Frauen in der Politik haben es nicht leicht. Das liegt gewiss auch daran, dass sie dort erst seit etwa 100 Jahren mitmischen dürfen. Aber nicht nur bei Männern ecken engagierte Frauen an, auch untereinander tobt oft ein Konkurrenzkampf.
Samstagvormittag, 16. Juni 2007. Gedränge am Eingang des „Hotels Estrel" an der Berliner Sonnenallee in Neukölln. Check-in zum Vereinigungsparteitag von WASG und PDS zur Partei Die Linke. Die 29-jährige Parteitagsdelegierte Katja Kipping aus Sachsen, aufgepeppt mit frisch getönten roten Haaren, bahnt sich gerade ihren Weg ins Tagungszentrum. Da wird sie abrupt am Einlass gestoppt. Eine schwarze 7er-BMW-Limousine ist vorgefahren, der ehemals große Zampano der SPD und nun der westdeutsche Spitzenmann der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit, Oskar Lafontaine, betritt die Bühne. An seiner Seite die prominenteste ostdeutsche Führungsfigur der PDS, Sahra Wagenknecht. Beim Eintritt zum Tagungszentrum schiebt die Delegierte Wagenknecht fürs Fotoshooting die sächsische Delegierte Kipping eben mal einfach beiseite. Der Bilder wegen. Es sollte der Beginn einer elf Jahre währenden Feindschaft unter Frauen werden, die für beide am Ende zur Aufgabe ihrer politischen Ambitionen führen sollte. Sahra Wagenknecht gab schließlich im März 2019 den Fraktionsvorsitz im Bundestag auf. Der innerparteiliche Krieg mit Kipping, der offenbar weit unter die Gürtellinie reichte, soll Wagenknecht derart belastet haben, dass es sie auch psychisch krankgemacht habe. Die parteiinterne Kabale sollte Katja Kipping am Schluss beruflich auch nicht weiterhelfen. Nach acht Jahren Parteivorsitz gab auch sie im August letzten Jahres politisch auf. Auch die stille Hoffnung der 43-Jährigen, für die diesjährige Bundestagswahl Ende September als Spitzenkandidatin anzutreten, sollte sich in diesem Frühjahr zerschlagen und fiel der Ost-West-Parität zum Opfer.
Anstelle von Katja Kipping zieht nun die weitgehend unbekannte Janine Wissler aus Hessen an der Seite von Dietmar Bartsch in den Wahlkampf. Kipping tritt nun „nur" für ihren sächsischen Landesverband auf der Eins an.
Der weibliche Machtkampf bei den Linken hat Tradition, bereits im Vorfeld der Gründung der Kommunistischen Partei gab es ab 1916 eine ähnliche Konstellation an der Spitze der Arbeiterbewegung zwischen Clara Zetkin und Rosa Luxemburg. Dass diese weibliche Konkurrenzsituation später in der Kommunistischen Partei nicht eskalierte, ist dem traurigen Umstand geschuldet, das Rosa Luxemburg im Januar 1919 von rechten Militärs ermordet wurde.

Aber dass sich Frauen erheblich rücksichtloser innerhalb der Parteien bekämpfen als ihre männlichen Parteifreunde, ist nicht nur ein Phänomen bei den Linken. Auch die erst vor acht Jahren gegründete AfD hat bereits erste weibliche Kollateralschäden zu beklagen. Es war der interne Machtkampf zwischen der damaligen Parteisprecherin Frauke Petry und Alice Weidel. Auch diese beiden Damen ließen keine Tricks aus, um sich gegenseitig eins auszuwischen. Petry hielt diesen „Frauenkampf" allerdings nur vier Jahre durch, und direkt nach der Bundestagswahl 2017 schmiss sie hin. Erst wurde Alice Weidel Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl 2017, was Petry mehr als wurmte, und dann wurde sie auch noch Chefin der AfD-Bundestagsfraktion. Das war zu viel. Frauke Petry kann man heute, zumindest politisch, als gescheitert beschreiben – trotz einstiger Bemühungen um die Neugründung einer eigenen Partei.
Schneller Abgang für Spitzenpolitikerinnen
Warum sich Frauen (nicht nur, aber vor allem) im Politikbetrieb so heftig ineinander verbeißen, führen ihre männlichen Kollegen im Bundestag auch auf den besonderen Druck auf Frauen in den Parteien zurück. Das liegt zu einem guten Teil daran, dass die Männernetzwerke in den Parteien sehr engmaschig und vor allem breit aufgestellt sind. Damit sind Kompromisse innerhalb der Männerriege schneller möglich. Frei nach dem Motto: „Hier lass ich dich vor, aber auf dem nächsten Parteitag bin ich dann aber am Zug", bringt es ein langjähriger Bundestagsabgeordneter der CDU gegenüber FORUM auf den Punkt, der bei diesem sensiblen Thema seinen Namen nicht in einem Magazin lesen möchte.
Das Wissen um die Macht der männlichen Netzwerke ist so neu nicht, trotzdem gibt es gerade in der Union und der FDP eine ganze Reihe von Frauen, die eine Frauenquote ablehnen. „Mit einer Frauenquote würden wir uns doch selbst als Randgruppe stigmatisieren. Dann heißt es doch sofort, das ist eine Quotenfrau", sagte die damalige Hamburger FDP-Chefin Katja Suding vor gut zwei Jahren noch kämpferisch im FORUM-Interview. Doch überraschend kündigte die 45-Jährige im letzten Sommer aus persönlichen Gründen ihren Totalrückzug aus der Politik an. Näheres will sie dazu nicht sagen. Es soll aber der mehr als rüde Umgang mit der Kurzzeit-FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg gewesen sein, der Suding sehr zum Nachdenken ihres Fortwirkens in der FDP angeregt habe. Teuteberg wurde im letzten September auf dem FDP-Bundesparteitag nach nicht einmal 17 Monaten als Generalsekretärin mit einem abgestandenen Altherrenwitz von Parteichef Lindner abserviert.
Doch dass Frauen in politischen Führungspositionen derart schnell versenkt werden, ist absolut kein Phänomen der FDP. Annegret Kramp-Karrenbauer schmiss nach gerade mal 16 Monaten das Handtuch als CDU-Vorsitzende. Dass sie unterm Strich auf eine Amtszeit von fast zwei Jahren zurückblicken kann, hat AKK der Corona-Pandemie zu verdanken. Der Wahlparteitag musste dreimal verschoben werden. Ihrer SPD-Amtskollegin Andrea Nahles erging es als SPD-Vorsitzende nicht viel besser, sie gab bereits nach 14 Monaten auf. In beiden Fällen sollen es vor allem viele Intrigen aus den jeweiligen männlich dominierten Parteiapparaten gewesen sein – garniert mit Sticheleien aus den Bundestagsfraktionen –, die die beiden Führungsfrauen zur Aufgabe bewegte.
Im Gegensatz dazu gibt es bei den Grünen einen eher weiblichen Überhang bei der Besetzung der einflussreichen Posten, denn es gibt das Erstzugriffsrecht der Frauen auf Funktionen in der Partei und Bundestagsfraktion. Robert Habecks „Annalena, die Bühne gehört dir" ist die konsequente Umsetzung dieser Parteidoktrin. Man merkte dem Co-Grünen-Chef das körperliche Unbehagen geradezu an, als er diesen Satz beim virtuellen Parteitag Mitte April in der Alten Malzfabrik in Berlin sprechen musste. In Grünen-Führungszirkeln wurde bundesweit immer wieder auf die politische Unerfahrenheit von Annalena Baerbock verwiesen, Habeck war zumindest schon mal Landesminister. Doch es half alles nichts: Frauenquote und Erstzugriffsrecht machten jede andere Entscheidung politisch unmöglich.