Fast jede Behörde hat eine Frauenbeauftragte, aber wer stellt einen Männerbeauftragten ein? Was für einige übertrieben klingen mag, hat aber durchaus seine Existenzberechtigung. Denn auch Männer erfahren in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen eine Ungleichbehandlung. Schuld daran ist nicht der Feminismus.
Denkt man an Ungleichbehandlung, so ist man ziemlich schnell auch gedanklich bei den gesellschaftlichen Problemen und Ungerechtigkeiten, gegen die Frauen und Mädchen seit Jahren kämpfen. Über ungleich behandelte Männer liest oder hört man selten etwas. Das sieht man schon an einem ganz einfachen Beispiel:
Bis vor wenigen Jahren wurde die Gleichberechtigung im Ländervergleich mit dem Global Gender Gap Index (GGGI) gemessen. Dieser Index ordnet in verschiedenen Unterkategorien einen Wert von 0 – die Frau ist schlechter gestellt – bis 1 – die Frau ist mindestens gleichgestellt – zu. Eine mögliche Bevorzugung von Frauen wird nicht berücksichtigt. Seit 2019 wird vermehrt der sogenannte Basic Index of Gender Inequality (BIGI) genutzt, der hier genauer unterteilen soll. Mit einem spannenden Ergebnis: In 91 der 134 betrachteten Länder haben Männer Nachteile zu ertragen – Frauen in 43 Nationen. Dabei werden Frauen besonders in unterentwickelten Ländern schlechter gestellt. In den hoch entwickelten Industriestaaten sei weitgehend Geschlechtergerechtigkeit hergestellt – mit leichten Vorteilen für Frauen. Zurückzuführen ist dieses Ergebnis unter anderem auf die geringere Lebenserwartung von Männern. So kommen Männer deutlich häufiger bei Arbeitsunfällen ums Leben als Frauen und trinken mehr Alkohol. Aber nicht alles ist „hausgemacht". Männer erkranken auch öfter schwerwiegend als Frauen. Und schaut man sich den Aufbau der Präventivmedizin an, wird auch hier recht schnell sichtbar, dass diese besonders auf weibliche Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Aber nicht nur hier sind die Strukturen schwierig für das männliche Geschlecht. Erleidet ein Mann beispielsweise häusliche Gewalt durch seine Partnerin ist das Angebot an Hilfsstellen doch sehr überschaubar und alles andere als flächendeckend. Ein Äquivalent zum Frauenhaus gibt es nicht. In den meisten Beratungsstellen arbeiten zudem Frauen und kaum Männer – ein Mann, der durch eine Frau Gewalt erlebt hat, wird sich aber kaum einer Frau anvertrauen wollen. Rund 20 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt in Deutschland gehen von Frauen aus. Dass nur so wenig darüber gesprochen wird, liegt wohl auch darin begründet, dass das Thema Männer in der Opferrolle noch immer stark tabuisiert ist. Das hängt auch mit vorherrschenden Rollenbildern zusammen. Die „Männlichkeit" wird in Frage gestellt.
Stereotypen: Die „Männlichkeit" wird infrage gestellt
Diese Rollenbilder sorgen auch in Sachen Sorgerecht für große Probleme. Da die Mutter als jene gilt, die sich am besten um die Kinder kümmert, haben gerade unverheiratete Männer große Probleme vor Gericht. Ein gemeinsames Sorgerecht per se gibt es nur für verheiratete Paare. Ledige Väter müssen sich dieses Recht erst einmal gerichtlich erkämpfen sofern die Mutter nicht zustimmt. So müssen Männer bereits vor der Geburt begründen, warum es für das Kind besser sei, wenn sie sich an dessen Erziehung beteiligen.

Nicht nur Rollenbilder, sondern auch Vorurteile machen es Männern in verschiedenen Bereichen schwer. So steht ein männlicher Erzieher in einer Kindertagesstätte häufiger unter dem Generalverdacht, pädophil zu sein, als eine weibliche Erzieherin. Es gibt sogar Krippen-Träger, die Regeln aufgestellt haben, dass Männer ein Baby nicht alleine wickeln dürfen.
Vielleicht liegt auch die höhere Suizidrate von Männern im Mangel an Ansprechpartnern begründet. Denn während Frauen sich häufiger in psychologische Betreuung begeben, machen Männer viele Dinge mit sich selbst aus. Zeigen nur ungern Emotionen, die ihnen als Schwäche ausgelegt werden können. Dabei kann der Wegfall der beruflichen Stellung oder das Ende einer Beziehung einen Mann stärker belasten als eine Frau, was ebenfalls wieder im Stereotypen des Mannes als Familien-Ernährer liegt.
Dabei geht der Trend immer mehr in die Richtung, dass auch Männer sich eine Auszeit für die Familie nehmen wollen. „Wenn ein Mann in Teilzeit arbeitet, reagieren viele mit Unverständnis, weil es das Modell in ihren Köpfen nicht gibt", erklärte der Sozialpädagoge Matthias Becker einmal gegenüber dpa. „Das heißt: Das Patriarchart unterdrückt nicht nur Frauen, sondern auch Männer." Und damit kennt Matthias Becker sich sehr gut aus: Denn er ist nicht nur der „Männerbeauftragte" der Stadt Nürnberg, sondern in diesem Amt auch deutschlandweit eine echte Seltenheit.
Männerbeauftragter möchte Becker sich nicht nennen, um nicht in Konkurrenz mit der Bezeichnung der Frauenbeauftragten zu geraten. Lieber ist ihm „Ansprechpartner für Männer". Angesiedelt ist er in der Gleichstellungsstelle in Nürnberg, die neben ihm natürlich auch eine Frauenbeauftragte beschäftigt. Denn für Becker ist auch klar: Gleichstellung muss von beiden Seiten angegangen werden – gemeinsam.
Elternzeit ist für Männer ein immer relevanteres Thema
Das sieht auch der Grundgedanke des Feminismus so. Denn in erster Linie kritisiert der Feminismus vorherrschende patriarchale Männlichkeitsnormen, die, wie bereits beschrieben, auch Männern zum Nachteil werden können. Trotzdem wird Feminismus oft mit Männerhass gleichgesetzt, was mehr an einer lauten Minderheit liegt als am Feminismus als Ganzem. Trotzdem hat sich mit den „Maskulisten" eine männliche Gegenbewegung gefunden, die aber deutlich weniger mediale Beachtung findet. Viele dieser Männerbewegungen neigen zudem – wie auch eben genannt manche Frauenbewegungen – einen Kampf zwischen den Geschlechtern vor das gemeinsame Weiterkommen zu stellen. Frei nach der Annahme: Wenn Frauen etwas wollen, muss man Männern etwas wegnehmen. Dabei können viele der von Frauenaktivisten geforderten Mittel auch echte Entlastungen für die Männer sein. So nimmt die Tatsache, dass immer mehr Frauen finanziell auf eigenen Beinen stehen, dem Mann den Druck, der alleinige Ernährer zu sein. Viele feministische Bewegungen fordern zudem auch Themen wie Vaterschaftsurlaub, eine Veränderung des gesellschaftlichen Bildes von Vätern sowie Body Positivity bei Männern. Auch bei der #MeToo-Bewegung ging es nicht allein um Frauen als Opfer und Männer als Täter – denn in beiden Gruppen gibt es sowohl Männer wie Frauen.
Wichtig ist – gerade mit Hinblick auf Bewegungen, die versuchen Front gegeneinander zu machen (seien es nun Teile der Feministen oder Maskulisten) –
über diese Aspekte zu sprechen und darüber aufzuklären. Die Association des hommes du Luxembourg (AHL) beispielsweise leistet eine solche Aufklärungsarbeit in Luxemburg. Man dürfe, so Claude Schroeder vom AHL, „Frauen nicht idolisieren, genauso wie man das auch bei Männern nicht soll": „Wenn ein Mann eine Frau tötet, wird es Feminzid genannt, wenn er einen Mann tötet, ist es einfach nur Mord. Wieso diese Unterscheidung?" Diese Überbetonung des Geschlechts ist es auch, was die AHL an der Debatte rund um das Thema Gendern stört.
Die oft angeführte Benachteiligung von Männern durch die eingeführte Frauenquote ist hingegen wissenschaftlich nicht zu belegen. Die Europäische Zentralbank hatte kürzlich ihre eigene Personalpolitik analysiert und dabei festgestellt: Frauen bewarben sich in den vergangenen Jahren zwar seltener auf Führungsstellen, wurden aber, wenn sie sich bewarben, eher befördert.