In der Krise hat sie gestottert, jetzt kommt die deutsch-französische Wirtschaftslokomotive wieder auf Touren. Große Hoffnungen setzen das Saarland und Moselle auf die Wasserstofftechnologie. Hindernisse aber bleiben.
Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der EU erwirtschaften Deutschland und Frankreich zusammen. In der Eurozone kommen beide Länder sogar auf 50 Prozent des BIP. Die beiden größten Volkswirtschaften der EU sehen sich zwar gerne als europäischer Motor trotz manchmal unterschiedlicher Ansichten und Herangehensweisen. Doch im wirtschaftlichen Alltag bleiben die drängendsten Probleme weiter ungelöst. Ob nun beim Kurzarbeitergeld für in Deutschland tätige Franzosen, bei der Doppelbesteuerung oder beim Entsendegesetz mit all seinem Bürokratismus – hier hätte der deutsch-französische Ministerrat endlich Fortschritte erzielen können, stattdessen stand Ende Mai jedoch die Außenpolitik im Vordergrund. Und natürlich das Virus. Nach bald eineinhalb Jahren Corona-Pandemie haben beide Länder es immer noch nicht geschafft, sich auf eine gemeinsame Definition für Inzidenzen zu verständigen – wichtig vor allem für die Grenzverkehre. Die zentralen Bausteine wie Testverfahren oder Auslastung der Krankenhäuser zur Bewertung der Coronakrise könnten unterschiedlicher nicht sein. Da grenzt es schon an ein kleines Wunder, dass das Saarland und das Departement Moselle besser zusammengearbeitet haben, als Paris und Berlin sich das überhaupt vorstellen konnten. Und das trotz Grenzschließungen im vergangenen Jahr und Testpflicht für Grenzgänger, die inzwischen wieder aufgehoben ist. Das macht einmal mehr deutlich, wie strategisch wichtig die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für Europa ist.
Mittlerweile sehen die Wirtschaftsakteure beider Länder wieder mehr Licht am Ende des Tunnels schon aufgrund der rückläufigen Corona-Fallzahlen und der fortschreitenden Impfkampagne in Frankreich und Deutschland. „Die Wirtschaft kommt nach dem Überleben wieder ins Leben", betont Frédéric Berner, seit drei Jahren Geschäftsführer der Französischen Industrie- und Handelskammer (CCIFA) in Deutschland. Die CCIFA mit Hauptsitz in Saarbrücken sieht sich als Dienstleister für rund 200 französische Unternehmen, die in Deutschland unternehmerisch aktiv sind. Weitere Vertretungen gibt es in Frankfurt, Berlin und Stuttgart. „Der erwartete Re-Start der Wirtschaft im zweiten Halbjahr dürfte schon aufgrund der milliardenschweren Konjunkturprogramme in Frankreich mit Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Euro dem Wachstum auf beiden Seiten des Rheins Flügel verleihen", heißt es aus französischer Perspektive. Schließlich sind die Exporte von Waren und Gütern von Deutschland nach Frankreich laut Angaben des Statistischen Bundesamts im Krisenjahr 2020 um 15 Milliarden Euro auf 91 Milliarden Euro zurückgegangen. Gleiches gilt für die Importe aus Frankreich, die von 66 Milliarden Euro 2019 auf 56,6 Milliarden sanken. Da besteht Aufholbedarf.

Nachholeffekte im Frankreichgeschäft dürften sich auch positiv im Saarland bemerkbar machen, schließlich gilt das Nachbarland nach dem Brexit wieder als der wichtigste Handelspartner mit einem Exportvolumen von knapp zwei Milliarden Euro und 2,1 Milliarden Euro Importvolumen im vergangenen Jahr nach Berechnungen des Statistischen Landesamts. Rund 120 französische Unternehmen zählt die IHK Saarland hierzulande und circa 100 saarländische Unternehmen in Frankreich.
Zweisprachige Mitarbeiter fehlen
Große Hoffnung setzen das Saarland und Moselle künftig auf neue Gemeinschaftsprojekte in der Wasserstoffindustrie und auf den Gebieten der Künstlichen Intelligenz und Cybersicherheit. Das unterstreicht der französische Generalkonsul Sébastien Girard: „Das Saarland und Moselle sind ein fruchtbarer Boden für die Entwicklung einer deutsch-französischen Wasserstoffindustrie, ein Potenzial, das es verstärkt zu nutzen gilt." Gleiches gelte für die Mobilität in der Großregion. So wurde kürzlich eine Güterverkehrslinie zwischen dem südfranzösischen Perpignan nahe der spanischen Grenze und Saarbrücken eröffnet. Die Bahnlinie zwischen Metz und Saarbrücken besteht seit fast 170 Jahren und die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Paris fast 15 Jahre. „Besonders die TGV-Verbindung nach Paris muss im Interesse des Saarlandes und der Moselle unbedingt beibehalten werden", macht sich Frédéric Berner wegen der zunehmenden Konkurrenz durch die Bahnverbindung Frankfurt-Straßburg-Paris Sorgen. „Die geografische Nähe zu Frankreich, die schnelle Anbindung nach Paris, die Möglichkeit für französische Unternehmen, am Landgericht in Saarbrücken auf Französisch zu verhandeln, die durchaus vorhandene Bikulturalität sowie die wachsende Zweisprachigkeit sind entscheidende Pluspunkte und machen das Saarland für die französische Wirtschaft zum Tor nach Deutschland", so Berner.
Diese Vorteile kompensieren sogar zum Teil die unterschiedliche Besteuerung und die Höhe der Sozialabgaben im Vergleich zu Deutschland. Nach Angaben der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer (AHK) mit Sitz in Paris gibt es rund 5.000 Unternehmen in beiden Ländern mit insgesamt rund 640.000 Beschäftigten. „Die deutsch-französischen Kooperationen im Bereich Wasserstoff, Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, E-Mobilität und Batterien sind Herausforderungen und bilaterale Chancen zugleich", erklärte Geschäftsführer Patrick Brandmeier von der AHK auf dem zehnten Frankreichtag der IHK Saarland.
Zunehmend Probleme bereitet den Unternehmen allerdings der Mangel an kompetenten zweisprachigen Mitarbeitern. „Stellen für Ingenieure oder Buchhalter können zum Teil nicht besetzt werden", betont Frédéric Berner. Das gelte vor allem für den Klein- und Mittelstand, zum Beispiel beim Familienunternehmen für medizintechnische Produkte, der Urgo GmbH in Sulzbach, oder bei der LIM Group Deutschland in Saarbrücken, die auf Lederwaren im Pferdesport spezialisiert sind. Hier sollten sich durchaus auch Praktikanten bewerben, hieß es. Selbst die Zahl der französischen Grenzgänger, die zum Arbeiten ins Saarland kommen, sinkt kontinuierlich. Zwischen 2019 und 2020 kamen nach Angaben der Interregionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstelle IBA knapp 1.500 Grenzgänger weniger ins Saarland. Die Altersstruktur der Pendler, die verstärkt das Rentenalter erreichen, sowie die Corona-Pandemie zeigen deutliche Spuren auf dem grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt. Das Saarland zählte 2020 rund 14.760 Pendler, davon rund 4.200 Deutsche, die in Frankreich wohnen und im Saarland arbeiten.