Kurz nach der Wende wurden die Brandenburgischen Sommerkonzerte ins Leben gerufen. Sie „bespielen" Dorfkirchen, Herrenhäuser aber auch Industriedenkmäler. In der Corona-Krise muss der Veranstaltungsklassiker nun in mehreren Ausführungen geplant werden.
Zunächst waren es die Berliner, die Anfang der 1990er-Jahre mit Klassik-Konzerten „ins märkische Umland gelockt" werden sollten. Was so gut ankam, dass das Programm im Laufe der Jahre immer umfangreicher, die Liste der Veranstaltungsorte immer länger wurde.

Dennoch gerieten die Brandenburgischen Sommerkonzerte schon vor Corona in eine Krise. Anfang 2019 war der langjährige Geschäftsführer Arno Reckers ausgeschieden. Seine Nachfolgerin Constanze Büchner plante die Saison 2020 zum 30-jährigen Bestehen, wegen der Pandemie fiel aber das gesamte Festival ins Wasser. Daraufhin nahm die Kulturmanagerin Ende letzten Jahres ihren Hut.
In seiner Not wandte sich der Trompeter Joachim Pliquett, künstlerischer Leiter der Sommerkonzerte, an Wolfram Korr, der spontan als neuer Geschäftsführer einstieg. Denn der umtriebige Musiker und Kulturmanager Korr fühlt sich dem Festival eng verbunden. Als Profi-Geiger ist er bei der Veranstaltungsreihe mehrmals selbst aufgetreten. Zugleich ist er bestens vernetzt in der Berliner Kulturszene und mit anderen Brandenburger Festivals.

Zuvor hatte Wolfram Korr jahrelang Unterhaltungsprogramme für Kreuzfahrten entwickelt. In einer Halle in Berlin-Treptow studierte er mit Tänzern, Sängern, Akrobaten all jene Shows ein, die dann auf den Schiffen der Tui- Flotte aufgeführt wurden. Doch seit fast einem Jahr sind kaum noch Schiffe unterwegs. Die freiberuflichen Künstler wurden arbeitslos. Auch Wolfram Korr war in Kurzarbeit, hatte auch keine Auftritte mehr als Geiger.
Wie gerufen kam da die Anfrage der Brandenburgischen Sommerkonzerte. „Hier kann ich meine Marketing-Fähigkeiten einbringen, die ich mir in der Kreuzfahrtbranche angeeignet habe – in Verbindung mit meiner Vergangenheit als Musiker", freut sich Wolfram Korr. „Für mich ist diese Rückkehr in die Hochkultur sehr spannend."

Wolfram Korr stammt aus Würzburg. Mit 18 Jahren kam er nach Berlin, absolvierte ein Geigenstudium und war von 2002 bis 2008 als Konzertmeister am Philharmonischen Orchester Cottbus engagiert. Dort am Theater hat er auch seine Frau kennengelernt. Die beiden ließen sich auf halbem Wege zwischen Berlin und Cottbus nieder: in Lübben im Spreewald, wo die Sommerkonzerte auch regelmäßig Station machen.
„Die Verbindung von erstklassigen Künstlern und dem reichen Kulturerbe Brandenburgs, den schönen märkischen Schlössern und Kirchen, ist magisch", schwärmt Korr über die Sommerkonzerte. „Und das seit über 30 Jahren! Da gibt es viel Potenzial, mit dem man arbeiten kann."
30 Konzerte plant Wolfram Korr für diesen Sommer, wobei es sich überwiegend um nachgeholte Veranstaltungen handelt, die 2020 ausfielen. Fünf Konzerte konnte er neu programmieren. So hat er die Breakdance-Weltmeister Flying Steps mit ihrem international gefeierten Tanzstück „Flying Bach" eingeladen. Die Veranstaltung findet in den riesigen alten Backsteinhallen des Bahnaushilfswerks Eberswalde statt. Preisgekrönte Nachwuchsmusiker wiederum sind in Berlin-Spandau zu Gast, wo die traditionsreiche Klaviermanufaktur Carl Bechstein in diesem Jahr neue Vortrags- und Museumssäle im einstigen Zentrallager von Kaiser’s Kaffee eröffnet.
„Auch jüngere Gäste anlocken"
Wolfram Korr sprüht vor neuen Ideen für das Festival. Er will die Aktivitäten vor Ort ausbauen, regionale Künstler vorstellen und die Musikschulen einbinden. Außerdem plant er, das musikalische Spektrum des Festivals zu erweitern; weg von der „reinen Klassik" in Richtung Crossover. Angesetzt sind zum Beispiel ein Tango-Konzert zu Ehren von Astor Piazzollas 100. Geburtstag oder das Festival-Finale mit dem Blechbläser-Ensemble German Brass.

„Wir wollen die treuen Stammgäste ansprechen, mittelfristig aber auch neue und jüngere Gäste anlocken", sagt Wolfram Korr. Auch das Thema Nachhaltigkeit liegt ihm am Herzen; eine faire Honorierung der Künstler ebenso wie die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks.
Für die anstehende Saison gilt: „Wir werden die Brandenburgischen Sommerkonzerte erst mal sicher durch die schwierige Zeit bringen und auch mit Einschränkungen unseren Gästen ein tolles und vor allem sicheres Erlebnis bescheren", so Korr, der zusammen mit dem vierköpfigen Festival-Vorstand ein umfangreiches Hygienekonzept ausgearbeitet hat. „Die Kapazitäten unserer Spielstätten wurden so angepasst, dass wir alle Gäste mit Abstand platzieren können. Vor Ort lassen sich weitere Vorgaben umsetzen, zum Beispiel getrennte Ein- und Ausgänge."
Korr plant für jede Veranstaltung drei Szenarios. Im Idealfall werden insgesamt 20.000 Tickets für sämtliche Konzerte verkauft. Bei der zweiten Variante, die Korr „Corona Soft" nennt, setzt man auf doppelte Aufführungen, möglichst unter freiem Himmel. In diesem Fall ließen sich 10.000 Tickets an den Mann bringen. Das schlimmste Szenario wäre „Corona hard" mit strengsten Hygiene-maßnahmen, verkleinerten Ensembles und nur 6.000 Tickets.

Entsprechend hat Wolfram Korr drei Finanzpläne erstellt. Auf schwarze Zahlen kommen die Sommerkonzerte, die als Sponsorenfestival keine öffentlichen Subventionen erhalten, nur bei voller Auslastung. Die beiden Corona-Modelle hätten hohe Defizite zur Folge. Rettung böte dann nur die von Finanzminister Scholz angekündigte Kostenübernahme für Festivals. Auf keinen Fall aber will Wolfram Korr bei der Vermittlungsarbeit des Festivals kürzen. „Weil Klassik heute nicht mehr selbsterklärend ist; weder bei Kindern noch bei Erwachsenen", begründet er.
Für sechs ausgewählte Konzerte ist der Vorverkauf bereits angelaufen. Zum Beispiel für das Eröffnungskonzert, das am 5. Juni in der Potsdamer Nikolaikirche über die Bühne gehen soll. Hier spielt das Philharmonische Orchester des Staatstheaters Cottbus Anton Bruckners wuchtige „8. Sinfonie". Im uckermärkischen, malerisch zwischen Seen gelegenen Lychen gibt der preisgekrönte Geiger Tobias Feldmann am 10. Juli ein Recital. Am 18. Juli tritt der Schauspieler Sky du Mont im Kloster Zinna auf, begleitet vom Leipziger Vokalsextett Sjaella.
Der Vorverkauf für das komplette Programm beginnt am 1. März. Je nach Corona-Lage werden Kontingente nach und nach freigegeben. „Natürlich weiß niemand, wie die Lage im Sommer 2021 aussieht", resümiert Wolfram Korr. „Wir wollen aber bereit sein, sobald ein sicheres Konzerterlebnis möglich ist. Das sind wir sowohl den Künstlern als auch unseren Gästen schuldig."