Das Ergebnis des Experiments dürfte von vornherein klar sein
Seit Adam und Eva selbst verschuldet aus dem Paradies vertrieben wurden, um fortan mit Arbeit und Mühsal das Erdendasein zu fristen, träumt der Mensch von einer Rückkehr in diesen paradiesischen Zustand. Die meisten haben dabei das Schlaraffenland vor Augen – ein Ort, in dem nach der Auslegung des berühmten Bildes von Pieter Bruegel dem Älteren die Menschen unter dem Baum liegend darauf warten, dass ihnen die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.
Ein Hauch dieses fürwahr paradiesischen Zustands ist näher gerückt. Corona und die unterschwellige Debatte über eine gerechte Einkommensverteilung in Deutschland haben es aufs Tablett gebracht. Seit Kurzem beschäftigen sich die Politik und Sozialwissenschaft ernsthaft mit der Idee, wie es denn wäre, wenn die Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten würden. Gezahlt aus dem Staatssäckel, also von der Gemeinschaft der Steuerzahler.
Ein Menschheitstraum würde wahr: Geld verdienen oder besser ausgezahlt bekommen, ohne dafür arbeiten zu müssen. Und das regelmäßig, sicher und monatlich. Doch bevor das in Deutschland Wirklichkeit werden kann, haben die Götter eine Prüfung eingebaut. Zuvor soll über drei Jahre in Berlin bei 120 Menschen getestet werden, wie sie sich verhalten, wenn ihnen vom Frühjahr 2021 an monatlich 1.200 Euro ohne jede Gegenleistung vom Staat gezahlt wird.
Mit diesem Experiment möchte der Berliner Verein „Mein Grundeinkommen" in Kooperation mit renommierten Wirtschafts- und Sozialforschern wissenschaftlich ergründen, ob und wie Menschen ihr Erwerbs- und Konsumverhalten verändern, wenn sie frei von existenziellen Ängsten und Nöten monatlich ein bedingungs- und bindungsloses Grundeinkommen erhalten. Wobei einzuräumen ist, dass 1.200 Euro keine Luxusversorgung erlauben, sondern eher nur das Existenzminimum anreichern.
Das Ganze wirft durchaus Fragen auf: Hätte eine solche Zahlung große negative gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen? Soweit es Arbeitslose betrifft, würden diese ihre Bemühungen um einen neuen Job einstellen oder die Suche nur noch halbherzig betreiben?
Schaltet man den gesunden verhaltensökonomischen Menschenverstand ein, so kann man sicher auch ohne Kenntnisse darüber, welche Ergebnisse die Studie erbringen wird, vorhersagen, dass große Verhaltensänderungen bei den monatlich Begünstigten – repräsentative Zusammenstellung unterstellt – nicht zu erwarten sein werden:
Diejenigen, die arbeitslos sind und Erwerbslosigkeit als Karriereziel anstreben, werden weiterhin arbeitslos bleiben, nur angenehmer leben können. Denjenigen, die temporär keine Arbeit haben, aber mit allen Mittel zurück in die Beschäftigung streben, erlaubt die monatliche Unterstützungszahlung einen leichteren und vor allem sorgfältigeren Suchprozess. Der Suchprozess dürfte sich verlängern, aber befriedigender verlaufen, auch zum Nutzen der Gesellschaft. Soweit im Empfängerkreis auch Menschen sind, die kein zusätzliches bedingungsloses Grundeinkommen notwendig haben, erhöht sich lediglich die persönliche und gesamtwirtschaftliche Konsum- oder Sparquote, beim Konsum in Richtung Befriedigung höherwertiger Bedürfnisse. Im Klartext wäre das ein Mini-Konjunkturprogramm.
Ob eine solche Studie überhaupt sinnvoll ist, soll hier nicht hinterfragt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass bei vielen Menschen das bedingungslose Grundeinkommen zu fast 100 Prozent in Haus, Hof und Konsum fließen wird. So gesehen ist die Senkung der Mehrwertsteuer nichts anderes als eine zeitliche Mini-Erhöhung des Einkommens für alle. In einer florierenden Volkswirtschaft wie der deutschen sollte eine solche Idee in die Ablage wandern. Und in einer nicht florierenden gibt es sicherlich effizientere Möglichkeiten der Kaufkraftsicherung.