Was Gabriel Clemens macht, hat mit „Kneipensport" nichts zu tun. Der 37-jährige Darts-Profi aus Saarwellingen ist die deutsche Nummer eins und gehört zu den 30 Besten der Welt. Seit er sich voll auf seine Karriere konzentriert, wird er von Tag zu Tag besser – und leichter.
Er ist die neue Nummer eins des Dartsports in Deutschland. Schon vorher wurde er der „German Giant", der „Deutsche Riese", genannt: Gabriel Clemens. Der aus Honzrath stammende und in Saarwellingen wohnhafte 37-Jährige fing im Alter von 18 Jahren mit E-Darts an, der aus Kneipen bekannten Automaten-Variante. Dort spielte er wenig später in der Bundesliga. Mittlerweile wirft er mit individualisierten Pfeilen aus Stahl, mit denen er seit 2018 an der PDC-Tour teilnimmt, der wichtigsten Turnierserie der Welt. Ermöglicht hat ihm dies ein Turniersieg im Rahmen der „Qualifying School", was ihm als erstem Deutschen überhaupt gelang. Seit Februar 2019 ist der gelernte Industriemechaniker Vollprofi, vor kurzem rückte er in die Top 30 der Weltrangliste vor. Seine Welt ist eine Scheibe. Aus Pflanzenfasern. Zuletzt erreichte er am vergangenen Wochenende zusammen mit dem 24-jährigen Max Hopp aus Hessen beim World Cup in Salzburg das Halbfinale. Clemens und Hopp, die deutsche Nummer zwei, gingen in Salzburg als Team für Deutschland an den Start.
„Grundsätzlich war das alles in Ordnung", fasst Clemens eher nüchtern zusammen. Angesichts der bedrückenden Grundstimmung während der Corona-Pandemie könne er im Moment „nicht wirklich euphorisch sein. Ich habe halt in letzter Zeit relativ oft auf großen Bühnen gespielt, das ist natürlich schon ein schöner Erfolg. Dazwischen gab es aber auch vier, fünf Wochen, in denen ich schlecht gespielt habe." Das sei bei einer Einzelsportart wie Darts nun einmal so: „Man muss dann ruhig bleiben und weiter trainieren, und dann kommt die Form schon wieder", weiß er.
Knappe Niederlage gegen Peter Wright
Ende Oktober bei der Europameisterschaft in Oberhausen war sie wieder da, die Topform. Trotzdem war für Clemens bereits nach der ersten Runde Schluss. Allerdings war der Gegner kein Geringerer als Weltmeister Peter Wright aus Schottland. „Ich hatte zwei große Chancen. Wenn ich die hätte nutzen können, hätte es auch andersherum laufen können", sagt er. Einmal verfehlte er das Bullseye in der Mitte der Scheibe und einmal das Doppel-20-Feld um Haaresbreite. „Aber insgesamt gesehen habe ich ein gutes Spiel gemacht, und er war einfach besser", resümiert Clemens, der über Wright sagt: „Er ist wirklich ein sehr Netter. Er hat immer einen netten Spruch auf den Lippen." Trotzdem hätte er lieber erst etwas später im Turnier gegen ihn gespielt: „Die Auslosungen sind in letzter Zeit nicht gerade zu meinen Gunsten gelaufen. Aber letztendlich muss man eh jeden schlagen, wenn man ganz vorne mitmischen will", sagt Clemens. Am Ende gewann der favorisierte Schotte mit 6:3, und der Saarländer konnte sich mit einem Preisgeld von knapp 6.700 Euro über die Niederlage hinwegtrösten.
Noch immer nehmen die Wenigsten Darts als „richtige" Sportart wahr – obwohl sie 2010 sogar durch den Deutschen Olympischen Sportbund offiziell anerkannt wurde. Die Bezeichnung „Kneipensport" hält sich hartnäckig. Was Gabriel Clemens macht, hat damit allerdings nichts mehr zu tun – trotz Tausender grölender Fans im Hintergrund, die bei Fernsehübertragungen mehr sich selbst als die Athleten auf der Bühne zu feiern scheinen. Trotz des Kneipen-Images genießt der Dartsport in Deutschland derzeit so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Weil er sich immer häufiger für die großen und populären Turniere und Meisterschaften qualifiziert, trifft der „German Giant" immer öfter auf die Stars der Szene. Auch abseits der Dartscheibe werden schon mal ein paar Worte gewechselt. Aber: „Tipps gibt dir da keiner – das wäre ja ein Ding", lacht Clemens, „man fragt sich untereinander nicht, was man besser machen könnte. Außerdem hat ja jeder seine individuelle Technik, da helfen die Tipps von anderen nicht weiter. Im Endeffekt kocht hier jeder sein eigenes Süppchen." Was nicht heißt, dass man dieses nicht gemeinsam auslöffeln kann: „Wir gehen nach den Turnieren oft zusammen essen. Aber in der Regel sitzen wir Deutschen und Österreicher zusammen – allein schon wegen der Sprache. Wenn ich zum Beispiel an die Schotten denke – da versteht man gar nichts mehr", verrät er. Zum Österreicher Mensur Suljović hat Clemens ein gutes Verhältnis, aber auch mit dem wohl Auffälligsten im weltweiten Darts-Zirkus, dem Niederländer Michael van Gerwen, pflegt der 37-Jährige immer mal wieder den persönlichen Austausch.
Ernährung umgestellt und 20 Kilo abgenommen
Die starke Entwicklung von Gabriel Clemens kommt nicht von ungefähr. Nach einer Ernährungsumstellung hat der „Riese" insgesamt rund 20 Kilogramm abgenommen. „Ich fühle mich auf jeden Fall fitter als vorher. Auch wenn das Training während Corona natürlich ein bisschen nachgelassen hat, weil man da ja deutlich mehr zu Hause rumsitzt als vorher", gibt er zu. Um seine Fitness zu verbessern, arbeitet Clemens mit zwei Trainern zusammen, die ihm einen speziellen Tagesplan erstellen, der sich auch Aspekten wie mentaler Stärke und Ernährung widmet.
Das eigentliche Darts-Training übernimmt Clemens selbst. „Ich gestalte das dann recht abwechslungsreich. Es gibt verschiedene Trainingsspiele, damit es nicht langweilig wird", erklärt er. Um dabei ungestört zu sein, hat er sich einen eigenen Trainingsraum in Reimsbach gebaut. „Im Moment ist alles wieder ganz normal. Die Turniere laufen ja weiter und man weiß, was als nächstes ansteht. Beim ersten Lockdown wusste man ja gar nicht, ob und wie es weitergeht und das war schon schwieriger", erinnert er sich und gibt zu: „Da war es schon schwierig, sich für das Training zu motivieren." Das ist nun anders, wobei eine gewisse Unsicherheit bleibt: Wie werden sich die Infektionszahlen auch im Ausland entwickeln? Klappt die Einreise in die Länder, in denen Turniere stattfinden, reibungslos? Bleiben alle gesund? Bisher blieb Clemens vom Coronavirus verschont.