Beim Radeln zwischen Elbe und Rhein kann man derzeit Störche und ihre Familien besuchen. Die Fahrradtour „Adebar“ führt vorbei an der größten Kolonie dieser Vögel in Mitteleuropa – die liegt in Rühstädt.
Rund 100.000 Kilometer Radwege mit 568 Themenrouten listet der Radroutenplaner Deutschland auf. Zwischen April und August stehen die Chancen fast überall gut, auf einer Tour den bei uns beheimateten Weißstorch zu beobachten. Lange galten ja Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt als die „Storchenländer“. Inzwischen melden Bayern, Thüringen und Teile Nordrhein-Westfalens Höchstzahlen für Brutpaare, bundesweit zwischen 6.000 und 6.500, so das Bundesamt für Naturschutz.
Seit Jahrhunderten fasziniert der Storch die Menschen in Europa. In den Ländern, in denen er nicht nur durchzieht, sondern auch brütet, gilt er als „Kinderbringer“ und Glückssymbol. Er taucht als „Meister Adebar“ in Märchen und Fabeln auf. Die aus dem Germanischen kommende „Auda“ und „bera“ bedeuten Glück oder Heil sowie „tragen“ oder „gebären“. Derzeit ist er aber mit der Aufzucht der eigenen Jungen beschäftigt. Wer mehr darüber erfahren will, findet in Storchenmuseen und -pflegestationen viel Wissenswertes über die Vögel, die auf allen fünf Kontinenten beheimatet sind. Zudem erlauben Webcams interessante Einblicke in die Kinderstube von Familie Adebar, die man aufgrund der speziellen Nestbauweise so sonst nicht bekäme.
Wissenswertes im Storchenmuseum und Pflegestation
Die vom Nabu Brandenburg konzipierte „Adebar“-Tour ist rund 27 Kilometer lang und dauert etwa eine Stunde und 40 Minuten. Sie beginnt in Bad Wilsnack, mitten im Unesco-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe, der letzten naturnahen Flusslandschaft in Mitteleuropa. Mit der Bahn Anreisende können sich im historischen „Bahnhofs-Quartier“ im Bistro stärken oder auch ein Rad ausleihen. Proviant für unterwegs ist im Supermarkt gleich am Bahnhof erhältlich. Unbedingt auch Mülltüten einpacken, die werden unterwegs noch gebraucht. Über Dr. Wilhelm-Külz-Straße, Töpferstraße, Große Straße und Wittenberger Straße geht es auf der L11 nach Groß Lüben. Wer mit Kindern unterwegs ist, kann an der Dorfkirche eine kurze Rast machen und den rechts daneben befindlichen Storchenhorst beobachten. Da kommen auch zum ersten Mal die Mülltüten zum Einsatz. Die Dörfer im Biosphärenreservat sind blitzsauber, haben aber leider keine Mülleimer.
Am Knotenpunkt 44 biegt man ab in Richtung Rühstädt. Auf der L11 führt der Weg nach links über grüne Wiesen und goldgelbe Felder bis zur KAP Straße 1 und kreuzt das Flüsschen Karthane, hinter dem die KAP Straße 2 beginnt. Eine gute Gelegenheit, den Blick schweifen zu lassen und die frische Luft in tiefen Zügen zu genießen. Nach gut einer halben Stunde ist Rühstädt erreicht. Seit 1996 trägt der Ort als einziger in Deutschland den Titel „Europäisches Storchendorf“, es ist damit eines von insgesamt neun in Europa. Hinein geht es über Roggbergstraße und Rühstädter Dorfstraße zur evangelischen Kirche. Es lohnt sich, unterwegs vom Rad zu steigen und den Blick auf die Dächer des Ortes zu richten. Nahezu jedes hat einen Storchenhorst, der bewohnt ist. Mehr als 30 Paare werden jedes Jahr gezählt, in diesem Jahr waren es 26. Bei der Beringung wurden 37 Jungstörche gezählt. Im Juli machen sie ihre ersten Flugversuche, bevor sie sich im August mit ihren Eltern auf die lange Reise nach Afrika begeben.
In diesem Jahr wurden 26 Paare gezählt
Gegenüber der Kirche befindet sich das ehemalige Schloss, heute ein Wellnesshotel. Im „Landhotel Storchenkrug“ gleich daneben kann aufkommender Hunger gestillt werden, serviert wird regionale Brandenburger Küche. Es gibt auch Zimmer zum Übernachten. Am „Landhotel“ vorbei führt der Weg zum Infozentrum des Storchenclubs Rühstädt. Er wurde 1990 als erster Fremdenverkehrsverein in der Prignitz gegründet und setzt sich für den aktiven Storchenschutz ein. Im Storchenhaus zeigt eine kleine Ausstellung Tierpräparate heimischer Wildtiere. Mit etwas Glück kann man auf der Tour einige von ihnen wie den Seeadler, den Biber und den Fischotter in freier Natur erleben. Während der Storchensaison gibt es eine Liveübertragung aus einem Storchennest. Hinter dem Haus ragt der imposante Storchenturm empor – natürlich mit Storchennest auf dem Dach. Meister Adebar muss sich das beliebte Fotomotiv aber mit ein paar Schleiereulen teilen, die dort auch brüten. Auf der anderen Seite rechts neben dem Schloss bietet der „Walter Fritze Storchenblick“ am Alten Speicher einen weiten Blick über die Dächer mit Storchennestern. Aktuell werden wieder Storchenführungen durch das Dorf angeboten, mittwochs und freitags ab 14 Uhr, samstags ab 11 Uhr. Start ist am Nabu-Besucherzentrum Rühstädt. Auch dort gibt es zwei Nester, die per Webcam beobachtet werden können.
Das vom Land Brandenburg geförderte Besucherzentrum bietet vielfältige Informationen zur Natur des Unesco-Biosphärenreservates „Flusslandschaft Elbe – Brandenburg“ und zum Europäischen Storchendorf. In der Ausstellung „Weltenbummler Adebar“ darf selbst ausprobiert und entdeckt werden. Es gibt einen Besuchershop mit Souvenirs und regionalen Produkten sowie heiße und kalte Getränke. Dort kann man auch seine Mülltüten entsorgen.
Von Rühstädt geht es auf dem Elberadweg nach Gnevsdorf. Am Knotenpunkt 42 am Gnevsdorfer Wehr fließen Elbe und Havel zusammen. Es lohnt ein kurzer Abstieg vom Rad, um den grandiosen Blick über die Landschaft zu genießen. Da wird klar, warum die Elbauen zum Unesco-Weltnaturerbe gehören. Familien mit Kindern werden am Wehr sowieso halten müssen, um die dort weidenden Schafe anzugucken. Oder die zahlreichen Vögel, die sich auf den Überflutungsflächen der Elbe zum Rasten niederlassen.
Die Elbauen gehören zum Weltnaturerbe
Richtung Abbendorf sollte man kurz den Weg auf dem Deich verlassen, weil der stellenweise geschottert ist. In Abbendorf am Knotenpunkt 41 links abbiegen in Richtung Legde/Quitzöbel. Es gibt mehrere Möglichkeiten: über die Abbendorfer Dorfstraße und KAP Straße 1, über Ziegelei oder die Havelländer Straße. Alle drei führen vorbei an alten Kulturlandschaften, wo man den Blick und die Gedanken einfach mal in die Ferne schweifen lassen kann. Oder den Bahnen der Störche folgt, die nach Regenwürmern und Mäusen suchen. Ab Legde geht es dann weiter auf der L10 oder der KAP Straße 1 wieder über Wiesen und Felder bis zum Endpunkt der Tour in Bad Wilsnack. Wer Zeit und Badesachen mitgebracht hat, kann den Tag in der Kristall Therme ausklingen lassen. Derzeit ist kein Testnachweis nötig.