Dass Haustiger total auf Katzenminze abfahren, ist längst bekannt. Nun haben Wissenschaftler herausgefunden, dass die Tiere durch die Pflanze und der nahen japanischen Verwandten Matatabi high werden und die Inhaltsstoffe intuitiv zur Protektion gegen Insektenstiche nutzen.
Schon überraschend, dass Katzen als klassische Fleischfresser, die mit Pflanzenkost absolut nichts am Hut haben, eine solch große Vorliebe für die Katzenminze zeigen. Im fernen Japan war man darauf laut literarischen Belegen bereits vor 300 Jahren aufmerksam geworden. Wobei es sich beim dortigen Lockstoff nicht um Katzenminze, sondern um einen nahen Verwandten gehandelt hatte: Matatabi. Die Pflanzenart ist hierzulande auch als Silberwein bekannt und wird offiziell als Japanischer Strahlengriffel bezeichnet. Um endlich mal das Geheimnis um die seltsame Pflanzen-Präferenz der Tiere zu lüften, haben Wissenschaftler rund um die Biomolekularforscherin Reiko Uenoyama von der Iwate University in Morioka und Prof. Jane L. Hurst von der University of Liverpool ein Experiment durchgeführt, bei dem sie das Verhalten von Haus- und Wildkatzen beim Kontakt mit Matatabi genau untersucht hatten. Unter den Tierchen waren auch Großexemplare wie Jaguar, Luchs und Amurleopard. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden im Januar 2021 im Fachmagazin „Science Advances" veröffentlicht.
Es gab einen hinreichenden Verdacht auf einen speziellen Inhaltsstoff der Pflanze, der als Locksubstanz und Auslöser für die berauschenden Glücksgefühle der Tiere angesehen wurde. Daher extrahierten die Forscherinnen die chemische Verbindung Nepetalactol aus dem Silberwein und verteilten den zur Gruppe der Iridoiden zählende Naturstoff auf Laborfilterpapier.
Katzen wälzen sich rauschartig im Kraut
Obwohl die Iridoiden über einen außenordentlich bitteren Geschmack verfügen und die Pflanzen damit gegen potenzielle Fressfeinde schützen, scherte das die Versuchskatzen kein bisschen. Sie wälzten sich geradezu rauschartig und wie von Sinnen auf dem präparierten Papier und versuchten, das Nepetalactol möglichst über den ganzen Körper zu verteilen. Vergleichbare Reaktionen dürften viele hiesige Katzenbesitzer beim Beobachten ihrer Tiere im heimischen Garten rund um Katzenminze-Büsche gemacht haben, weil diese mit der Substanz Nepetalacton einen engen Verwandten des Nepetalactol enthalten. Fast den gleichen Effekt lässt sich mit diversem, längst auf dem Markt etabliertem Katzenspielzeug erzielen – sofern dieses eine der beiden Substanzen enthält. Die Tiere lecken geradezu närrisch an dem Spielzeug und versuchen, sich den für sie unwiderstehlichen Duft gleichsam einzuverleiben, in dem sie mit ihrem Köper immer wieder darüber rollen.
Dass die beiden Inhaltsstoffe bei Katzen tatsächlich wie Rauschmittel wirken und euphorische Zustände auslösen können, konnten die Wissenschaftler durch Blutuntersuchungen der Versuchstiere bestätigen, da deren Endorphinspiegel, ein wichtiger Bestandteil des körpereigenen Opiodsystems, nach intensivem Kontakt mit Nepetalactol deutlich angestiegen war.
„Wir testeten dazu die Endorphinspiegel vor und nach der Nepetalactol-induzierten Reaktion im Blut der Versuchstiere", so die Forscherinnen. „Auf diese Weise konnten wir bestätigen, dass das Nervensystem aktiviert wird, was für die euphorisierende Reaktion verantwortlich ist." Doch die Wissenschaftler vermuteten, dass die Tiere Katzenminze oder Silberwein nicht nur wegen der Rauschwirkung so lieben, sondern dass sich dahinter auch noch ein ganz praktischer Beweggrund verbergen könnte. „Aufgrund von Hinweisen", so die Forscher, „dass das Nepetalacton der Katzenminze insektenabwehrende Wirkungen besitzt, spekulierten wir, dass sich die Katzen möglicherweise durch Nepetalactol beziehungsweise Nepetalacton vor Parasiten schützen." Um dies zu überprüfen, wurden die Tiere Tests mit Stechmücken unterzogen. Dabei zeigte sich, dass die Plagemeister deutlich mehr Abstand zu Katzen hielten, die zuvor mit Nepetalactol eingerieben worden waren, als zu Vergleichstieren, die die schützende Substanz nicht erhalten hatten. „Aus diesen Ergebnissen schließen wir, dass die Reaktion der Katzen auf die Iridoid-Substanzen mit einer chemischen Abwehr gegen Moskitos verknüpft ist und vielleicht auch gegen andere parasitäre Insekten", so die Forscher. Die beiden Substanzen scheinen daher wie sogenannte Repellentien zu wirken, bei denen es sich um Stoffe handelt, die zur Abwehr von Schädlingen dienen. Dieser natürliche Insektenschutz scheint bei Katzen ein stammesgeschichtlich uraltes Verhalten widerzuspiegeln. Laut den Wissenschaftlerinnen könnte er künftig auch von Menschen genutzt werden, indem auf Basis der beiden Pflanzen-Inhaltsstoffe neue Produkte zur Mückenabwehr entwickelt werden könnten.