Im Sicherheitsgurt festgeschnallt rauschen Seilrutscher über Flüsse und Täler von einem Baum zum anderen oder gleich von Berg zu Tal. Gerade in den Alpen entstehen immer längere und schnellere Flying-Fox-Anlagen, die auf angenehmste Weise Nervenkitzel mit großartigen Ausblicken verbinden.

Die meisten Seilrutschen finden sich in Klettergärten und Freizeitparks und messen rund hundert Meter, mal etwas mehr, mal etwas weniger. Aber zweieinhalb Kilometer? Da wird jeder Adrenalinfreudige hellhörig – Jugendliche ganz besonders, aber auch so mancher Erwachsene. Schließlich ist das eine der längsten Seilrutschen Europas! Und in einer abenteueraffinen Familie bedeutet das: Einen solchen „Flug" gilt es persönlich auszuprobieren. Also ab nach Gröbming in der Nähe der steirischen Ski-WM-Stadt Schladming, wo wir am Kassenhäuschen zu Füßen des 2.048 Meter hohen Stoderzinkens die Tickets für die Zipline lösen und im Gegenzug sogleich mit jeder Menge Material ausgestattet werden. Wie eine Fliegerstaffel schultern wir das rucksackartige Fluggerät samt Seilrolle und besteigen einen Bus, der uns nach 700 kurvigen Höhenmetern wieder ausspuckt. Einen kurzen Marsch später empfängt uns eine Mitarbeiterin an einer Plattform und zeigt der kleinen Gruppe, wie jeder seinen Rucksack zum Sicherheitsanzug samt „Sitz" umkrempeln kann. Dann wird jeder „Rutscher" noch kurz zum Kontrollwiegen gebeten, wobei dankenswerterweise auf eine exakte Kilogrammangabe verzichtet wird. Der Check sagt: alles im Rahmen. Gut so. Also dürfen wir zum nächsten Posten, wo ein weiterer Mitarbeiter die von uns mitgebrachten Rollen samt uns selbst in je eines der vier parallelen Seile einhängt. Und wow, was für ein Ausblick: über uns der wolkenlose Himmel, vor uns die grandiose Bergwelt rund um den Dachstein, unter uns das Startpodest und einen Schritt weiter der steil-abschüssige Hang.
Vom 2.048 Meter hohen Berg rasant ab ins Tal
Ready? Ready! Auf Knopfdruck löst der lächelnde Kollege die Seilbremse, und wir rauschen bis zu 160 Meter über dem Boden Richtung Tal – mit einem irren Blick über die Bergwelt. Einen irren Blick setzt auch meine Nachbarin auf, kommen ihr die Seile doch recht dünn vor. Alles Einbildung, denn vermutlich gehört die Anlage zu den bestüberprüften im Umkreis von hundert Kilometern. Aber der Nervenkitzel ist natürlich Teil des Programms, der andere ist die unglaubliche Freiheit, die man beim durch die Luft segeln empfindet. Nach etwa eineinhalb Kilometern landen wir sanft an der Plattform der Mittelstation, haken uns aus und am nächsten Seil ein paar Schritte weiter wieder ein und starten die zweite Etappe. Die entpuppt sich als noch steiler, die Blicke der Nachbarn werden noch irrer, der Abstand zu den Bäumen erscheint geringer: „Ich glaub’, ich berühre die Wipfel!", kreischt die jugendliche Tochter. Doch zum Nachdenken fehlt die Zeit – wir fliegen mit über 100 Stundenkilometern über die Bäume hinweg, um dann mit einem breiten Grinsen und sanftem Abbremsen an der Endstation zu „landen". Was für ein Vergnügen! Wer gar nicht genug bekommt vom Fliegen, kann sogar noch eins draufsetzen, indem er sich in den hier beginnenden, erst 2020 eröffneten Flying Coaster setzt. Hierbei rasen wir auf Rollwägen sitzend unter einem Aluminiumrohr auf einer Länge von 800 Meter durch den Wald (womit wir uns das Laufen zum Parkplatz sparen). Interessant: Die gesamte Anlage ist auf Stahlstützen aufgehängt, das Aluminiumrohr windet sich schlangenförmig mit Auf- und Ab-Elementen in zahlreichen Kurven durch den Wald nach unten. Was uns besonders gefällt, ist, dass durch den Wechsel von Geschwindigkeit und Richtung starke Fliehkräfte zum Tragen kommen. Flying Fox meets Achterbahn!
Durch Kurven wie auf der Achterbahn

Ganz linear geht es hingegen beim Flying Fox XXL in Leogang zu – und mit rasender Geschwindigkeit zu Tale. „Es ist die schnellste Zipline der Welt. Bei unserer Messung wurde eine Top-Geschwindigkeit von 137 km/h angezeigt – und das nach nur 60 Metern!", erklärt Mitarbeiter Wolfgang auf Nachfrage. Insgesamt kommt die mit dem Slogan „Anschnallen, Abflug, Abenteuer" werbende Strecke übrigens auf eine Länge von 1.600 Metern. Fast schade also, wenn der in einer Höhe von bis zu 143 Metern über dem Bergboden stattfindende Flug „schon" nach rund einer Minute wieder rum ist. Dafür entschädigt ein zusätzlicher Thrill: Im Gegensatz zur Sitz-Zipline am Stoderzinken geht es hier mit dem Kopf voraus liegend in den Salzburger Berghimmel.
Wer für den Anfang (oder seine kleineren Kinder) eine weniger rasante (und preiswertere) Alternative sucht, der findet diese zum Beispiel in Vorarlberg am Erlebnisberg Golm. Erleben kann man hier im Montafon wahrlich einiges. Schließich wurde gleich eine ganze Reihe von Freizeitaktivitäten in ein naturbelassenes Areal eingebettet: ein Kletterpark, ein Alpine Coaster, der größte Waldrutschenpark der Alpen und seit 2010 eben auch ein Flying Fox. Von einer Startplattform am Rande des Waldseilparks schweben kleine und große Abenteurer in einem Sitzgurt hängend knapp 570 Meter lang und bis zu 40 Meter über dem Waldboden respektive über den Latschau-Stausee. Unterwegs erreichen die Flieger Geschwindigkeiten bis zu 70 Stundenkilometer, ehe sie in der Nähe der Allwetterrodelbahn landen.
Einzigartige Ausblicke aus der Vogelsicht
Durch den Wald statt über den See sausen Kinder und Erwachsene indessen mit dem Flying Fox in den kärntnerischen Karawanken. Dort wurden zwei attraktive Ziplines mit einer Länge von 300 Metern in den Waldseilpark Tscheppaschlucht integriert. In einen regelrechten Rausch können Adrenalinjunkies in Warth-Schröcken rutschen. Dort bietet eine bislang einzigartige Flying-Fox-Safari Naturerlebnisse aus der Vogelperspektive wie am Fließband. An sechs aufeinanderfolgenden Bahnen rauschen die fliegenden Füchse mehr als einen Kilometer weit ins Tal und überwinden dabei rund 350 Höhenmeter. In 20 bis 90 Metern Höhe geht es dabei über Flüsse und Schluchten, die sonst nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. Gut zu wissen: In Begleitung eines Erwachsenen können schon Kinder ab sechs Jahren die Flying-Fox-Safari in Angriff nehmen.

Die Liste ließe sich noch eine ganze Weile fortführen, beginnend beim oberbayerischen Hockeck, wo seit 2014 der „Oberaudorfer Flieger" wartet, über den „Bayerwald Fox" in St. Englmar bis hin zum „Flying Fox Trafoi Canyon" in Südtirol. Apropos Südtirol. In St. Vigil im Gadertal befindet sich mit der „Zipline Adrenaline X-Treme Adventures" die längste Seilrutsche Europas, die die am Stoderzinken sogar noch um etliche hundert Meter übertrumpft (wenn auch nicht mit ganz so hohen Geschwindigkeiten). Auf 3,2 Kilometern Länge rauschen Wagemutige Richtung Tal, und das mit bis zu 80 Stundenkilometern. Teils gähnen bis zu 100 Meter unter den Füßen, teils wirken die Baumwipfel zum Greifen nah, unkontrollierte Drehungen im Sitzgurt sorgen für zusätzlichen Puls. Kein Wunder, dass das Vermietangebot einer Go-Pro samt Selfiestick von vielen dankend angenommen wird. Hübsche Bilder fürs Smartphone respektive Album verspricht auch der „Skyglider Air Rofan" hoch über dem Tiroler Achensee. Bis zu vier auf dem Bauch liegende Mitfahrer finden unter zwei riesigen Flügeln des Flying-Fox-Spezialgefährts Platz. Rückwärts werden sie die 600 Meter bis fast zur „Adlerhorst" genannten Aussichtsplattform am Gschöllkopf hochgezogen, bevor sie mit rund 80 Stundenkilometern wieder hinabrauschen. Ein Erlebnis, das jede Menge Adrenalin freisetzt – und dennoch absolut ungefährlich ist.