Die Werkbank der Welt? Diese Zeiten sind vorbei. Seit dem Amtsantritt von Präsident Xi weitet China seine Machtansprüche im Inneren wie auch in der Weltpolitik aus. Zunehmend stehen sich zwei Systeme gegenüber: auf der einen Seite ein autoritäres, diktatorisches Regime, auf der anderen Seite die liberale westliche Demokratie.
Wie hältst Du es mit China? Diese Frage beschäftigt die westliche Welt, die USA genauso wie die Europäische Union. Seit der Reformpolitik und Öffnung des Landes vor 40 Jahren unter dem damaligen Präsidenten Deng Xiaoping hat China einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Über viele Jahre gab es jährliche Wachstumsraten von zehn Prozent. Die Armut in dem Land mit 1,4 Milliarden Menschen wurde 2020 offiziell als überwunden deklariert. China ist von einem Entwicklungsland zu einer Weltmacht aufgestiegen.
Das ist dann auch das Problem für die internationale Gemeinschaft. Die kommunistische Regierung in Peking begnügt sich nicht mehr mit der Entwicklung im eigenen Land, sondern versucht in allen Teilen der Welt Einfluss zu gewinnen. Nun könnte man sagen, das ist bei einem großen Land immer so. Bei China ist es aber ein ebenso großes Problem. China versucht, sein Entwicklungs- und Politikmodell als Exportartikel zu verkaufen. Ein neuer Konkurrenzkampf zweier Systeme zieht seit Jahren am Horizont empor: hier die liberalen Demokratien mit marktwirtschaftlicher Wirtschaftsverfassung, dort ein autoritär-diktatorisches Regime mit staatlicher Kontrolle über weite Teile der Wirtschaftsaktivitäten.
Lange Zeit war diese unterschiedliche Ausgangslage nicht sonderlich problematisch. Der chinesische Markt boomte und Tausende europäische wie amerikanische Firmen konnten ihre Maschinen, Autos und Werkzeuge dort verkaufen. Vor allem die deutsche Automobil-, Maschinenbau- und Chemieindustrie hat ausgiebig dorthin exportiert. China wurde die Werkbank der Welt und versorgte viele Länder mit günstigen Produkten des täglichen Bedarfs. Eine Win-win-Situation für beide Seiten. Das hat sich in den letzten Jahren gewaltig geändert. Die Massenproduktion in China führt zu enormen Handelsüberschüssen zu Lasten der Amerikaner und Europäer. Hinzu kommt eine tiefe Enttäuschung über ausbleibende Reformen und ein zunehmend repressives und aggressives Gebaren der kommunistischen Führung.
EU besorgt über globalen Machtkampf
Seit Xi Jinping 2012 als Präsident an die Macht kam, stockte der Reformprozess und der Machtanspruch der kommunistischen Partei wurde auf alle Lebensbereiche ausgedehnt. Die Minderheiten werden schikaniert und die Menschen mit digitalen Techniken überwacht. Nach außen zeigt Peking seine Muskeln mit der Okkupation des Südchinesischen Meeres, der Einschränkung von Freiheiten in Honkong entgegen den vertraglichen Abmachungen und offenen Drohungen gegenüber Taiwan. Die USA haben schon unter Barack Obama begonnen, sich in ihrer Außenpolitik auf China zu konzentrieren. Trump hat China offen den Fehdehandschuh hingeworfen, leider mit seiner überfallartigen und undiplomatischen Art, die Porzellan zerschlägt und keine geordneten Gespräche zulässt.
Die Europäische Union hat mit wachsender Besorgnis auf den sich zuspitzenden globalen Machtkampf zwischen den USA und China geschaut. In dem Bemühen um eine ‚strategische Autonomie‘ hat die EU sich für einen eigenen Weg in ihrem Verhältnis zu China entschieden. China sei sowohl Partner wie auch Wettbewerber und auch ein systematischer Rivale heißt es in dem Positionspapier, das alle 27 Mitgliedstaaten abgesegnet haben. Die EU will mit China bei den großen Weltproblemen wie dem Klimawandel, der Konfliktbewältigung wie dem Nuklearprogramm im Iran oder der Bekämpfung der Armut in Afrika zusammenarbeiten. Gleichzeitig verschärft die EU ihre Maßnahmen gegen unfaire Handels- und Investitionsbedingungen. China ist das Land mit den meisten Anti-Dumping-Zöllen aus Brüssel. Bei Investitionen und Firmenübernahmen durch chinesische Akteure gibt es mittlerweile eine Vorabkontrolle mit der Möglichkeit eines Vetos. Immer mehr Länder in Europa verweigern auch die Einführung chinesischer Technologien, wie dem 5G-Netz von Huawei.
Partner, Wettbewerber, System-Rivale
Nach sieben Jahren Verhandlungen hat die EU kurz vor Jahresende ein Investitionsschutzabkommen mit China abgeschlossen. Danach öffnet China neue Wirtschaftssektoren für europäische Firmen, verzichtet auf diskriminierende Praktiken wie den Zwangstransfer von Technologie und akzeptiert eine Nachhaltigkeitsklausel für ökologische und soziale Standards.
Ein Systemrivale bleibt China bei der Wahrung der Menschenrechte sowie den politischen Freiheiten. Demokratie und Diktatur stehen sich gegenüber. Es ist eine wahre Befreiung, dass Donald Trump der Vergangenheit angehört und mit den Demokraten unter Joe Biden ein neues Kapitel der transatlantischen Partnerschaft aufgeschlagen werden kann. Hierzu gehört ganz oben auf der Tagesordnung auch der Umgang mit China. Der von Biden angekündigte „Gipfel der Demokratien" könnte weltweit die Kräfte bündeln, damit Freiheit und Demokratie auf dem Vormarsch sind und nicht Diktatur und Repression. Die nächsten Jahre werden spannend und auch entscheidend für den Lauf der Weltgeschichte. Europa sollte kein Spielball, sondern selbst ein wichtiger Spieler auf dem globalen Spielfeld sein. Nur so lassen sich die Werte und die Interessen dieses Kontinents verteidigen.