Cider wird als Trendgetränk auch bei uns immer beliebter. Drei, die diesen Trend schon vor Jahren erkannten, sind Michael Müller, Jana Götz und Philipp Stute. Sie produzieren seit 2018 ihren „Pica Pica" und setzen sich damit gleichzeitig für den Umweltschutz ein.
Trinkkultur UG" ist ein junges Start-up-Unternehmen mit einer interessanten Geschichte. Neben der Produktion ihres ganz besonderen Ciders Pica Pica hat sich das junge Unternehmen ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: die Erhaltung, den Schutz und die Rekultivierung saarländischer Streuobstwiesen. Michael Müller, Jana Götz und Philipp Stute haben die Firma 2018 gegründet. Die Aufgaben sind klar verteilt: Michael Müller kümmert sich um die Zahlen, Philipp Stute ist der Ideengeber und Jana Götz gestaltet. Die drei haben eigentlich alle andere Berufe, doch dieses Projekt ist ihnen eine Herzensangelegenheit.
Und es geht voran, die Nachfrage nach ihrem Cider steigt stetig. Es ist fraglos eines der angesagten Trendgetränke. Die drei Gründer erkannten bereits vor ein paar Jahren diesen Zeitgeist. Das Saarland mit der Viezstraße bot sich förmlich dafür an. Denn auf diesen Streuobstwiesen finden sie viele alte Apfelsorten. Werden diese Streuobstwiesen nicht gepflegt, sterben sie perspektivisch ab. Die Wiesen sind dann irgendwann nicht mehr zugänglich, wuchern zu und die Bäume „vermisteln". Am Ende sterben sie sogar ab. „Es heißt immer, wir müssen den Regenwald schützen. Doch die Streuobstwiesen sind der Regenwald Deutschlands", betont Philipp Stute. „Wir sollten uns auch drauf besinnen, hier bei uns im Saarland so etwas Wertvolles zu schützen. Es geht dabei auch darum, Lebensräume für Tieren und Pflanzen zu erhalten."
„Streuobstwiesen, unser Regenwald"
Streuobstwiesen pflegen, die Äpfel ernten und dann daraus noch einen coolen Cider produzieren – ein rundes und vor allem stimmiges und nachhaltiges Konzept. Mittlerweile haben sie viele Familien gefunden, denen sie das Obst abkaufen. Die meisten dieser Familien stammen von der Viezstraße, aber auch aus dem St. Wendeler Land, etwa aus Hoof oder rund um Lebach. Dabei ist den Gründern aufgefallen, dass viele Streuobstwiesen verwaist sind. Durch ihre Initiative haben sie es geschafft, dass diese Obstbäume wieder abgeerntet und das Obst an sie verkauft wird. Bei anderen Flächen, deren Besitzer zu alt sind, um diese noch zu bewirtschaften, kümmern sich die drei gemeinsam mit einigen Freunden darum. So wuchs ihr Unternehmen stetig, und mittlerweile bekommen sie auch aus der Nachbarregion Rheinland-Pfalz Äpfel.
Cider, der im Saarland Viez heißt, hat eine mehr als 2.000-jährige Kultur in unserer Gegend. Das Wort Viez hat seinen Ursprung im Lateinischen. Bei den Römern hieß es „Vice-Vinum" und wurde als Ersatz für Wein getrunken. Auch später war Viez so etwas wie der Wein der armen Leute. Nicht jeder hatte Geld, um sich Wein zu kaufen. Und so machte mancher seinen Apfelwein zu Hause.
Für „Pica Pica Cider" wird mit den Produkten umgegangen, wie ein guter Winzer mit seinen Weinen verfährt. Die Produkte werden nicht pasteurisiert, sondern kalt und steril abgefüllt. Dies ist meines Wissens nach einmalig in Deutschland. Hier geht es um höchste Qualität! Derzeit sind von „Pica Pica Cider" vier Sorten im Angebot: der „satte Apfel", der aus verschiedenen Sorten der Streuobstwiesen besteht. Eine saarländische Interpretation des englischen Ciders sei dies, betonen Müller und Stute, und mit 5,9 Volumenprozent Alkohol der stärkste, den sie produzieren. Karamellisierte Äpfel, mit einer Pale-Ale-Hefe aus England – eher stark und etwas für echte Männer. Der zweite Cider heißt „Apfel-Birne". Er ist etwas süßer, mit einem leichten Birnengeschmack. Verwendet werden dafür beispielsweise Schweizer Wasserbirnen. Diese Variante hat nur vier Volumenprozent Alkohol und schmeckt eher fruchtig-leicht. Seine Fans trinken ihn gerne aus dem Weinglas mit Eis. Seit diesem Jahr gibt es zudem Apfel-Quitte, mit 4,5 Volumenprozent Alkohol. Auch die Quitte wächst auf den saarländischen Streuobstwiesen. Eine spannende Frucht, wie ich finde, die ich sehr gerne als Eau-de-Vie trinke. Quitte hat viele Duftnoten, ist sehr fein. Manche Zeitgenossen finden sogar, die Quitte sei die Königin der Streuobstwiese.
Last but not least gibt es als viertes „Apfel-Johannisbeere". Dank der Johannisbeere hat er eine ganz andere Farbe und ist nicht wie üblich goldgelb. Er bringt es auf vier Volumenprozent und ist vom Charakter her etwas süßer, aber gleichzeitig an heißen Tagen sehr erfrischend.
Auszeichnungen eingeheimst
Natürlich gehören in die Rezepturen noch andere Zutaten. Etwa Kräuter oder andere Beeren. Was genau ist ein Betriebsgeheimnis. Diese machen die Mixturen einzigartig und nicht kopierbar. Jedenfalls spielt „Trinkkultur" mit seinen Produkten durchaus in der ersten Liga mit und hat bereits einige Auszeichnungen eingeheimst. In Spanien etwa, in Asturien, auch eine Ciderregion. Dort gewann das junge Start-up bei einer internationalen Verprobung Gold mit dem satten Apfel. In Frankfurt, bei einer ähnlichen Veranstaltung, gab es Silber.
Bei unserem Treffen haben Müller und Stute auch etwas Neues dabei. Das Produkt heißt „Gezwitscher" und ist alkoholfrei. Der Zeitgeist lässt grüßen. Präsentiert in einer Champagnerflasche, bestehend aus Traube, Apfel, Rhabarber, Quitte, Johannisbeere und mit Kohlensäure. Prägnant ist das Spiel zwischen Apfel und Traube. Das hat Tiefe und Säure. Damit wollen die Jungunternehmer die Gastronomie und auch Kunden ansprechen, die ein hochwertiges Geschenk suchen.
„Trinkkultur" stellt höchste Ansprüche an Qualität und Produktion. Die läuft bei Wolfgang Schmitt aus Menningen bei Merzig ab, wie Müller erzählt. „Er betreibt einen Bio-zertifizierten Kelterbetrieb und stellt schon seit vielen Jahre eigene Produkte her. Wolfgang Schmitt hat das handwerkliche Know-how. Er kennt sich mit der Tradition des Apfelweins aus. Er entwickelt auch mit uns zusammen die Produkte. Auf der Basis Tradition mit Zeitgeist." Abgefüllt werden die Flaschen dann bei Bingen. Im Saarland fand sich kein Betrieb, der passte. Im Laufe der Arbeit für ihre Cider und die Streuobstwiesen lernten sie Nadja und Hans aus Hoof bei St. Wendel kennen. Die beiden betreiben dort eine Soay-Schafzucht, um diese Rasse vor dem Aussterben zu retten. Soay-Schafe sind eine sehr frühe Form des Hausschafes, schon die Wikinger hielten sich welche. Vom Verhalten und Aussehen haben sie nicht viel mit den typischen Hausschafen zu tun. Diese Rasse gibt nicht genug Milch, um sie etwa für die Käseherstellung zu nutzen. Auch die Wolle kann nicht verarbeitet werden, da sie mit dem Fellwechsel ausfällt. Auf der anderen Seite muss ein Soay-Schaf aber auch nicht geschoren werden. Eine ideale Rasse, um fast autark auf der Streuobstwiese eingesetzt zu werden.
Win-win-Situation für alle Beteiligten
Und genau hier halten die beiden ihre Tiere – auf einer alten Streuobstwiese hinter ihrem Haus. Erst war es eine Wiese, dann haben auch die Nachbarn angeboten, die Schafe auf den angrenzenden Streuobstwiesen grasen zu lassen. Mittlerweile werden die Tiere im gesamten Ort eingesetzt, um verwilderte Streuobstwiesen von Brombeeren und Heckenwuchs zu befreien. Es ist kein großer Heckenmulcher nötig, der mit einem Mal alles häckselt, was nicht auf drei wegspringt. Die Artenvielfalt kann erhalten bleiben, sie steigt sogar nach dem Einsatz der Tiere. Diese traditionelle Bewirtschaftung der Streuobstwiesen ist zukunftsweisend und findet auch immer mehr Naturschützer, die es genauso machen. Es muss in Kreisläufen gedacht werden, um Klimawandel und Artensterben in den Griff zu bekommen.
Nadja und Hans wollten 2020 das Obst ihrer Wiesen für den „Pica Pica Cider" ernten. Da dies alleine kaum möglich ist, musste tatkräftige Hilfe her. Mitglieder der Bürgerinitiative „Gemeinsam für Natur und Zukunft-Hoof" halfen bei der Ernte. Sie haben es geschafft 2.300 Kilo beste Streuobstwiesenäpfel zu sammeln, alles alte Sorten. Das erwirtschaftete Geld wurde genutzt, um die Altbestände durch Neupflanzungen zu ergänzen und die Wiesen somit stark für die Zukunft zu machen. Eine Win-win-Situation für alle – für die Besitzer und „Trinkkultur".