Klassische Lautsprecherboxen könnten künftig der Vergangenheit angehören. Deutschen Wissenschaftlern ist es gelungen, ein günstig herstellbares Lautsprecher-Papier samt integrierter Elektronik zu entwickeln – wie Zeitungen im Rollendruck-Verfahren.
Gedruckte Elektronik gilt weltweit als eine der interessantesten Zukunfts-Technologien. Vor allem auch für das sogenannte Internet der Dinge, das nur funktionieren kann, wenn die Elektronik sowohl in den Alltagsgegenständen als auch in unsere normale Lebens- und Arbeitsumwelt umfassend integriert werden kann. Immer mehr Gegenstände werden daher mit einer breiten Palette an Sensoren, Smart Labels, sogenannten Loggern oder Tags ausgestattet, die allesamt durch Nutzung von gedruckter Elektronik kostengünstig angefertigt werden können. Obwohl gedruckte Elektronik nahezu unbegrenzte Möglichkeiten bieten könnte, klafft häufig noch immer eine große Lücke zwischen der Vielzahl potenzieller Anwendungsbereiche und Ideen zur praktischen Umsetzung.
In Sachen Lautsprecher hat gedruckte Elektronik allerdings schon seit 2012 große Fortschritte erzielen und inzwischen sogar dank der kostengünstigen Massenproduktion mithilfe großtechnischen Rollendrucks einen weiteren Durchbruch verzeichnen können. Möglich gemacht haben dies Wissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz, die für ihre Forschungen finanzielle Unterstützung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung erhalten haben.
Sogenanntes T-Book war echter Meilenstein
Im Jahr 2012 hatte das Chemnitzer Team aus dem Fachbereich Print- und Medientechnik um Professor Arved Hübner erstmals durch die Präsentation eines auf Papier gedruckten Lautsprechers auf der Drupa, der Düsseldorfer Weltleitmesse für die Druckindustrie, für Aufsehen gesorgt. Hergestellt wurde der Lautsprecher damals mittels eines speziellen Druckverfahrens auf normalem Papier, das mit zwei Schichten eines leitfähigen organischen Polymers als Elektroden präpariert worden war. Dazwischen wurde eine sogenannte piezoaktive Schicht eingefügt, die für die Papier-Schwingungen sorgt. Da der Lautsprecher, dessen Sound auf einer Luftverdrängung beruhte, zusätzlich mit farbigen Botschaften bedruckt werden konnte, sahen die Wissenschaftler damals neben dem noch nicht gänzlich zufriedenstellenden Surround-Klang auch großes Potenzial für die Werbeindustrie. „Das Frequenzverhalten und damit die Klangqualität sind gut. Lediglich die Bässe des Papierlautsprechers sind etwas schwach", betonten die Forscher damals. Dennoch prognostizierten sie der Druckbranche ganz neue Perspektiven: „Elektronik wird zunehmend gedruckt werden", ist sich Prof. Arved Hübner sicher. „Und Printmedien werden so elektronisch sein."
Gleichsam als visueller Beleg dieser Vorhersage stellten die Forscher 2015 im Rahmen des World-Press-Photo-Wettbewerbs in Amsterdam ein Fotobuch mit Tonunterlegung vor. Bei dem sogenannten T-Book handelte es sich um einen großformatigen, mit gedruckter Elektronik ausgestatteten Bildband. Beim Umblättern einer Seite begann diese jeweils dank eines unsichtbar im Blattinnern integrierten Lautsprechers zu tönen. Diese Technik könne dem Betrachter oder Leser völlig neue Möglichkeiten eröffnen, erklärten die Forscher vor sechs Jahren. Beispielsweise könne ein Buch mit Erinnerungsfotos durch romantische Musik unterlegt werden oder Romane könnten mit zusätzlichen Erzählebenen ausgestattet werden. „Das T-Book war und ist ein Meilenstein in der Entwicklung gedruckter Elektronik", betonte Prof. Arved Hübner 2015, „doch die Entwicklung geht kontinuierlich weiter."
Vor allem mussten die Forscher in den folgenden Jahren das Problem lösen, dass das Lautsprecher-Papier nur in einer halbautomatischen Einzelbogenfertigung hergestellt werden konnte. Ohne die Möglichkeit zur Massenproduktion sahen die Forscher selbst kaum Chancen für eine Marktfähigkeit ihres Produkts. Die Effizienz des relativ langsamen Herstellungsverfahrens wurde als viel zu gering eingestuft. Schon 2017 hatte man sich daher das Ziel gesetzt, die Einzelbogenherstellung in die Rollenfertigung zu überführen und dabei auch noch Leistungsfähigkeit sowie Anmutung des als rollengedrucktes Lautsprecherpapier, kurz T-Paper, genannten Produkts zu verbessern.
Im Januar dieses Jahres war es dann so weit: In der renommierten Fachzeitschrift „Advanced Materials" stellte das Team des Instituts für Print- und Medientechnik der TU Chemnitz unter Projektleiter Dr. Georg C. Schmidt seinen ersten Papierlautsprecher aus der Druckmaschine vor. „Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Printmedientechnik, Chemie, Physik, Akustik, Elektrotechnik und Wirtschaft, die aus sechs Nationen stammen, entwickelten eine kontinuierliche, hochproduktive und sichere Rollenproduktion von Lautsprecherbahnen", erklärt Dr. Georg C. Schmidt. Man habe dafür nicht nur das Rolle-zu-Rolle-Druckverfahren genutzt, sondern zur Verfeinerung auch spezielle Inline-Technologien entwickelt, wodurch beispielsweise funktionale Schichten laminiert werden konnten. „So kann Elektronik in das Papier eingebettet werden – unsichtbar und geschützt", erläutert Co-Autor Prof. Arved Hübler.
Perfekt für Museen, Messen oder Werbung
Am Grundprinzip der Beschichtung einfachen Papiers mit als Elektroden dienenden organischen Polymerschichten und der dazwischen eingefügten, allerdings durch Inline-Polarisation verbesserten piezoelektrischen Schicht zur Schwingungsbildung wurde nichts verändert. Auch beim rollengedruckten Lautsprecherpapier wird der Sound durch die Luftverdrängung erzeugt.
Nach Angaben der Forscher können nun in Massenproduktion meterlange Lautsprecher-Installationen in Bahnform oder als Kreis gefertigt werden. Als Prototypen haben die Wissenschaftler einen an einen riesigen Lampenschirm erinnernden sogenannten T-Ring vorgestellt. „Bei unserem T-Ring-Prototyp wurden eine knapp vier Meter lange Bahn mit 56 Einzellautsprechern zu sieben Segmenten verbunden", erklärt Dr. Georg C. Schmidt. „Das Ganze wurde zum Kreis geformt, was eine 360-Grad-Surround-Sound-Installation möglich macht."
Diese Lautsprecherbahn inklusive gedruckter Verschalung wiegt gerade mal 150 Gramm und besteht zu 90 Prozent aus konventionellem Papier, das zudem farbig bedruckt werden kann. „So sind nun günstige Infotainment-Lösungen etwa in Museen, auf Messen und in der Werbebrache möglich", betont Schmidt. „In öffentlichen Gebäuden ist beispielsweise eine sehr homogene Beschallung langer Strecken wie Korridore möglich. Aber auch die Prozesstechnik selbst könnte für andere Bereiche interessant werden, zum Beispiel zur Fertigung von Inline-Messesystemen für die Industrie 4.0."