Mit einem Verbot von Einweg-Plastik geht die Europäische Union gegen die Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll vor. In Deutschland will die Bundesregierung mit strengeren Vorschriften die Verschwendung von Ressourcen bekämpfen. Der Handel reagiert mit Zurückhaltung.
Vor allem in den Sommermonaten ist der Verpackungsmüll in Parks, Plätzen und Straßen ein großes Ärgernis. Damit soll nun Schluss sein, denn To-go-Boxen und Getränkebecher aus Styropor dürfen ab Juli 2021 nicht mehr verkauft werden. Verboten werden auch Wattestäbchen aus Plastik, Einwegplastik-Besteck wie Gabeln, Messer, Löffel und Rührstäbchen sowie Teller und Trinkhalme aus Plastik.
Erlaubt bleiben weitere Wegwerfprodukte aus oder mit Kunststoff wie beispielsweise Feuchttücher und bestimmte Hygieneartikel, Zigaretten mit kunststoffhaltigen Filtern oder Wegwerfgetränkebecher.
Ziel dieses Verbots ist die Vermüllung der Umwelt, insbesondere der Meere, einzudämmen. Einwegverpackungen sollen stattdessen durch umweltfreundlichere Mehrwegverpackungen oder durch nachwachsende oder leicht wiederverwertbare Materialien ersetzt werden wie zum Beispiel Holz, Pappe oder Papier.
Die vor einem Jahr durch die Bundesregierung auf den Weg gebrachte Verordnung dient der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie in nationales Recht. Das Verbot tritt am 3. Juli 2021 europaweit in Kraft. Die nun verbotenen Produkte gehören laut EU-Kommission zu den am häufigsten an europäischen Stränden gefundenen Plastikgegenständen. Wird das Plastik dort nicht aufgesammelt, zerbröselt es mit der Zeit. Die Mikropartikel werden vom Wind fortgetragen, vom Regen in Flüsse, Seen und Meere gespült, wo sie von Vögeln und Fischen gefressen werden und in die Nahrungskette des Menschen gelangen können.
In den betroffenen Branchen stieß das Plastikverbot anfänglich auf Ablehnung. So gab es Zweifel am Nutzen des Plastikverbots, denn nicht Europa, sondern Asien ist für den Großteil des Mülls in den Meeren verantwortlich. Mittlerweile hat sich der Handel mit dem Verbot arrangiert. „Die meisten Händler haben bereits freiwillig und lange vor Inkrafttreten des gesetzlichen Verbots die entsprechenden Produkte aus dem Sortiment genommen", sagt Benjamin Peter, Experte für Umweltpolitik beim Handelsverband Deutschland (HDE), auf Anfrage.
Die Händler bieten nun teilweise für diese Produkte Mehrwegalternativen an oder nehmen Produkte aus anderen Materialien als Plastik ins Sortiment auf, die nachhaltig und recycelbar sind, wie zum Beispiel Wattestäbchen und Trinkhalme aus Papier.
Generell finden alternative Materialien im Take-away-Bereich immer mehr Verbreitung. Erst kürzlich hat die Deutsche Bahn angekündigt, das Plastikbesteck für Essen zum Mitnehmen in der Bordgastronomie der Fernzüge ab Juni durch Holzbesteck ersetzen zu wollen. Das Plastikverbot öffnet auch neue Märkte in der EU: In Göttingen etwa produzieren zwei Jungunternehmer essbares Besteck, Schüsseln, Strohhalme und Teller. Abnehmer sind laut Deutscher Presse-Agentur Supermärkte wie Edeka und Rewe, aber auch Hotels und Restaurants. In Norddeutschland entwickeln Wissenschaftler essbare Verpackungen aus Algen. Das Alfred-Wegener-Institut (AWI) und die Hochschule Bremerhaven kooperieren dazu mit dem Fischhändler Nordsee. Verpackungen aus Algen gehören in Indonesien schon zum Alltag.
Doch nicht alle vermeintlichen Alternativen sind auch ökologischer. Es sei nicht so, dass andere Materialien automatisch umweltfreundlicher seien als Plastik, gibt Benjamin Peter vom HDE zu bedenken. In der Herstellung könne der Energie- oder Ressourcenverbrauch sogar höher sein. Bambusgeschirr etwa besteht aus einem synthetischen Kunststoffprodukt und ist nicht biologisch abbaubar. Bambusfasern dienen nur als Füllstoff. Es gibt auch gesundheitliche Bedenken. Durch den Kontakt mit heißen Lebensmitteln können potenziell gesundheitsschädigende Chemikalien freigesetzt werden, warnt der Bundesverband der Verbraucherzentralen.
In den kommenden Jahren soll es noch weitere Umstellungen zur Vermeidung von Plastikmüll geben. So haben die Bundesregierung und der Bundestag weitergehende Schritte zur Abfallvermeidung auf den Weg gebracht. Dazu gehören ein Verbot von Plastiktüten und die Verwendung von mehr Mehrwegverpackungen.
„To go" geht nur in Mehrwegverpackungen
So müssen gastronomische Einrichtungen, die Getränke und Essen „to go" anbieten, ab 2023 ihre Produkte auch in Mehrwegverpackungen anbieten. So sieht es eine Novelle des Verpackungsgesetzes vor, die der Deutsche Bundestag im Mai beschlossen hat. Ausnahmen sind für kleine Betriebe vorgesehen wie zum Beispiel Imbisse, Spätkauf-Läden und Kioske. Ab 2022 ist zudem ein Pfand von 25 Cent auf alle Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff sowie auf sämtliche Getränkedosen verpflichtend.
Nach Ansicht von Benjamin Peter vom Handelsverband stellt die neue Vorschrift eine „Herausforderung" für Gastronomie und Lebensmittelhandel dar. „Werden im Supermarkt Verpackungen vor Ort frisch mit Waren befüllt, zum Beispiel an einer Salatbar, muss künftig auch eine Alternative zur Einweg-Plastikverpackung angeboten werden. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es jedoch bislang keine entsprechenden Mehrwegsysteme für To-go-Verpackungen", sagt Peter. Praktikable Mehrwegsysteme müssten zunächst aufgebaut werden (siehe auch ab Seite 38).
Ab 2022 gilt zudem ein Verbot für Plastiktüten. Künftig dürfen leichte Plastiktüten mit Wandstärken von 15 bis 50 Mikrometern nicht mehr in Umlauf gebracht werden. Sehr leichte Plastiktüten, wie man sie oft in der Obst- und Gemüseabteilung findet, werden nicht verboten. Sie sorgen vor allem für einen hygienischen Umgang mit offenen und leicht verderblichen Lebensmitteln wie zum Beispiel Fleisch- oder Wurstwaren.
Benjamin Peter sieht ein solches Verbot kritisch. „Das Verbot von Plastiktüten ist ein Beispiel für ein Produkt, für das es aus Umweltsicht keine guten Alternativen gibt. Wir haben durch eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels die Menge der Plastiktüten in Deutschland seit 2015 um fast 70 Prozent reduziert. Dennoch wurden sie nun verboten." Die Alternativen seien Tüten aus Papier oder aus Jute, die sehr viel häufiger verwendet werden müssten, um eine ähnliche Ökobilanz wie Plastiktüten zu erreichen, sagt Peter.
Auch andere Experten werben für eine differenzierte Betrachtung des Plastikmüllproblems. Ein Beispiel: ein Beutel für Nudeln. Der Beutel hat eine geringe CO2-Bilanz, weil man dafür wenig Material braucht und er leicht ist, erklärte Sebastian Klaus gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Klaus ist Professor für Verpackungstechnik an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Der Nachteil: Das Material ist nicht nachwachsend und nicht abbaubar. Ein Gurkenglas schneide dagegen beim CO2 deutlich schlechter ab. Dafür kann man es gut wiederverwerten.