Lässig, bequem und für nahezu jedes Wetter geeignet, belegen die begehrten Wellies, zu Deutsch Gummistiefel, auch in der kommenden Saison die Poleposition. Dabei überzeugen die Labels mit einer Vielzahl an Kombinationen.
Gummistiefel werden nur an Regentagen getragen? Von wegen! Für viele Designer gehören die gemütlichen Wellies schon längst zum Fashion-Standard. Das italienische Label Roi Du Lac steht dabei neben Céline an der Spitze und präsentiert zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten der trendigen Schuhmodelle. Mal zu zarten Blümchenkleidern, dann wiederum zu Leggings und sogar zum Military-Look getragen, setzt Roi Du Lac hauptsächlich auf robuste Stiefelchen mit einem weiten Schaft. Bei Céline wirkt der Trend mehr sportlich und sexy. Kniehohe khakifarbene Wellies werden hier zu Denim-Shorts kombiniert. Philosophy di Lorenzo Serafini hat sich hingegen für klassisches Schwarz bei seinen Rubber-Tretern entschieden, die zusätzlich durch weiße Farbspritzer aufgehübscht werden. Bei Alyx gibt es Wellies in Snakeskin-Optik zu bewundern. Auch Sandy Liang mischt mit schwarz glänzenden Stiefel bei dem Trend mit, sowie auch die Brand Koche. Hierbei werden schwarze Gummistiefel zu einer Leggings und einem Bandeau-Top getragen.
Jede Menge elegante Varianten
Dabei ist die Liebe zu den Wellies alles andere als neu. Auf dem Land, speziell in Großbritannien, sind Gummistiefel seit jeher praktische Fußbekleidung. Selbst die englischen Superreichen oder Prominente mit Lady Diana an der Spitze, die sich 1981 in Hunter-Gummistiefeln ablichten ließ, pflegten auf ihren Landsitzen die robusten und wasserabweisenden Treter zu tragen, die ihren Ursprung aus dem militärischen Umfeld genommen hatten. Dass die Gummistiefel über ihren traditionellen Verwendungszweck als nützlicher Bestandteil von Funktions- oder Arbeitsbekleidung hinaus mal ein modisches It-Accessoire werden könnten, war allerdings kein bisschen vorhersehbar. Nur Burberry war es schon in den 90er-Jahren gelungen, seinen Wellington Boots einen gewissen modischen Kultstatus zu verschaffen. Im Laufe der letzten Dekade hatten diverse Luxuslabels immer wieder Versuche unternommen, sich ein Stück vom Kuchen des lukrativen Gummistiefel-Markts abzuschneiden, auf dem im hochqualitativen Segment neben Hunter die beiden französischen Unternehmen Aigle und Le Chameau tonangebend sind. Im Jahr 2011 machte beispielsweise Louis Vuitton einen Testlauf mit Gummistiefeln samt Plateauabsätzen. In der Wintersaison 2013/2014 gelang den Gummistiefeln erstmals der Sprung auf das Catwalk-Trend-Treppchen, wofür sie ihren bieder-funktionalen Touch weitgehend abgestreift hatten. Dabei gab es im Wesentlichen zwei Modelltypen: zum einen Gummistiefel im Stil klassischer Reiterstiefel, zum anderen Rain Boots im Look von knapp über den Knöcheln reichenden Chelsea-Stiefeletten. Bei den Stiefeln gab es jede Menge elegante Varianten, die was Optik und Preis angingen keine Konkurrenz zu Leder-Boots zu scheuen brauchten, beispielsweise von Burberry – in Lack-Optik mit schmaler Goldkette – Mulberry, Louis Vuitton – mit gesteppter Lack-Oberfläche – Armani, Bottega Veneta – mit markentypischem Steppmuster – oder Givenchy. Brands wie Moschino, Vivienne Westwood oder Marc Jacobs griffen bei ihren Gummistiefeln tief in den Farbtopf: Von leuchtendem Orange bis Gold war in der Farbpalette fast alles vertreten.
Auch bei Musikfestivals spielten Wellies eine wichtige Rolle. So meinte es Petrus Ende 2005 besonders schlecht mit den damals rund 150.000 Besuchern des Glastonbury Music Festivals. Das Farmgelände im englischen Südwesten versank regelrecht in den Fluten. Was aber Supermodel Kate Moss, damals in ihrer „Heroin-Chic"-Phase wandelnd, nicht davon abhalten konnte, sich in den Reigen der Musikfans des Glastonbury-Festivals einzureihen. Allerdings hatte sie sich bei der Klamottenauswahl neben Mikro-Shorts schlauerweise für ein Schuhmodell entschieden, das gleichermaßen besten Schutz für ihre Füße und ein sicheres Waten durch den Schlamm gewährleisten konnte. Wenn es damals schon Instagram gegeben hätte, wäre die Community fraglos in Sekundenschnelle ausgerastet. Aber auch so gingen Fotos von Kate Moss in Gummistiefeln von Hunter, dem britischen Traditionsunternehmen und offiziellen Hoflieferanten des englischen Königshauses, in Windeseile um die Welt. Kate Moss wurde dadurch im Handumdrehen zur gefeierten und wenig später durch Fashion-Ikonen wie Alexa Chung oder Sienna Miller nachgeahmten Botschafterin der Gummistiefel.
Erst im Winter 2020/2021 haben sich die Gummistiefel wieder eine vergleichbar herausragende Position im Segment der Schuhmode erobern können. Damit mauserten sie sich zu einer veritablen Alternative zu den klobig-martialischen Combat Boots, die die vorherige Saison dominiert hatten. Nach wie vor wird die Style-Palette von Reiterstiefel- oder Chelsea-Modellen beherrscht, wobei es die Designer mit der Beinlänge ziemlich locker nehmen: Der obere Rand kann irgendwo zwischen Knöchel und Knie enden. Profilsohle und Fleece-Futter sind dabei fast immer Standard, bei den Farben reicht die Wahl von Schwarz oder Khaki bis hin zu Bonbontönen oder wenig schmutztauglichem Weiß. Damit wurden Gummistiefel zum Multitalent, weil sie inzwischen nicht nur als Regenschutz, sondern auch als modische Fußbekleidung beim Shoppen in der City getragen werden können. Die „Vogue" oder auch der britische „Guardian" machen den Hype rund um den Cottagecore-Trend für die aktuelle Beliebtheit der Gummistiefel hauptverantwortlich. Das lässt sich auch an den rasant gestiegenen Verkaufszahlen bei der britischen Kaufhauskette Selfridges oder dem Luxus-Online-Versandhaus Net-à-Porter ablesen. Und sogar dem Traditionshaus Hunter hat diese Absatzsprünge jenseits der 100- Prozent-Grenze ermöglicht.
Fotos von Kate Moss in Wellies gehen um die Welt
Das gelegentlich für den Trend ins Feld geführte Argument einer willkommenen Schutzfunktion der Gummistiefel in Corona-Zeiten kann nur bedingt akzeptiert werden, weil die Designer bei der Vorstellung ihrer Winter-Kollektionen Anfang 2020 von der Pandemie noch keine Ahnung hatten. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich ein solch protektives Denken in den Köpfen der Käuferinnen zwischenzeitlich entwickelt hat. Ob diese im Homeoffice allerdings tatsächlich in Gummistiefeln vor dem heimischen PC Platz nehmen, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Beim Spazierengehen oder Gassigehen sind die Treter aber fraglos die ideale Fußbekleidung. Zumal es derzeit eine ganze Reihe von Akteuren gibt, beispielsweise Schauspielerin Lily Collins in ihrer Rolle als gelbe Gummistiefel tragende Emily Cooper in der Netflix-Serie „Emily in Paris" oder auch die männliche Mode-Ikone Timothée Chalamet auf dem Cover der November 2020-Ausgabe des Magazins „GQ".
Im Frühjahr stehen mit Prada, Bottega Veneta, Balenciaga und Dior gleich vier modische Schwergewichte an der Spitze der Gummistiefel-Front. Wobei Prada auf Bonbonfarben setzt und Bottega Venetas klobige Chelsea-Stiefeletten-Variante „Puddle Boots" sich vom Start weg trotz eines Verkaufspreises von 490 Euro hoher Nachfrage erfreute. Das in Kopenhagen ansässige Label Ganni konnte schon kurz nach der Lancierung seines „Country Stovler" getauften Models, wahlweise in Schwarz oder leuchtendem Gelb, den Ausverkauf dieser Modelle vermelden. Versace verpasste seinem klobige Profilsohlen aufweisenden schneeweißen Treter zusätzlich einen Absatz. Schöne Chelsea-Gummi-Stiefeletten haben auch Jil Sander oder Loewe in ihrem aktuellen Sortiment. Ob man nun wirklich viel Geld für Designer-Teile ausgeben möchte, obwohl es klassische Gummistiefel beispielsweise von Dunlop schon für knapp 20 Euro gibt und auch die Billigschuhketten wie Rieker mit günstigen Modellen aufwarten können, sei mal dahingestellt.