Der Psychologe Christian Ambach, unter anderem Vorsitzender der Landesgruppe Rheinland-Pfalz im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), spricht darüber, wie man das Beste aus der Situation in der Pandemie machen und sich ein wenig Urlaubsgefühle nach Hause holen kann.
Wir fliehen alle nach Malle", so titelte eine Berliner Boulevardzeitung am Tag, nachdem das Robert Koch-Institut (RKI) Mitte März die Balearen von der Liste der Risikogebiete genommen hatte. Und tatsächlich setzte prompt ein Run auf Flüge auf die Mittelmeerinseln ein. Sonne, Strand und Cafés statt Lockdown in Berlin, lautet das Motto, auch wenn die Verhältnisse auf Mallorca oder Ibiza längst noch nicht wieder normal sind und das RKI weiterhin von Urlaubsreisen abrät. „Das Fehlen einer Reisewarnung ist keine Einladung zum Reisen", betonte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Auch müssen sich die Urlauber auf den Inseln auf zahlreiche Einschränkungen gefasst machen.
Der Buchungsboom zeigt jedoch, wie stark das Bedürfnis der Menschen ist, rauszukommen, durchzuatmen, unbeschwert ein Stück Freiheit zu genießen. Dennoch wird Urlaub in diesem Jahr für die meisten Menschen wohl noch ein schöner Traum bleiben, die Pandemie uns noch eine Weile im Griff haben und weltweites Reisen praktisch unmöglich machen.
Herr Ambach, die Pandemie belastet uns jetzt seit einem Jahr, der zweite Lockdown schränkt uns extrem ein, vieles wie gewohnte Freizeitaktivitäten und Restaurantbesuche sind auf absehbare Zeit weiterhin nicht möglich. Ist deshalb der Wunsch nach Urlaub so groß, nehmen einige vieles auf sich, um dennoch zu reisen?
Das ist sicherlich stark davon abhängig, wie der Einzelne die Pandemie und die damit verbundenen Risiken einschätzt und damit umgeht. Viele lassen sich abschrecken. Aber Reisen hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Teil unseres Lifestyles entwickelt, verkörpert für viele Menschen ein Lebensgefühl, das mit Freiheit verbunden ist. Und das möchten sie sich erhalten und so schnell wie möglich wieder erleben – auch wenn es schwierig ist.
Was kann man denn tun, um sich ein wenig Urlaub nach Hause zu holen?
Als Grundmotivation sollte man sich als Erstes einmal klarmachen, wozu Urlaub ursprünglich einmal da war: beispielsweise ausschlafen, ausruhen, ausspannen vom Arbeitsalltag, Zeit mit der Familie verbringen, aber auch sich Zeit für sich selbst nehmen, gesund essen. Dafür muss man nicht verreisen, das kann man auch alles in den eigenen vier Wänden haben. Und so wie man seinen Urlaub in Spanien oder Griechenland plant, kann man auch einen Urlaub zu Hause planen und dabei berücksichtigen, was einem im Urlaub am wichtigsten ist.
Also nicht nur jeden Tag auf dem Sofa vor dem Fernseher verbringen.
Ein Tag auf dem Sofa kann sicherlich Urlaub sein, gerade wenn man dazu sonst kaum Zeit hat. Aber man sollte sich vor allem darauf besinnen, was Urlaub hauptsächlich ausmacht: Zeit „hardcore" mit der Familie zu verbringen, sich wieder näherkommen. Man kann sich auf eine gemeinsame Entdeckungsreise begeben. Das kann etwa sein, ein asiatisches Kochbuch zu kaufen, gemeinsam zu kochen und zu essen und sich so ein kleines Stück Urlaub an den Tisch zu holen. Auf die Art kann man sich auch auf eine kulinarische Weltreise begeben. Oder man lässt sich endlich einmal von seinen Kindern zeigen, was es mit neuen Medien wie Tiktok und Netflix auf sich hat und begibt sich mit ihnen auf eine virtuelle Reise.
Nun haben es ja gerade die Millionen Singles in der Pandemie besonders schwer.
Es gibt zwar erste Kontaktlockerungen, aber sicher verbringen Singles derzeit besonders viel Zeit allein zu Haus. Sie sollten sich mit sich selbst verabreden und die Situation nutzen, um lange Geplantes, oft Verschobenes anzugehen. Etwa endlich mit Yoga beginnen oder eine Sprache erlernen.
Leicht gerät man ja im Lockdown in immer den gleichen langweiligen Trott, weil viele Aktivitäten, die man sonst mit seinem Partner, der Familie oder Freunden zusammen unternimmt, wie etwa Kino oder Restaurant, jetzt wegfallen.
Es kann helfen, sich gemeinsame regelmäßige besondere Rituale zu schaffen, die den Alltag durchbrechen und auf die man sich schon vorher freut. Etwa immer am selben Abend zusammen zu baden oder ein nettes Dinner, zu dem man sich schick macht und eine Flasche Champagner öffnet. Rituale schaffen Strukturen und geben Zusammenhalt.
Viele Menschen haben nach der langen Zeit der Einschränkungen oftmals einen richtigen Blues. Was kann man dagegen tun?
Sollte der Blues zu richtigen Depressionen führen, ist es wichtig, sich unverzüglich professionelle Hilfe zu holen. Generell sollte man aber nicht nur immer daran denken, was gerade nicht möglich ist, sondern sich darauf besinnen, was noch geht und die positiven Dinge sehen. Dabei hilft ein kleiner Trick. Man steckt sich etwa eine Handvoll Münzen in die rechte Hosentasche und jedes Mal, wenn einem etwas Positives begegnet, ein Lob des Chefs, ein Lächeln der Kassiererin im Supermarkt, nimmt man eine Münze aus der rechten Tasche in die Linke. Man wird am Abend überrascht sein, wie viel Positives einem begegnet ist. Und man sollte selbst positive Aspekte aussenden, dann wird man auch Positives zurückbekommen.