Einem guten Podologen reicht theoretisches Fachwissen nicht aus, er braucht Beobachtungsgabe und Erfahrung. Um das zu erreichen, verzahnt die Europäische Fachschule für Podologie (EFP) Theorie mit Praxis und bietet mit einer angeschlossenen Praxis eine Ausbildung aus einem Guss an. Ab 1. April startet die Ausbildung übrigens auch in Teilzeit.
Frau Gelver, vor der Ausbildung zur examinierten Podologin waren Sie als kosmetische Fußpflegerin tätig. Was unterscheidet diese Fachbereiche?

Gelver: Medizinische Fußpflege umfasst präventive, therapeutische und rehabilitative Maßnahmen. Dabei behandeln wir neben gesunden auch von Schädigung bedrohte oder bereits geschädigte Füße. Auch Risikopatienten wie Bluter, Diabetiker und Rheumatiker können entsprechend ärztlicher Verordnung von Podologen fachgerecht behandelt werden. Das alles ist bei der kosmetischen Fußpflege nicht möglich. In diesem Bereich werden ausschließlich gesunde Füße behandelt und zwar nur pflegerisch und dekorativ.
Deshalb sind die Inhalte und auch die Dauer der Ausbildung so unterschiedlich. Während die kosmetische Fußpflege teilweise in wenigen Tagen erlernt und frei ausgeübt werden kann, dauert eine Ausbildung zum Podologen in Vollzeit zwei Jahre und wird mit einem Examen abgeschlossen. Wer die Abschlussprüfung nicht besteht, darf den Beruf nicht ausüben.
Groß-Wagner: Podologie gilt als medizinischer Heilberuf mit fachlich hochqualifizierten Tätigkeiten, die auch sehr stark handwerklich belastet sind. Das heißt, als Podologe muss ich nicht nur die kognitiven Fähigkeiten mitbringen, eine große komplexe, sehr medizinhaltige Ausbildung in 2.000 Theorie-Stunden zu stemmen. Ich muss auch diese fachlichen feinmechanischen Fähigkeiten mitbringen, um dieser diffizilen Arbeit – die grade an den Füßen, speziell an Zehennägeln, geleistet wird – ausüben zu können. Daher ist es besonders wichtig, dass man ein gewisses Handling mitbringt und fähig ist, feinmechanisch zu arbeiten. Zudem brauche ich ein sehr fundiertes technisches Verständnis, weil die Arbeitsgeräte in der Regel sehr medizintechnisch ausgerichtet sind, ähnlich wie in der Zahnarztpraxis, mit kleinen Instrumenten, die man eher aus dem Wundbereich kennt.

Die Sprache der Medizin ist nun mal Latein. Um sich auch in einem interdisziplinären Team auszutauschen, beispielsweise mit Ärzten, Physiotherapeuten und Diätassistenten in der diabetischen Praxis, braucht man Fachsprache, und diese fließt auch in den Unterricht mit ein.
Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Wahrnehmung und die Beobachtung. Also erstmal den Menschen als Ganzes wahrzunehmen, wenn er in eine podologische Praxis kommt. Das heißt, auch hier ist der Fokus der Auszubildenden ganz stark auf Wahrnehmung ausgerichtet: Mit welchem Menschen habe ich es hier zu tun? Bringt er Vorerkrankungen mit? Ab wann muss er den Patienten an eine ärztliche Praxis empfehlen? Dafür hat ein guter Schüler die entsprechenden theoretischen Grundkenntnisse. Wir haben das große Glück, dass die EFP an eine kooperierende Podologie Praxis unter einem Dach angeschlossen ist. Diese Möglichkeit, die Theorie mit der Praxis ineinander zu verzahnen, macht uns auch so einmalig.
Ab welchem Zeitpunkt werden die Schüler in die podologische Praxis einbezogen?
Gelver: Wir gehen individuell auf jeden Schüler ein und versuchen, sie so schnell wie möglich in den praktischen Teil zu begleiten. Davon profitieren übrigens nicht nur die Schüler, sondern auch die Kunden, die zu uns kommen.
Würden Sie das näher erläutern?
Gelver: Wenn die Kunden zu uns kommen und eine Komplexbehandlung am Fuß machen wollen, haben sie mehrere Optionen. Die eine Möglichkeit ist es, die Behandlung von einem examinierten Podologen durchführen zu lassen, dann kostet sie 39,50 Euro, wenn der Kunde Selbstzahler ist. Die andere Möglichkeit ist es, die Behandlung von einem Schüler durchführen zu lassen, dann kostet das nur 29,50 Euro.

Dazu muss man aber auch sagen, dass jeder Schüler, der eine Behandlung durchführt, während seiner Arbeit von einem examinierten Podologen begleitet wird.
Dabei ist die Dauer der Behandlung gesetzlich auf 45 Minuten vorgeschrieben, wir dagegen gehen oft auf eine Stunde, um alles abzudecken. Sollte jemand einen sehr problematischen Fuß haben – solche Fälle haben wir auch – dann schauen wir auch nicht auf die Uhr. Dann kann eine Behandlung auch eineinhalb Stunden dauern, für das gleiche Geld. Wir fertigen die Leute nicht ab. Das Ergebnis ist uns sehr wichtig, denn nur so können wir für die Praxis und die Schule einen guten Ruf erwerben.
Wie lange dauert die Ausbildung?
Groß-Wagner: Der Rahmenlehrplan des Bundes gibt genaue Richtlinien an Inhalten vor. Wir befinden uns hier in einem theoretischen Unterrichtsumfang von 2.000 Stunden und einer praktischen Ausbildungszeit von 1.000 Stunden. Das ist ein Gesamtumfang von 3.000 Stunden, verteilt auf zwei Jahre, wenn man die Ausbildung in der regulären Zeit abschließt. Ab dem 1. April bieten wir die Ausbildung zum Podologen in Teilzeit an. Dafür sind dann drei Jahre vorgesehen.
Und was kostet die Teilnahme an der EFP?

Linsler: Die podologische Ausbildung erhält keine Förderung über Landesmittel. Das Schulgeld, das daher zur Finanzierung der Schule angesetzt werden muss, haben wir aber niedriger angesetzt, als es üblich ist. Es sind derzeit 200 Euro im Monat.
Das ist aber nicht wirtschaftlich gedacht…
Linsler: Das liegt daran, dass wir die Podologie Schule als Teil der Victor’s Group sehen. Das heißt, wir sehen nicht nur die Schule als solche, sondern wir wollen Podologen ausbilden, zum einen als Mehrwert für unsere Vielzahl von Einrichtungen, um unsere Bewohner optimal zu versorgen und zum anderen, um allgemein den Markt zu bereichern. Dann haben alle was davon, auch jede podologische Praxis.
Wenn wir viele Schüler in die Ausbildung bringen – perspektivisch zwischen 40 und 50 Schüler pro Jahr, die diese auch abschließen – dann stehen sie auch dem Markt zur Verfügung. Damit hat nicht nur die Podologie im Allgemeinen einen Mehrwert, sondern auch die Victor’s Group. Insbesondere, weil wir damit werben können, dass unsere Bewohner, die in unseren Einrichtungen wohnen, in Zukunft eine gute podologische Versorgung erhalten werden.
Wir haben die Schule am 1. April 2020 mit zwölf Schülern übernommen. Fünf Azubis stehen gerade kurz vor ihren Prüfungen, die sie hoffentlich erfolgreich absolvieren werden. Von diesen künftigen Podologen haben sich zwei für einen Job bei der Victor’s Group entschieden. Darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut. Die restlichen Absolventen wollen sich noch umschauen.

Sind Podologen so gefragt?
Linsler: Absolut. Als Podologe werden Sie immer ein Job haben, wenn sie fertig sind. Ähnlich wie in der Pflege.
Dabei bleibt die Teilzeitausbildung nicht die einzige Veränderung der EFP. Auch der Standort der Schule hat sich geändert. Nun befindet sich die Fachschule auf dem Areal des Medicus Gesundheitszentrums in Quierschied. Warum war der Umzug wichtig?
Linsler: Weil die Schule in das Angebot des Gesundheitszentrums passt. Wir haben hier die internationale Pflegeschule EFSA mit einem angeschlossenen Internat, die wir 2016 gegründet haben. Der nächste Baustein ist jetzt die Podologie-Schule, die wir übernommen haben und ausbauen wollen, um ein zusätzliches Angebot an die Bürgerinnen und Bürger durch unsere podologische Praxis zu schaffen, in der gleichzeitig unsere Schüler ausgebildet werden. Und das Ganze wird letztlich durch den Neubau, den wir jetzt angehen, noch abgerundet, indem wir hier ein Seniorenheim mit Service-Wohnen anbieten. Das heißt, hier auf dem Areal haben wir ein umfassendes Angebot – insbesondere für Senioren und deren gesundheitliche und pflegerische Versorgung.

Standort aufwerten, neue Ausbildungsplätze und neue Jobs schaffen sind eigentlich Themen, mit denen sich die Politik beschäftigt. Wurde die Entwicklung des Gesundheitszentrums unterstützt?
Linsler: Als die Saarland Heilstätten GmbH dieses Areal verlassen hat, war es ein Anliegen von allen Seiten der Politik – von kommunaler Ebene bis Landesebene – dass dem Areal wieder eine Nutzung zugeführt wird. Das hat sich letztendlich auch darin gezeigt, dass insbesondere die Gemeinde Quierschied einen erheblichen Anteil daran hat, dass hier alles wieder weiterläuft, indem ein Bebauungsplan für dieses Areal durch den Gemeinderat neu erstellt wurde und zwar einstimmig, der auch beinhaltet, dass Bauflächen auf dem Areal sind, um die Möglichkeit, die dieses Areal bietet, einfach auszuschöpfen. Regionalverbandsdirektor Peter Gillo (SPD) war zum Beispiel schon mehrmals zu Gast. Er hat sich sehr darüber gefreut, dass das Areal wiederbelebt wird. In seiner Funktion als Regionalverbandsdirektor ist er gleichzeitig auch Aufsichtsratsvorsitzender der SHG-Kliniken und hat die ganze Entwicklung immer sehr wohlwollend begleitet. Genauso wie auch die Bürgermeisterin a.D. Karin Lawall (SPD), die vorher hier im Amt gewesen ist und jetzt Lutz Maurer (parteilos), der seit einigen Jahren der neue Bürgermeister ist.