Kaum ist in Geschäften das Weihnachtsgebäck aus den Regalen verschwunden, da grinsen sie einem schon zigfach entgegen: Hasen aus Schokolade, auf Tassen, als Keramikfigürchen. Sie gelten als Frühlingsboten und Symbolfiguren für das Osterfest.
Sein Fell ist flauschig, er hat große Augen und lange Ohren, die Löffel. Und er zeichnet sich durch eine unverwechselbare Art der Fortbewegung aus: er hoppelt nämlich – wenn er nicht gerade in großen Sätzen förmlich über den Acker fliegend um sein Leben rennt. Zwar ist er für den legendären Boxkampf mit Artgenossen zur Paarungszeit bestens ausgestattet, doch hat er anderen Angreifern wenig entgegenzusetzen. Er ist ein eher friedfertiger, stiller Zeitgenosse und baut auf andere Strategien. Seine Fellfarbe ist optimal an seine Umgebung angepasst. Tagsüber liegt er meist reglos, aber dennoch wachsam, in einer Bodenvertiefung. Kommt ihm ein Gefährder doch zu nah, nutzt er das Überraschungsmoment und schießt erst im allerletzten Augenblick von seinem Lagerplatz hoch. Mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde stiebt er davon – da kann keiner seiner Jäger mithalten, nicht einmal der Wolf. Der kommt zudem mit den häufigen Richtungswechseln, dem Hakenschlagen, nicht klar. Außerdem kompensiert der Hase seine Rolle als Gejagter mit „Masse", er sorgt für zahlreiche Nachkommenschaft.
Auch ein Symbol der Fruchtbarkeit und Fleischeslust
In der Antike sagte man Hasenfleisch nach, es mache schön. Den Ärmeren galt er lange als Opfertier und in der Volksmedizin behandelte man diverse Krankheiten mit seinen Körperteilen – auch die Unfruchtbarkeit. Im Alten Testament allerdings ist nachzulesen, dass Moses auf Geheiß Gottes seiner Gefolgschaft mitteilte, der Hase sei unrein, sein Fleisch dürfe nicht gegessen werden. Auch ab etwa der Mitte des 8. Jahrhunderts war es Christen für einige Zeit verboten, Hasenfleisch zu essen – aufgrund seiner angeblich erotisierenden Wirkung.
Von alters her suchte der Mensch nach Bedeutung und Sinn. So deutete er auch die Interaktion mit dem Hasen. Aus seinen Beobachtungen folgerte er, der Hase als Gejagter behaupte sich dank seiner Wachsamkeit, Wendigkeit, großen Fruchtbarkeit und daraus folgender Nachkommenschaft. Was Wunder also, dass er schon im Altertum, mit dem Mond assoziiert, als Symbol für Lebenskraft, Neuanfang, Fruchtbarkeit und Fleischeslust galt. Nach einem langen Winter ist er schließlich eines der ersten Tiere, das sein ausdauerndes Liebesspiel auf offenem Feld gut sichtbar austrägt und schon früh im Jahr die ersten Jungen zur Welt bringt. In der griechischen Mythologie schrieb man ihn als Begleiter von Aphrodite, der Göttin der Liebe, Schönheit und sexuellen Begierde, zu.
Früh galt der Hase auch als Glückssymbol – obwohl man sich hierbei auch nicht immer ganz einig war. Denn je nachdem aus welcher Richtung der Hase einem begegnete, brachte er Glück oder Unglück. Im Mittelalter etwa und bis in die jüngere Vergangenheit schwor man auf die Glück bringende Hasenpfote und trug sie gern bei sich.
Auch Zeitgeist und Brauchtum finden auf ihre Weise ihren Weg in die Kunst. Schon auf ägyptischen und assyrischen Denkmälern ist das scheue Beutetier abgebildet. In der Antike glänzt es als Motiv in Jagddarstellungen oder vereinzelt Trauben naschend als Hinweis auf verstorbene Seelen und deren Aussicht auf das Paradies, in der Spätantike wiederum als Glückssymbol.
Mit der frühen Ausbreitung des Christentums in Europa waren hauptsächlich säkulare Darstellungen üblich. Als eine der Quellen für Inspiration nutzten Künstler dafür den Physiologus, eine frühchristliche Naturlehre, die dem Hasen eine ganze Abhandlung widmet. Aufgrund seiner Vorgeschichte als unreines Tier im Alten Testament kann seine Position in der Darstellung ambivalent sein. Zum einen war er Sinnbild für Lebensfreude, Fruchtbarkeit, die Auferstehung und sogar Symbol für Christus und die Dreifaltigkeit. Dem entgegen steht seine Darstellung als Ausdruck für das Lasterhafte, für Wollust und Lüsternheit.
Symbolhaft tauchen beispielsweise weiße Kaninchen als Zeichen für die Fruchtbarkeit auf einem Flügel des Hochaltars im Freiburger Münster auf. Im frühen 16. Jahrhundert wurden die gewaltigen Bildtafeln gemalt, auf einer sind weiße Hasen zu sehen, die zu Füßen der schwangeren Frauen Maria und Elisabeth spielen. Ebenfalls als christliches Symbol ist wohl das berühmte Hasenfenster im Paderborner Dom zu deuten. Eine Steinmetzarbeit aus dem 16. Jahrhundert, drei springende Hasen, sind dabei kreisförmig angeordnet. Der Clou: Insgesamt sind nur drei Ohren aus dem roten Wesersandstein gemeißelt worden, dennoch scheint jedes der drei Tiere ein ganzes Ohrenpaar zu besitzen. Das „Ohrendreieck" gilt hier als Symbol der Dreifaltigkeit und geht vermutlich auf ein noch älteres Zeichen für den Lauf und das Vergehen der Zeit zurück.
Dürer revolutionierte die Naturmalerei
Der Hase als Attribut von Heiligen oder der Jungfrau Maria – Anfang des 16. Jahrhunderts aber kam einer, der es ganz anders machte. Er malte einen Hasen – einfach nur um der Tierdarstellung willen – als Naturstudie ohne bekannten Symbolcharakter. Heute gilt Albrecht Dürers „Junger Feldhase" als eines der berühmtesten Tierbildnisse der europäischen Kunstgeschichte überhaupt. So perfekt bis ins kleinste Detail malte der Künstler das graubraune Tier, dass man trotz Sicherheitsabstand im Museum auch heute noch die einzelnen, fein gesetzten Härchen erkennen kann, förmlich zu sehen meint, wie die Schnurrbarthaare in einem leichten Lufthauch zittern. Dieses Bestreben nach möglichst realistischer Darstellung der Natur lässt sich im Zusammenhang mit Dürers Naturstudien sehen – wie dem Wiesenstück mit seinen feinen Gräserhalmen oder dem Vogelflügel, Dürer benutzte dazu die Aquarell- oder Gouache-Technik. Aber zurück zu seinem weltberühmten Hasen, der die Darstellung von Tieren in der Malerei revolutionierte und eine einzigartige Rezeptionsgeschichte hat. Denn unzählig sind die Darstellungen in Schulbüchern, unzählig die Drucke oder Kopien in Ölmalerei, die jahrzehntelang zum Inventar bürgerlicher Wohnzimmer gehören sollten. Als Relief gibt es den Dürer-Hasen, als Skulptur – aus Holz, Stein, Kunststoff oder in der Version von Rosenthal als Porzellan-Figur. Sigmar Polke malte ihn auf Textilien, der Schweizer Aktionskünstler Dieter Roth fertigte gar nach Dürers Vorbild ein „Karnickelköttelkarnickel" aus Hasenmist und Stroh an. Und 1965 irritierte Joseph Beuys in einer Düsseldorfer Galerie das kunstbeflissene Publikum mit einer stundenlangen Aktion, bei der er einem toten Hasen auf seinem Arm die Kunst an den Wänden erklärte. Bis heute fasziniert der Hase Maler, Bildhauer und Aktionskünstler, die ihn als Grafik, auf Leinwand oder als ziemlich abstrakte Metallkonstruktion abbilden.