Halbschwergewichtler Alexander Lorch steht vor seinem fünften Profi-Boxkampf. In der Saarbrücker Scharnhorsthalle will er seinen ersten internationalen Titel gewinnen. Ein unverhoffter Anruf aus Florida übermittelte ihm die Offerte.
Zuerst durchdringt sein Blick die gegnerische Deckung, dann, im Idealfall, seine Faust. Boxer Alexander Lorch will auch in seinem fünften Profikampf überlegt vorgehen, um am Ende wieder die Nase vorn zu haben. Die bisherigen vier Kämpfe hat der 25-Jährige aus Dudweiler gewonnen – zwei davon durch K.o. Am 18. September will er im Hauptkampf der zweiten „Fightnight" in der Saarbrücker Scharnhorsthalle nachlegen und sich den ersten Titel als Profi sichern, den International-Titel des vor zwei Jahren gegründeten Verbandes World Boxing League (WBL).
„Das wird auf jeden Fall hart"
Auf wen er dabei treffen wird, weiß Alex Lorch noch nicht. Es ist ihm auch nach wie vor egal: „Ich richte mich ja nie nach meinen Gegnern und schaue nur auf mich. Meine Leistung ist das einzige, was ich beeinflussen kann", lautet das Credo des Halbschwergewichtlers. „Ich stehe mit drei Boxern in Verhandlungen, der heißeste Kandidat ist zurzeit Jürgen Manger", sagt sein Vater, Manager und Trainer Uwe Lorch. Der erste Titelkampf seines Sohnes ist auch dessen erster Kampf über acht Runden. „Das ist doppelt so lange wie ich es gewohnt bin und wird auf jeden Fall hart", weiß Lorch junior, der deshalb in der Vorbereitung einen Schwerpunkt auf das Ausdauertraining legte. Das bedeutet: längere Läufe, längere Sparrings, härteres Krafttraining, halt „alles doppelt so lang und doppelt so hart", gibt er einen Einblick und erklärt: „Die ersten Wochen waren brutal, aber man gewöhnt sich daran. Wenn die Luft im Sparring für zwölf bis 15 Runden reicht, sind das im Kampf gerade einmal acht. Man kann das nicht vergleichen, die Wettkampfsituation lässt sich nicht nachstellen."
Normalerweise werden zur Erleichterung des Übergangs von vier auf acht erst einmal Kämpfe über sechs Runden absolviert. „Aber so ein gutes Angebot wie das der WBL bekommt man nicht jeden Tag. Deswegen habe ich es ohne zu Zögern angenommen", sagt er und gibt zu: „Als der Anruf kam, dachte ich, es sei ein Fake." Die Nummer des Absenders konnte er nicht zuordnen. Sie stammte aus Florida, wo die WBL ihren Hauptsitz hat. „Das war schon ein bisschen crazy. Normalerweise bin ich noch in der Aufbauphase. Aber weil ich bisher nicht nur gegen Fallobst geboxt, sondern mich gegen erfahrene Gegner bewiesen habe, hat sich mein Name wohl herumgesprochen", erklärt sich Alex Lorch das Interesse aus den Vereinigten Staaten und ergänzt: „Da fühlt man sich in seinem Tun bestätigt." Sein Nachname ist Kennern der Szene nicht erst seit Alex ein Begriff. Vater Uwe war schon Deutscher Meister im Cruisergewicht und ist seit Jahren als internationaler Ringrichter aktiv. Sein Netzwerk war bei der Vermittlung des WBL-Kampfes sicher nicht hinderlich.
Seinem eher taktischen, abwartenden und technisch geprägten Boxstil kommt die längere Kampfdauer allerdings eher zugute. Vorausgesetzt, Alex Lorch wird vorher nicht empfindlich getroffen. „Ein Vier-Runden-Kampf ist schnell vorbei. Bei acht Runden gibt es anfangs eine Abtast-Phase, in der man den Gegner ausgucken kann. Und das liegt mir", weiß Lorch, der nach einem Sieg zu den besten 200 Halbschwergewichtlern der Welt zählt. Sein nächster Schritt soll ihn 2022 zur WBL-Europameisterschaft führen. „Aber das ist Zukunftsmusik. Letztes Jahr hatten wir auch einen Plan, da hätte ich im Dezember um die Junioren-Weltmeisterschaft boxen sollen", sagt er und ergänzt: „Das war im Lockdown dann plötzlich hinfällig und ist jetzt nicht mehr möglich, weil ich inzwischen zu alt bin."
Kreatives Training war erforderlich
Im Gegensatz zu seinem Alter kann Alex Lorch wenigstens sein Urlaubsziel kurzfristig ändern. Mitte August weilte er schon zusammen mit seiner Freundin in Belgien, brach die zur Erholung gedachte Reise allerdings wegen schlechten Wetters vorzeitig ab. „Die ersten beiden Tage waren superschön, aber von heute auf morgen fiel die Temperatur von 25 auf zwölf Grad ab und es regnete ständig. Bevor ich mich noch erkälte und zurückgeworfen werde, sind wir lieber wieder heimgefahren", erklärt Lorch, der als Elektriker im öffentlichen Dienst arbeitet. Glücklicherweise fand das junge Paar kurzfristigen Ersatz und konnte „last minute" fünf Tage Mallorca buchen, „um vor der entscheidenden Phase vor dem Kampf noch einmal Sonne und Kraft zu tanken. Bei 35 Grad!", wie er betont. Zwar war er auch in Mallorca täglich joggen, doch darüber hinaus ruhte die Vorbereitung weitestgehend. Seit seiner Rückkehr ist wieder „Vollgas" angesagt. So, wie vor dem Urlaub. Die Corona-Pandemie machte es dem Profi 2021 nämlich nicht mehr so schwer wie noch vor einem Jahr: „Zwar war Training anfangs nicht so möglich, wie ich es gewohnt war, aber dadurch, dass keine Veranstaltungen mit Zuschauern stattfinden konnten, hatten wir ja auch kein Ziel vor Augen", berichtet er und erklärt: „Wie bei anderen Sportarten auch, konnten diejenigen mit viel Geld, die also nicht auf Zuschauereinnahmen angewiesen sind, früher weitermachen. Uns fehlte hingegen die Haupteinnahmequelle." Mit kreativem Training an der frischen Luft und im eigenen, kleinen Fitnessstudio hielt sich Alex Lorch aber auch in den zähesten Monaten der Pandemie fit. Hilfreich war und ist dabei die vollständige Impfung gegen Covid-19, die Alex Lorch bereits im Frühsommer erhalten hatte. „Ich habe die erstmögliche Gelegenheit genutzt, aber, ehrlich gesagt, nicht aus Angst vor der Krankheit. Ich bin kein Risikopatient und die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs ist bei mir sehr klein. Mit der Impfung kann ich aber befreiter leben und arbeiten." Darüber hinaus wollte er mit seinem Impfschutz auch dazu beitragen, andere vor einer Infektion zu schützen.
Dem Fortschritt bei den Impfungen ist es auch zu verdanken, dass endlich wieder Zuschauer zu Sportveranstaltungen in Hallen zugelassen werden. 250 dürfen bei dem Event in der Scharnhorsthalle dabei sein. Alex Lorch würde sich freuen, wenn sie alle bis zum Schluss durchhalten würden. Für ihn ist das lange Warten auf den eigenen Kampf kein Problem: „Wenn ich in die mentale Phase komme, ist mir egal, ob ich den ersten oder letzten Kampf des Tages habe. Aber die Zuschauer geben umso mehr Gas, je später der Abend ist", weiß er. Bei Laune gehalten werden die saarländischen Boxfans von Gastauftritten der Sängerinnen Vanessa Calcagno, die für Lorch die deutsche Nationalhymne singen wird, und Lisa Werle. Darüber hinaus werden „Jumpingfitness-Manu" und ihre Schützlinge eine Trampolin-Showeinlage darbieten. „Die werden auf ‚Eye Of The Tiger‘ total abgehen", ist sich Alex Lorch sicher. Gleiches will auch er tun – aber auf seine taktische Art und Weise. Direkt nach seinem Einlauflied „Hier kommt Alex" von den Toten Hosen. •