Bei seinem Lieblingsturnier hat Bernhard Langer einen neuen Meilenstein seiner Karriere gesetzt. Der 63-Jährige kann auch mit der neuen Golf-Generation noch mithalten.
Bernhard Langer sah erschöpft aus, sein Lächeln war mehr müde als strahlend. „Darauf sollten wir anstoßen", sagte der Golf-Altstar eher pflichtbewusst in die TV-Kamera. Ganz so, als wüsste er, dass man so einen Satz von ihm nun erwarten würde. Denn es war etwas Großes passiert, ja etwas Historisches. Doch Langer war zu erschöpft, um diesen Moment auch in vollen Zügen zu genießen. „Ich bin sehr müde und werde mich noch behandeln lassen. Der Wecker hat heute Morgen um vier Uhr geklingelt", sagte Langer noch. Dann verschwand er aus dem Augusta National Golf Club, wo noch lange über den Anhausener und dessen Coup beim 84. US-Masters Mitte November gesprochen wurde.
Bei seiner insgesamt 37. Teilnahme an der Magnolia Lane überstand Langer im Alter von 63 Jahren, zwei Monaten und 17 Tagen den Halbzeit-Cut – als bislang ältester Spieler der Turniergeschichte. Er löste Tommy Aaron als Altersrekordler ab, der Amerikaner war im Jahr 2000 nach zwei erfolgreichen Runden 63 Jahre, ein Monat und 16 Tage alt gewesen. Langer nahm die Bestmarke bescheiden zur Kenntnis. So, wie das nun mal seine Art ist. „Es ist sicherlich ein Erfolg, der Älteste zu sein, der den Cut geschafft hat", sagte der zweimalige Masters-Champion zwar, doch zu hoch wollte er die Marke auch nicht hängen. Andere Golfprofis hätten in Augusta viel größere Fußspuren hinterlassen als er: „Es gab hier so viele großartige Spieler vor mir, von Jack Nicklaus über Gary Player bis zu den ganzen anderen Größen, die hier angetreten sind."
„Der Älteste, der den Cut geschafft hat"
Es ehrt Langer, dass er in der Stunde des Triumphs auf dem Boden bleibt. Das hat er während seiner langen und erfolgreichen Karriere eigentlich immer getan. Auch das ist ein Grund, warum der Oldie noch immer mit den deutlich jüngeren und kräftigeren Spielern der neuen Golf-Generation mithalten kann. Das – und natürlich auch seine immense Erfahrung. Die kommt auf diesem schwierigen Gelände besonders zur Geltung. Langer sei „das beste Beispiel dafür", sagte Golfstar Tiger Woods, dass man sich in Augusta durch Platzkenntnis „den einen oder anderen Schlag sparen" könne. Und er sei auch ein Beispiel dafür, dass man im fortgeschrittenen Alter „noch mithalten" könne.
In der Endabrechnung landete Langer mit insgesamt 285 Schlägen auf Platz 29. Ein herausragendes Ergebnis für einen 63-Jährigen, bedenkt man, dass Vorjahressieger Woods nur 38. wurde. Der US-Amerikaner startete zwar mit einer persönlichen Bestmarke in der ersten Runde (vier Schläge unter Par), als er „gut abgeschlagen und gut geputtet" hatte. Doch in der entscheidenden Phase schwächelte Woods. Auf der Schlussrunde brauchte er gar zehn Schläge an Loch zwölf – so viele wie noch nie auf einer Bahn während all seiner Wettbewerbe auf der PGA-Tour. Woods schlug den Ball zunächst zweimal ins Wasser, dann in den Bunker und schließlich zurück ins Wasser. Dass er danach an einem Putt scheiterte, machte das Debakel für den 14-maligen Major-Turnier-Gewinner perfekt.
Auch der hochgehandelte Bryson DeChambeau konnte in den Kampf um den Sieg nicht eingreifen. Der 27 Jahre alte US-Amerikaner, der mit seinem spektakulären Triumph bei den US-Open und seinem Bodybuilder-Training in der Szene für Aufsehen gesorgt hatte, benötigte 286 Schläge und damit sogar einen mehr als Langer. DeChambeau war offenbar gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe.
Topfit war dagegen Dustin Johnson (36), der bei seinem Premierensieg im Augusta National Golf Club in einer anderen Liga spielte. Das Rekordergebnis von 268 Schlägen war dem Weltranglistenersten aber gar nicht so wichtig, der Sieg dagegen schon. Er, der nur etwa 100 Kilometer entfernt von Augusta aufgewachsen war, habe „schon immer davon geträumt, das Masters zu gewinnen". Von diesem Ziel war er wegen Drogenproblemen zwischenzeitlich weit entfernt, doch in diesem Jahr durfte der Schwiegersohn von Eishockey-Legende Wayne Gretzky das berühmte grüne Jackett für den Masters-Champion überstreifen.
Fans waren erstmals ausgeschlossen
„Welche Farbe hat das Jackett, das ich dafür bekomme?", fragte Langer im Scherz die Organisatoren. Für seinen Altersrekord bekam der Deutsche zwar keine spezielle Weste überreicht, dafür aber viele Schulterklopfer – wenn auch nur in verbaler Form. Denn aufgrund der Corona-Pandemie waren Fans erstmals in der langen Turniergeschichte ausgeschlossen, und die Spieler untereinander achteten peinlichst genau auf die Einhaltung der Hygienemaßnahmen. Langer nahm die nicht immer angenehmen Umstände mit der Gelassenheit des Alters hin. Er habe sich schon zuvor in Südflorida, wo er auf einer Golfanlage lebt, in Quarantäne befunden, sagte Langer dem Sport-Informations-Dienst. Weil er auf seiner eigenen Anlage nicht trainieren durfte, fuhr er zur Vorbereitung auf das Masters zwei Stunden nach Naples. Sorgen, sich bei Golfturnieren anzustecken, habe er nicht: „Seit Monaten sind wir zurück auf der Tour. Ich werde zweimal die Woche getestet." Maske tragen, verstärktes Händewaschen, Verzicht auf Umarmen und andere Dinge – „ich habe gelernt, damit umzugehen", so Langer. Nichts auf der Welt konnte ihn von einem Start in Augusta abhalten, auch nicht Corona. „Es ist das Turnier der Turniere", sagt er. Der Platz und das ganze Drumherum – das sei „State of the Art", also auf dem allerneuesten Stand. „Die haben das Beste vom Besten dahingebaut."
Und so spielen dort auch nur die Besten der Besten, und zu denen zählt Langer auch 46 Jahre nach seinem ersten Profisieg in Refrath bei Köln noch immer. Um zu verdeutlichen, welche immense Leistung der 29. Platz beim diesjährigen Masters ist, muss man sich nur vergegenwärtigen, was im Jahr von Langers erster Teilnahme an einem Major-Turnier (1976) noch so geschah: Erich Honecker wurde zum Vorsitzenden des Staatsrates der DDR gewählt, und Formel-1-Pilot Niki Lauda wäre bei einem schrecklichen Unfall am Nürburgring fast verbrannt. Geschichten aus einer anderen Zeit – aber Langer spielt noch in der Gegenwart eine sportliche Rolle. Durch seine zwei Masters-Siege 1985 und 1993 besitzt „der Bernhard", wie er hier von allen genannt wird, bei seinem Lieblingsturnier ein lebenslanges Startrecht. Das will er für sich aber nur dann in Anspruch nehmen, wenn er das Gefühl hat, noch mithalten zu können. Und das ist nach wie vor der Fall, ein letzter Abschlag ist jedenfalls noch nicht in Sicht. „Hoffentlich kann ich noch ein paar Jahre spielen und diesen Ort genießen", sagt Langer. Seit seiner Premiere 1984 war Langer bei jeder Auflage dabei, allein das ist schon außergewöhnlich. Seine zwei Gesamtsiege werden zwar immer wieder erwähnt, doch Langer hat auch schon auf den Plätzen sechs, sieben, acht und neun überzeugt. Achter wurde er 2014 im fortgeschrittenen Alter von 57 Jahren. Die Fans wahren zu Langer eher eine respektvolle Distanz, er polarisiert nicht so sehr wie Woods und spielt auch längst nicht so spektakulär wie Johnson. Aber er liefert ab, er zeigt taktisches Geschick und ein fast unfehlbares Gespür für die richtige Lösung in allen Spielsituationen. Und das nun schon seit vielen, vielen Jahren auf konstant hohem Niveau.
Nichts auf der Welt konnte ihn von einem Start abhalten
Dass die schlagkräftigen „Longhitter" um DeChambeau immer mehr den Ton angeben, hat Langer akzeptiert. „Tatsächlich fühle ich mich älter, wenn ich gegen die Jungs spiele und sehe, wie weit sie schlagen und wie kurz ich schlage", so Langer. Er kann den Prozess nicht stoppen, weder das Sinken seiner eigenen Kraftwerte noch die immer größer werdenden Muskeln der Konkurrenz. Aber ob die in 30, 40 Jahren auch noch so einen austrainierten Körper wie Langer haben, wird sich erst noch zeigen. Langer ist schlank, sein Körper ist für sein Alter fast schon gestählt. Nur an den Fältchen im Gesicht kann man sein tatsächliches Alter ablesen. „Ich trainiere täglich", sagte er achselzuckend über sein Erfolgsrezept. In Wahrheit steckt viel strenge Disziplin dahinter. Langer achtete schon auf die Ernährung, als das Wort „Superfood" noch gar nicht existierte. Er kannte die Kalorienzahlen und Nährwerte von Lebensmitteln auswendig, statt in die Hotel-Bar zog es ihn zwischen den Runden immer ins Gym.
Doch Langers Verständnis für das Golfspiel ist noch beeindruckender. „Er ist ein Kerl, der das Thema Platzstrategie beherrscht wie kein anderer", sagt der zwei Jahre jüngere Profi Olin Browne (USA) über den Deutschen. „Er misst den Platz besser aus als jeder andere." Die Senior-Tour für Spieler über 50 Jahre dominiert Langer seit über einem Jahrzehnt, das soll sich auch in Zukunft nicht ändern. „Ich werde sicher noch einige Jahre spielen", denn: „Ganz ohne Golf wird es hoffentlich nie sein."