In seiner Autobiografie „Duschen und Zähneputzen – Was im Leben wirklich zählt" schildert Schauspieler Robert Atzorn sein bewegtes Leben. Seine Frau Angelika hat vier Kapitel zu dem Buch beigetragen. Beide sind am 9. September beim Lesefest HomBuch zu Gast.
Herr Atzorn, in Ihrem Buch schreiben Sie erstaunlich offen über die Höhen und Tiefen in Ihrem Leben. Benötigten Sie dafür Mut?
Robert Atzorn: Mut erforderte es für mich nicht, ehrlich zu erzählen, was war. Ich finde es wichtig mitzuteilen, dass der Beruf eines Schauspielers nicht nur von positiven Erlebnissen gepflastert ist. Gerade wenn irgendwann der Erfolg da ist, ist es interessant den Weg aufzuzeigen, der dazu nötig war. Das geht sicherlich auch vielen anderen Menschen so. Zumindest bei mir waren die ersten Jahre sehr schwierig. Erfolg zeigte sich in keinster Weise. Und wenn man daran denkt, wie viele Schauspieler arbeitslos sind und Zweitjobs annehmen müssen, um zu überleben, dann sieht das ganze Mediengetue um einige Schauspieler schon etwas anders aus.
Sie sprechen über Ihre Kindheit in der Nachkriegszeit, von strengen Regeln, Einsamkeit und einem schwierigen Verhältnis zu Ihren Eltern. Wie blicken Sie heute, als 75-Jähriger, darauf zurück?
Robert Atzorn: Sowohl meine Frau als auch ich empfinden große Wärme unseren Eltern gegenüber. Sie waren durch den Zweiten Weltkrieg traumatisiert und mit dem Wiederaufbau ihres eigenen Lebens beschäftigt. Natürlich sind wir als Kinder oftmals zu kurz gekommen, was Verständnis und Hinwendung betrifft, aber daraus kann man keinen Vorwurf herleiten. Es ging einfach nicht anders. Die Elterngeneration hat ihr Bestes getan und dafür bin ich dankbar.
Sie trafen ihre spätere Frau im Jahr 1973 an den Städtischen Bühnen Dortmund, wo sie beide engagiert waren. „Die starke Körperlichkeit von Angelika zog mich magnetisch an", beschreiben Sie, Herr Atzorn, die Anfänge Ihrer Beziehung. Ist das auch heute, 48 Jahre danach, noch so?
Robert Atzorn: Der durchtrainierte Körper einer Tänzerin war für mich berauschend, da ich selber mehr an Roth-Händle-Zigaretten und Bier interessiert war. Für Sport habe ich mich damals nie begeistern können. Die Lust an einem funktionierenden Körper entwickelte sich erst im Zusammensein mit Angelika. Ich begann, Joggen zu lieben. Heute ist sie Yogalehrerin mit bewundernswerter Beweglichkeit – und ich versuche mitzuhalten. Sie verblüfft mich immer wieder mit neuen Übungen, welche bei ihr phänomenal aussehen und bei mir eher – sagen wir mal – mittelmäßig. Insofern ist die Anziehungskraft geblieben!
Sie sind nun seit 45 Jahren verheiratet. Was ist Ihnen – außer dem Duschen und Zähneputzen – in Ihrer Beziehung wichtig?
Angelika Atzorn: Diese Frage beantworten wir beide gleich, denn da decken sich unsere Ansprüche: Vertrauen, Verbundenheit, Offenheit, Ehrlichkeit, Treue, Kommunikation, Loyalität, Unterstützung, Humor, Kompromissbereitschaft und Spiritualität. Letztlich sind tiefe Liebe und Freundschaft das Fundament unserer Verbindung.
1976, Ihr erster gemeinsamer Urlaub auf Wangerooge: „Ein kleines Zimmer, frische Brise, Krabbenbrot mit Spiegelei, endlose Spaziergänge, Lebensfreude, ausgiebige Liebesnächte." – und dann der Heiratsantrag, den Sie, Frau Atzorn, gleich annahmen. Sie waren sich sicher, dass dies der Mann ist, mit dem Sie den Rest Ihres Lebens verbringen möchten?
Angelika Atzorn: Ja, das spürt man, das fühlt man einfach. Dieses Gefühl hatte ich vorher nie. Es war zutiefste Intuition. Nie zuvor hatte ich so viel Nähe gespürt, so viel Verständnis, so viel Übereinstimmung wie mit Robert. Man könnte es Seelenverwandtschaft nennen. Außerdem glaubte ich an das Potenzial meines zukünftigen Mannes – und ich behielt recht.
Der Regisseur Ingmar Bergmann, mit dem Ihr Mann 1980 seinen ersten Film drehte, sagte zu Ihnen: „Du hast einen Fehler gemacht. Du hättest zuerst Karriere machen sollen, dann die Kinder bekommen. Du hast großes Talent, aber mit zwei Kindern, das ist schwierig." Sehen Sie das im Nachhinein auch so?
Angelika Atzorn: Meine damalige Entscheidung war richtig. Auch heute würde ich meinem Herzen eher folgen als meinem Verstand. Erst Karriere, dann die Kinder, das kann man machen, aber für mich hätte das nicht gestimmt. Alles hat seine Zeit. Als der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt auftauchte, war mir klar, was zu tun ist.
Ihr Mann beschreibt Sie als „weibliches Genie", weil Sie handwerklich begabter sind als er. Was sind seine Stärken?
Angelika Atzorn: Ich bin wahrlich kein Genie, aber ich habe mit handwerklichen Dingen keine Berührungsängste, da ich mit drei Brüdern aufgewachsen bin und bei uns vieles selbst repariert wurde. Handwerker wurden nur im Notfall gerufen. Robert hatte sich mit diesen Dingen kaum beschäftigt, also gab es für ihn viel Neues zu lernen und zu entdecken. Heute sind wir auf Augenhöhe, und es macht ihm sogar Spaß. Er repariert fast alles. Aber seine wirklichen Stärken liegen auf künstlerischen Gebieten: Er zeichnet, er schreibt, leider spielt er nicht mehr.
Herr Atzorn, einem größeren Publikum bekannt wurden Sie durch die Hauptrollen in den TV-Serien „Oh Gott, Herr Pfarrer" und „Unser Lehrer Dr. Specht". Als Hamburger Tatort-Kommissar zählten Sie zu der prominenten Fernsehschauspielriege hierzulande. Wie hat sich Ihr Leben dadurch geändert?
Robert Atzorn: Für mich persönlich eigentlich gar nicht. Sicher wurde ich bekannter, aber in meinem Herzen bin ich der Alte geblieben: bodenständig, dankbar und herzlich allen Menschen gegenüber. Mein Weg war zu holprig und das vergisst man nicht. Ich habe mehr erreicht, als ich je zu hoffen wagte, und so bleibt eine Bescheidenheit dem Leben gegenüber.
Frau Atzorn, eines der vier Kapitel, die Sie geschrieben haben, trägt den Titel „Es ist grandios, mit einem Schauspieler zu leben." Ist es das wirklich?
Robert Atzorn: Dieser Titel ist natürlich ironisch gemeint, und es war nicht immer leicht – wie alles im Leben. Aber ich muss gestehen, ich hatte ein sehr buntes, abwechslungsreiches, lebendiges und spannendes Leben.
Und doch haben Sie, Herr Atzorn, 2017 der Theaterbühne und dem Fernsehen den Rücken gekehrt. Was war der Grund dafür?
Robert Atzorn: Der Stress vor der Kamera, der lange Jahre beflügelnd war, wurde für mich zu einer Belastung. Ich mochte mich selbst nicht mehr im TV sehen. Der österreichische Schauspieler Fritz Kortner hat einmal diesen treffenden Satz gesagt: „Ich genüge meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr." Besser kann ich es nicht formulieren.
Ihr gemeinsames Buch erzählt nicht nur von spannenden Begegnungen, großen Erfolgen sowie Rückschlägen und Ängsten, sondern enthält auch jede Menge Aussagen, die den Leser zur Selbstreflexion einladen, zum Beispiel „Jedem Ende wohnt ein Zauber inne." oder „Misserfolge sind die größten Chancen zum Lernen!". Welche „Lehrsätze" haben Sie Ihren beiden Söhnen mitgegeben?
Angelika Atzorn: Bleibt euch selber treu! Habt Respekt vor dem Leben.
Robert Atzorn: Kann ich nur schwer beantworten, denn wir haben unzählige Gespräche geführt. Sie müssten die Söhne fragen, ob etwas von den sogenannten Werten hängengeblieben ist. Vielleicht: Vertraut auf eure Intuition! Hört auf euer Herz!