Zur Reduzierung des Energieverbrauchs hat Microsoft das Projekt Natick auf den Weg gebracht. Dabei wurden Rechenzentren mit deutlich geringeren Ausfallraten als bei landbasierten Servern in kühlenden Küstengewässern versenkt.
Das Schlagwort „Klimaneutralität" wird weltweit von Regierungen und Konzernen immer wieder gern zur Formulierung ambitionierter Umweltschutzziele in den Mund genommen. Microsoft möchte noch einen Schritt weitergehen, wie das Unternehmen Anfang dieses Jahres verkündet hatte. Denn bis 2030 möchte der Hightech-Gigant „klimanegativ" werden und damit keinerlei Klimaspuren mehr hinterlassen. Dafür sollen die CO₂-Emissionen und der Energieverbrauch im Unternehmen drastisch reduziert werden, und Strom soll nur noch aus erneuerbaren Energien bezogen werden. In diesem Zusammenhang kann auch das auf den Namen Natick getaufte Pilotprojekt eine wichtige Rolle spielen. Rechenzentren sollen hierbei in Küstennähe auf dem Meeresboden deponiert werden, um dort auf natürlichem Wege die für die Kühlung der Server an Land notwendige Riesen-Energiemenge einsparen zu können. Der Ozeangrund bietet dafür Platz im Übermaß, die Datenwege zu einem Großteil der Verbraucher wären kurz und die Latenzzeit bei der Datenübertragung aus der Cloud könnte extrem beschleunigt werden, da derzeit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung weniger als 200 Kilometer von der Küste entfernt lebt. Dem ständig wachsenden Bedarf nach Cloud-Infrastruktur im Umfeld von küstennahen Ballungsräumen könnte damit perfekt Rechnung getragen werden.
Die bisher gewonnenen Erkenntnisse des vor sechs Jahren gestarteten Natick-Projekts sind vielversprechend, die Prüfung auf Machbarkeit scheint bestanden zu sein. Ein Meilenstein war dabei im September die Bergung des vor zwei Jahren am European Marine Energy Center vor der Küste der schottischen Orkney-Inseln in 35 Metern Tiefe platzierten wasserdichten Prototypen eines Unterwasser-Rechenzentrums in Container-Größe. Das Äußere der einst schneeweißen, 12,2 Meter langen, zylinderförmigen Röhre mit einem Durchmesser von 2,8 Metern war ziemlich unansehnlich geworden. Die Oberfläche war von einer dicken Schicht aus Algen, Seepocken und Seeanemonen überzogen. Doch nach Einsatz von Hochdruckreinigern und der Einführung eines Prüf-Röhrchens durch ein Ventil an der Oberseite waren die zuständigen Wissenschaftler guten Mutes, dass der Inhalt der auf zwölf Racks oder IT-Schränke verteilten 864 Standard-Microsoft-Server (mit einer Speicher-Kapazität von 27,6 Petabyte) den Aufenthalt im Meereswasser unbeschadet überstanden hatte. Die hochsensiblen Teile waren im Container von einer gegen Korrosionen schützenden Atmosphäre aus trockenem Stickstoff umgeben. Zur genaueren Untersuchung wurde der Zylinder ungeöffnet auf einen Lastwagen geladen und zum Nigg Energy Park im Norden Schottlands transportiert. Erst dort wurde er aufgeschraubt, anschließend wurden die Server entnommen und zur weiteren Analyse in die Microsoft-Zentrale nach Richmond auf den Weg gebracht. Dort ist man seitdem damit beschäftigt, etwaige
während der laufenden Versuchsphase hatten die Microsoft-Forscher erfreut feststellen können, dass die Server unter Wasser achtmal zuverlässiger gearbeitet hatten als ihre landbasierten Pendants. Sprich: Es waren achtmal weniger Geräte ausgefallen. Das dürfte für eine künftige praktische Umsetzung auch nötig sein, schließlich können etwaige Hardware-Ausfälle über einen angedachten Betriebszeitraum von fünf Jahren, alternativ sogar maximal bis zu zehn Jahren, nicht durch den Einsatz von Technikern behoben werden. Eine aufwendige Zugangsschleuse ist nicht vorgesehen. Defekte Server müssten vielmehr einfach abgeschaltet werden. Für die deutlich bessere Server-Langlebigkeit unter der Meeresoberfläche haben die Wissenschaftler zwei Erklärungshypothesen vorgelegt. Zum einen sei die Stickstoff-Atmosphäre für die elektrischen Elemente viel weniger korrosionsfördernd als Sauerstoff. Zum anderen wirke sich das Fehlen menschlicher Kontakte positiv aus, weil diese erfahrungsgemäß durch kaum vermeidbare Komponenten wie versehentliches Anstoßen leicht zu Beschädigungen an der Hardware führen könnten. Auch der Wegfall von Temperaturschwankungen, die die Geräte beeinträchtigen, könnte sich laut Microsoft positiv ausgewirkt haben.
Erwärmung und Schallbelastung sehr gering
Das Versuchsfeld im Nordatlantik, wo die raue See Gezeitenströmungen von bis zu 14 Kilometer pro Stunde aufweist und Sturmwellen von über 18 Metern Höhe auftreten können, wurde von Microsoft übrigens ganz bewusst ausgewählt, weil dort der für den Bedarf der Server benötigte Strom zu 100 Prozent aus Wind- und Sonnenergie sowie weiteren ökologischen Quellen gewonnen werden kann. Für die Zukunft wird von Microsoft das Umfeld von Offshore-Windparks als ideale Location für das Versenken von Unterwasser-Rechenzentren angesehen, weil dort selbst bei schwachem Wind genügend Elektrizität erzeugt werden kann. Für den Notfall könnte zusätzlich eine Stromleitung zum Land installiert werden. Für die Kühlung des Unterwasser-Rechenzentrums benutzt Microsoft ein bei U-Booten längst bewährtes Wärmeaustauschverfahren. Die kostenlose Kühlung durch das Meerwasser ist ein ganz zentrales Element des Projekts, weil dafür an Land hohe Kosten anfallen sowie beachtliche Energie- und Süßwasser-Ressourcen angezapft werden müssen. Aus einem früheren Testversuch, der im Sommer 2015 in den ruhigen, flachen Gewässern vor der kalifornischen Küste mit einem ersten Container-Prototypen durchgeführt wurde, hatten die Microsoft-Forscher die aus ökologischer Sicht beruhigende Erkenntnis gewinnen können, dass sich das Meerwasser in der direkten Umgebung des Rechenzentrums um nicht mehr als ein Tausendstel Grad erwärmen kann und dass so gut wie keine Schallbelastungen feststellbar sind. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit sollen die aus recyceltem Material produzierten Rechenzentren absolut emissionsfrei arbeiten und nach Ausrangierung wieder vollständig wiederverwerbar sein können.
Die Idee für das Natick-Projekt war übrigens 2014 in einer seinerzeit noch von Bill Gates initiierten sogenannten Think Week geboren worden, deren Ziel es ist, Microsoft-Mitarbeiter regelmäßig die Möglichkeit zu eröffnen, unkonventionelle Vorschläge zu unterbreiten. Das dabei verabschiedete Konzept sah vor, schnellere Cloud-Dienste für die in Küstennähe lebende Weltbevölkerung bereitzustellen und dabei auch noch Energie zu sparen. Um die künftige Wirtschaftlichkeit und die Möglichkeit zur raschen Bereitstellung vieler kleiner, containergroßer Rechenzentren zu prüfen, wurde der Orkney-Einsatz entsprechend angelegt. Der Container wurde in Frankreich produziert, danach auf der Ladefläche eines 18-Rad-Lkws nach Schottland transportiert und anschließend installiert. Microsoft geht davon aus, dass es künftig nur 90 Tage dauern wird, um einen vorproduzierten Container via Lkw oder Schiff von der Fabrik abzuholen und am vorgesehenen Ort in Betrieb zu nehmen.