Um den Schutz junger Menschen geltend zu machen, hat die Uno bereits vor mehr als 30 Jahren eine Konvention zu den Rechten des Kindes verabschiedet. Wie handhaben die einzelnen Länder die Selbstverpflichtung zu deren Wahrung?
Am 20. November 1989, dem 30. Jahrestag der Erklärung der Rechte des Kindes, unterzeichnete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention (Resolution 44/25). Am 2. September 1990 trat sie in Kraft. Sie ist das wichtigste internationale Menschenrechtsinstrumentarium für Kinder und das meist unterzeichnete Abkommen der Welt. Zwar haben alle Staaten – mit Ausnahme der USA – die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, dennoch mangelt es international an praktischer Umsetzung.
Dem Ausschuss für die Rechte des Kindes (Committee on the Rights of the Child) – bestehend aus 18 unabhängigen Experten – obliegt die Kontrolle über die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Er prüft die Staatenberichte der einzelnen Länder. Zu jedem Staatenbericht gibt es abschließende Bemerkungen des Fachausschusses. Dieser kritisiert die Einhaltung der Kinderkonvention über alle Länder hinweg.
Seit 2013 veröffentlicht die internationale Stiftung ihren jährlichen „Kids Rights"-Index über die Einhaltung der Kinderrechte. Grundlage dafür sind UN-Statistiken zur Kindersterblichkeit, Lebenserwartung, statistische Erfassungen von Bildung, Gesundheit und Schutz von Kindern und die gesellschaftliche Durchsetzung der Kinderrechtskonvention. Im Einzelnen geht es um die Zuordnung des Kindes zu beiden Elternteilen, um menschliche Identität genauso wie um das grundsätzliche Bedürfnis nach physischem Schutz, Recht auf Nahrung, allgemein-staatlich finanzierte Bildung, ein funktionierendes Gesundheitswesen und ein angemessenes Strafrecht, das der potenziellen Entwicklung des Kindes nicht schadet. Darüber hinaus wird sowohl die Gleichheit bei Einhaltung der Bürgerrechte überwacht als auch das Ausmaß an Diskriminierung, und zwar auf der Grundlage von Abstammung, sexueller Orientierung, Nationalität, Religion, Hautfarbe, Ethnie und anderer Faktoren.
Der Report 2021 sieht Handlungsbedarf, sichtbar durch eine Beurteilung über das Ausmaß der Covid-Auswirkung bei Kindern (Covid Rights Impact Assessment). Regierungen sollten sich für die mentale Gesundheit und Bildung von Kindern und Jugendlichen einsetzen, genauso wie für eine stabile Wirtschaft in Form einer Nach-Covid-Krisenpolitik. Zur Anwendung und sinnvollem Wirken hat das UN-Komitee für Kinderrechte ein Rahmenwerk erschaffen, das Kinderrechte umsetzbar macht und Richtungen vorgibt.
Ein negativer Trend ist das Fehlen digitaler Rechte für Kinder: Weniger als die Hälfte der Bevölkerung in 71 Ländern hat Zugang zum Internet, unter 25 Prozent in Afrika und asiatischen Ländern. Marc Dullaert, Gründer der Kinderrechtsstiftung Kids Rights Foundation, bemängelt den freien Zugang zu einem sicheren und offenen Internet zur Informationsbeschaffung. Um dieses Recht geltend zu machen, rief er den „State of Youth" aus, eine internationale Plattform für 13- bis 24-Jährige, die es erlaubt, Themen wie Klima und andere Zukunftsthemen öffentlich zu diskutieren.
Von drei Schulkindern wird mindestens eines von der Möglichkeit des Fernunterrichts ausgeschlossen. Die Unesco hat zudem festgestellt, dass als Ergebnis der Pandemie mehr als 100 Millionen zusätzliche Kinder unter den Schnitt ausreichender Lese- und Schreibfähigkeit fallen.
Der „Kids Rights"-Report beklagt außerdem einen Zuwachs an häuslicher Gewalt. Zusätzliche 142 Millionen Kinder sind durch die Pandemie gegenüber materieller Verarmung und sozialer Unversehrtheit schutzlos geworden. Ein Armutsbericht der Unicef und der International Labour Organization gibt an, dass jeder Prozentpunkt in Kinderarmut einen 0,7-prozentigen Anstieg bei Kinderarbeit nach sich zieht.
Beschämendes Bild der höher entwickelten Länder
370 Millionen Kinder weltweit haben nicht einmal regelmäßige Versorgung durch Schulmahlzeiten. Vor allem betroffen davon sind Kinder in ganz Lateinamerika und der Karibik, wo 80 Millionen Kinder ohne eine Schulmahlzeit leben müssen. Doch auch für Europa sieht der Report einen großen Handlungsbedarf im Zuge der Pandemie.
Der „Kids Rights"-Index 2021 zeigt, dass kein Land genügend budgetierte Verteilung zur Umsetzung von Kinderrechten betreibt. Im Vergleich zu 2020 hat kein einziges Land in dem Bereich „Verteilungsgerechtigkeit" gepunktet. Im Durchschnitt schneiden Industrieländer sogar schlechter als Entwicklungsländer ab. Auf der Dimension des Wohlstandindikators, dem Human Development Index (HDI), zeigen Thailand, Lettland und Kasachstan eine bessere Entwicklung als Nationen wie China, Hongkong, das Vereinigte Königreich, Australien und Neuseeland, was die Priorisierung von Kinderrechten angeht. Zum Beispiel liegt Australien auf Platz Nummer acht in Sachen HDI, aber nur auf Platz 135 im „Kids Rights"-Index. Der afrikanische Kontinent bekommt mit einer Steigerung von 0,5 Prozentpunkten die höchste Auszeichnung bei der Schaffung von besseren Bedingungen in Sachen Kinderrechte. Man kann allgemein feststellen, dass es den ökonomisch besser gestellten Ländern im Verhältnis zu ihrem Reichtum am wenigsten gelingt, etwas für die Verwirklichung von Kinderrechten zu tun.
Auch Rassismus ist ein Negativindikator für die Wahrung von Kinderrechten. Trotz der „Black Lives Matter"-Bewegung in den USA fallen Österreich und Ungarn in ihrer Tendenz zunehmender rassistischer Diskriminierung tiefer. Damit sind sie nicht alleine, denn weitere 60 Prozent aller Länder befinden sich auf ihrem Tiefststand.
Bei so viel Schatten gab es einige wenige Lichtblicke im Zeichen der Wahrung von Kinderrechten: Schottland wird als erstes entwickeltes Land die UN Convention on the Rights of the Child in seiner Verfassung verankern. Die schottische Regierung hat mit einigen Sofort-Hilfsmaßnahmen auf die Pandemie reagiert und ist einzigartig in der Anwendung von Folgenabschätzungen für Kinderrechte bei allen Gesetzgebungsvorhaben, die sich auch nur entfernt auf das Kindeswohl beziehen. Bangladesch hat trotz weitverbreiteter Armut eine Initiative für heimischen Unterricht durch die Einbindung des nationalen Fernsehens auf den Weg gebracht. Sowohl Belgien als auch Schweden haben dafür gesorgt, dass die Schulen so lange wie möglich während der Pandemie offen bleiben konnten.
Dennoch, es ist ein beschämendes Bild, das die entwickelten Länder im Rahmen ihrer Möglichkeiten abgeben, wenn es hochentwickelte Länder wie Deutschland oder die USA es nicht einmal schaffen, die Verankerung von Kinderrechten in ihren Verfassungen voranzutreiben, Letztere das UN-Abkommen zu deren Wahrung sogar nicht einmal unterzeichnet haben. Außerdem gibt es neue Gefahren für Kinder wie Cybermobbing oder den Klimawandel, unter denen Kinder besonders stark zu leiden haben. Besonders Kinder benötigen immer ausreichend gesunde Nahrung und sauberes Trinkwasser. Mit anderen Worten: Es geht in der Zukunft weiterhin um einen Verteilungsstreit, der längst unter Erwachsenen stattfindet, aber immer schon kindisch geführt wird.