 1,90 Euro als Tellergericht angeboten. Alle Reste wandern in eine Biogasanlage. Die Mensa plant die Stückzahl ihrer Essen jeden Tag nach Erfahrung, um Reste zu vermeiden. „Und falls es mal nicht reicht, warten die Studenten auch gerne ein paar Minuten auf Nachschub", erklärt Heike Savelkouls-Diener vom Studentenwerk. Außerdem achte das Studentenwerk darauf, Lebensmittel wie beispielsweise Reis in möglichst großen Gebinden liefern zu lassen, und ist Teil der Initiative „Quattro-Cup".

An dem regionalen Mehrwegbecher-Pfand-System nehmen auch andere Cafés außerhalb des Campus teil. Man zahlt einen Euro Pfand für den Mehrweg-Becher und kann ihn bei teilnehmenden Partnern wieder abgeben. Dort wird er gespült und erneut in Umlauf gebracht. Bei den Studenten fallen Heike Savelkouls Veränderungen auf: „Man merkt schon, dass sich da bezüglich Nachhaltigkeit gewisse Fronten bilden", erklärt sie. „Wir sind die einzigen auf dem Campus, die den Quattro-Cup anbieten. Ursprünglich war mal geplant, dass sich alle daran beteiligen. Es gibt aber noch einen anderen großen Anbieter hier, der über 8.000 Einweg-Becher herausgibt. Wir hatten diesem sogar angeboten, dass wir seine Mehrwegbecher mitspülen."
Der Einwegbecher auf dem Boden war also kein Zufall. Gefühlt jeder zweite Student auf dem Campus trägt einen Kaffeebecher mit sich herum. Der Kaffee to go ist fast schon ein Statussymbol. Den Status macht mittlerweile aber nicht mehr der Kaffee, sondern der Becher aus.
Eine Einschätzung seitens der Studierenden dazu liefert das Asta-Nachhaltigkeitsreferat. Ylva Kroke hat gemeinsam mit Ruth Hager den Vorsitz. „Es herrscht eine diverse Sensibilität für dieses Thema. Es gibt Gruppen, die sich sehr engagieren, dann jedoch auch wieder solche, denen es völlig egal ist und die sich die Papierbecher kaufen." Was also steckt hinter dem Problem mit dem Becher? Sie erklärt: „Unser Eindruck ist, dass vonseiten der Cafés nicht der Wunsch da ist, etwas zu ändern. Der Asta selbst bietet zum Beispiel kostenlose Thermo-Kaffeebecher an."
„Wir tun noch nicht genug dafür"
Felix Schulz ist Leiter des Campusmarktes und für das Personal aller Cafés auf dem Campus zuständig. Unter seinen Verantwortungsbereich fallen die Cafés „Unique" und „Starbooks". Letzteres punktet mit einer gemütlichen Atmosphäre, mit roten und blauen Sesseln. Auf einem Regal hinter der Theke stehen Mehrwegbecher. Felix Schulz versucht, die Situation zu erklären. „Wir versuchen so gut es geht Wert auf Nachhaltigkeit zu legen." Das Café habe kaum Verpackungsmüll, da fast alles, was es an Lebensmitteln anbietet, im Campusmarkt selbst hergestellt wird. Gemeinsam mit den Lieferanten arbeiten Schulz und sein Team an einer nachhaltigen Lösung. „Das ist jetzt sowieso notwendig, weil es eine neue Verordnung zur Reduzierung von Plastikmüll gibt", erklärt Schulz.
Trotzdem liegt im Café nur Plastikbesteck aus. „Der Hintergrund ist ganz einfach: Uns ist das ganze normale Besteck geklaut worden. Das hier ist eine Art Erziehungsmethode für die Studenten", erzählt Felix Schulz. „Wir haben im Campusmarkt extra große farbige Tonnen zur Mülltrennung. Aber ich habe das Gefühl, den Studenten ist das völlig egal. Die werfen einfach alles irgendwo hin", erklärt der Marktleiter. An der Initiative „Quattro-Cup" könne er nicht teilnehmen, das Café habe nicht die Spülmöglichkeiten. Auf die Frage, weshalb sie das Angebot der Mensa, ihre Becher mitzuspülen, nicht in Anspruch nehmen, springt Rainer Kappés, Geschäftsführer des Cafés, ein: „Wir haben noch nie mit Drittpartnern wie der Mensa zusammengearbeitet. Das ist uns zu kritisch. Wenn der Transport der Becher am Ende nicht funktioniert, haben wir ein Problem. Wir wollten eine eigene Spülstraße einrichten, aber dafür stellt uns die Uni keine Räumlichkeiten. Deshalb animieren wir die Studenten dazu, ihre eigenen Becher mitzubringen, und bieten auch an, diese zu spülen." Felix Schulz weist darauf hin, dass „Starbooks" Mehrwegbecher anbietet. Sie kosten sechs Euro, die erste Füllung ist gratis. „Wir bieten den Studenten die Mehrwegbecher offensiv an, aber sie wollen sie einfach nicht", erklärt er. Die Autorin dieser Reportage erzählt dem Marktleiter, dass ihr bis jetzt noch nie ein Mehrwegbecher angeboten wurde. Felix Schulz dazu: „Das ist dann eine Personalfrage, da es das Anbieten der Mehrwegbecher vielleicht nicht so ernst nimmt, wie es soll."
Die Eindrücke auf dem Campus sind widersprüchlich: Margret Stragand lobt die Studenten, der Asta erwartet von seinen Kommilitonen mehr. Andere klagen über mangelnde Kooperation –sowohl untereinander als auch bei den Studenten. Was sagt die Universität selbst dazu? Robert Gesing leitet die Stabstelle für Digitalisierung und Nachhaltigkeit und ist Mitglied im Expertenteam Nachhaltigkeit der saarländischen Landesregierung. Am 19. Juni 2019 kam der Beschluss zur Mandatierung dieser Stabstelle, sie ist also noch recht frisch. Der erste Auftrag: alle Beteiligten an einen Tisch bringen. Die Stimmung auf dem Campus empfindet er als heterogen: „Es gibt viele, denen es ein Anliegen ist, aber zu wenige setzen das in Handeln um. Ich denke, wir tun noch nicht genug dafür." Außerdem könne die Uni als staatlicher Akteur nicht überall eingreifen. „Die Uni kann den Cafés keine Vorschriften machen, in welchen Behältern diese ihren Kaffee verkaufen." Die UdS würde jedoch bei einer neuen Vergabe von Pachtverträgen auch auf Nachhaltigkeit Wert legen. Der Leiter der Stabstelle weist darauf hin, dass aktuell im Gesetzesauftrag der Uni nichts zu Nachhaltigkeit stehe. „Wir machen das aktuell alles aus eigener Initiative. Sinnvoll wäre es, dies auch im Hochschulgesetz zu verankern und damit vom Gesetzgeber ein Mandat zu bekommen. Wir sind nach wie vor eine Landesbehörde und kein eigener politischer Akteur." Ziel- und Interessenskonflikte erschweren die Nachhaltigkeit. Am Ende bleibt den Akteuren allerdings wohl nur die Zusammenarbeit.