Die Folgen bleiben spürbar: Viele Unternehmen leiden weiter unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Damit sich Unternehmen nicht alleingelassen fühlen und in die Insolvenz geraten, arbeiten im Saarland IHK, Handwerkskammer und Banken Hand in Hand – bis jetzt einzigartig in Deutschland.
err Wappler, warum braucht es das Projekt „KMU runder Tisch" für kleine und mittlere Unternehmen?
Viele Kleinbetriebe mit bis zu 15 Mitarbeitern sind früh in der Pandemie in wirtschaftliche Nöte geraten und laufen Gefahr in Insolvenz zu gehen. Trotz vielfacher Hilfsangebote fehlt häufig eine zentrale Anlaufstelle, die den Betrieben im Einzelfall mit Rat und Tat zur Seite steht. Daher haben wir das Projekt in Zusammenarbeit mit den saarländischen Volksbanken und Sparkassen, der Handwerkskammer und dem Wirtschaftsministerium ins Leben gerufen. Die IHK betreut das Projekt mit zwei Projektberatern. Wir unterstützen dabei jeden, nicht nur IHK-Mitglieder. Obwohl die Insolvenzzahlen bis jetzt nicht signifikant gestiegen sind, möchte die IHK gut vorbereitet sein.
Herr Metz, schildern Sie bitte mal ein Beispiel, wie sie konkret helfen konnten.
Metz: Der Handel war durch die Krise besonders stark betroffen, die Bestimmungen zum Beantragen der Corona- Hilfen änderten sich meist sehr kurzfristig – das überforderte einerseits viele Unternehmer, andererseits musste der antragstellende Steuerberater viele Anträge neu stellen beziehungsweise ändern. Es gab viele Unternehmen, die durch die Raster fielen. Ein Einzelhändler hat sich zum Beispiel an uns gewendet, weil er als verbundenes Unternehmen nicht antragsberechtigt war. Das Unternehmen bat die IHK um Prüfung der Sachlage, der Steuerberater hat hierzu noch ergänzende Informationen geliefert. Das war aber nicht alles. Im Gespräch mit dem Geschäftsführer haben wir festgestellt, dass er noch weitere Dinge verbessern kann: die Außendarstellung seines Unternehmens sowie die Modernisierung seiner Ausstellungsräume. Anschließend wurde ein individuelles Konzept erstellt. Die Sachlage und das Konzept wurden im Gremium ausführlich erörtert, mit dem Ergebnis, dass die wirtschaftlichen Aussichten und das Gesamtkonzept gut seien. Die Hausbank hat daraufhin in Aussicht gestellt, die Beantragung der notwendigen finanziellen Mittel schnellstmöglich zu prüfen und zu bearbeiten.
Wappler: Der Fall macht deutlich: Je frühzeitiger sich ein Unternehmen an uns wendet, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Wichtig zu wissen aber ist, wir sind keine Unternehmensberater, sondern leiten nur den Prozess zur Existenzsicherung ein. Ist eine weiterführende Beratung notwendig, besteht die Möglichkeit über ein Beratungsprogramm der Bafa, mit 90-prozentiger Kostenübernahme einen externen zertifizierten Unternehmensberater hinzuzuziehen. Deutschlandweit einzigartig aber ist, dass wir in unserem Gremium die Vertreter der Sparkassen, Volksbanken und des Ministeriums mit am Tisch sitzen haben. Dies beschleunigt den Entscheidungsprozess, insbesondere wenn zusätzliches Geld benötigt wird. Sei es durch ein Darlehen der Hausbank oder aus Mitteln der Saarländischen Investitions- und Kreditbank beziehungsweise der KfW.
In welchen Fällen können Sie nicht helfen?
Wappler: Das sind vor allem Antragsteller, die sich zu spät mit uns in Verbindung setzten und bei denen offensichtlich eine Überschuldung vorliegt. Hier bleibt dann vielfach nur noch der Verweis auf eine geordnete Insolvenz. Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise das Ende des Betriebes, sondern unter Umständen die Chance auf einen Neuanfang.
Metz: Ein Gremiumsmitglied ist Fachanwalt für Insolvenzrecht, mit langjähriger Berufserfahrung, damit auch in diesem Bereich von den Unternehmern keine Fehler gemacht werden. Dabei holen wir, bevor wir ein Insolvenzverfahren anraten, die Meinung des Gremiums ein.
Aus welchen Branchen kommen derzeit die meisten Antragsteller?
Wappler: Meistens Soloselbstständige, Hotellerie und Gastronomie sowie Einzelhandel, also all diejenigen Branchen, die in der Corona-Krise besonders stark leiden mussten.
Was erwarten Sie in den kommenden Monaten, da nun das Insolvenzrecht wieder voll in Kraft getreten ist?
Wappler: Unser Projekt wird sicher im Herbst und Winter noch einmal Zulauf erfahren. Das hängt davon ab, wie sich im Einzelhandel, in der Veranstaltungsbranche und in der Gastronomie das Weihnachtsgeschäft entwickelt. Dies ist die umsatzstärkste Zeit und damit wegweisend für die wirtschaftliche Entwicklung der Branche im kommenden Jahr. Darüber hinaus laufen zum Jahresende die Überbrückungshilfen aus. Wir rechnen daher zu Beginn des Jahres mit weiter steigenden Fallzahlen.
Die Kreativbranche wünscht sich ein Fortdauern der finanziellen Hilfen bis ins Jahr 2022 – ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Wappler: Das ist eine politische Entscheidung, aber sicher eine berechtige Forderung. Vor allem in kleinen Betrieben der Kreativbranche ist die Liquiditätsreserve sehr gering. Im Veranstaltungsbereich wird es sicher noch dauern, bis ein Normalbetrieb wieder möglich ist.
Sich als Unternehmer einzugestehen, alleine nicht mehr weiterzukommen, ist sicher schwierig. Wie hoch sind die Hürden hier?
Metz: Zum einen haben wir eine zentrale Telefonnummer – 0681-9520220 – zum anderen kann das Unternehmen per Mail mit uns in Kontakt treten. Im nächsten Schritt muss sich das Unternehmen mit Namen, Adresse und Kontaktdaten auf unserer Internetseite www.rundertisch-saarland.de registrieren. Nach Bestätigung der Angaben und Kenntnisnahme der datenschutzrechtlichen Vorschriften wird der Fall dem Projektleiter direkt zugewiesen, der sich mit dem Antragsteller in Verbindung setzt. Der Antragsteller kann sich jederzeit sicher sein, dass seine Angaben und Informationen absolut diskret behandelt werden. Zusätzlich gibt es eine Checkliste, die gewährleistet, dass wir schnell alle erforderlichen Unterlagen zusammenhaben. Ein rasches Einreichen der Unterlagen führt zu einer raschen Hilfe.
Wappler: Wichtig ist vor allem Vertrauen aufzubauen, dazu ist es notwendig die Unternehmer, die in Schwierigkeiten geraten sind, persönlich kennenzulernen. Es geht zunächst darum zu klären, wo die eigentlichen Probleme liegen. Dazu gehören neben betriebswirtschaftlichen Faktoren vielfach auch mentale Ursachen. Unser Ziel ist es, die Passivität in aktives Handeln umzuwandeln. Hinter den Kunden liegt meistens schon ein langer Leidensweg. Dies geht manchmal so weit, dass aus Angst die Eingangspost nicht mehr geöffnet wird.
Was wäre Ihr Rat an diejenigen Betriebe, die in Schwierigkeiten stecken?
Wappler: Trauen Sie sich, und nehmen Sie den Hörer in die Hand. Einfach anrufen und mal Hallo sagen. Das können wir den Unternehmern nicht abnehmen. Gerade weil sich in diesen Fällen oft so viele Fragezeichen auftun, bekommt man auf diese Art und Weise sofort ein Gefühl für die Problemstellung. Das Internet liefert zwar wichtige Grundinformationen, aber nichts kann den persönlichen Kontakt ersetzen.
Metz: Die Angst, sich zu offenbaren, ist uns wohl bewusst. Dazu haben wir die nötige Lebens- und Berufserfahrung mit kleinen und mittelständischen Betrieben. Diese Angst können wir den Unternehmern in diesem ersten Telefonat meistens nehmen.
Wappler: Unser Vorteil ist, dass wir die Situation unvoreingenommen und neutral bewerten können. Dadurch ist unser Blick auf das Problem unverstellt. Wir versuchen die Kunden zu motivieren und ins strukturierte Abarbeiten der Problemstellungen zu bringen. Da ist viel Mitmachen vonseiten der Unternehmen gefragt. Aber auch denjenigen, denen wir am Ende nur ein Insolvenzverfahren anraten konnten, haben sich bei uns vielfach bedankt, weil sie wieder Licht am Ende des Tunnels sehen.