Es war und ist weiter eine Zitterpartie: Während Ford kräftig in seiner Kölner Deutschland-Zentrale in die Elektrifizierung investiert, bangen 5.000 Ford-Mitarbeiter und 2.000 Zulieferer in Saarlouis um ihre Jobs. Was aus dem Werk wird, soll erst im Sommer 2022 entschieden werden.
Jim Farley gilt als ungeduldiger, zielstrebiger Typ. Der Autonarr ist seit 2020 neuer CEO der Ford Motor Company und damit verantwortlich für den Umbau eines regelrechten Nachzüglers in der Elektrifizierung des Individualverkehrs. Mit anderen Worten: Der 118 Jahre alte Detroiter Autokonzern hat den Trend verschlafen. Beim Antritt seiner neuer Position im Herbst 2020 formulierte Farley vier Ziele: So plant Ford, das Automobilgeschäft stark umzukrempeln, seine Qualität zu verbessern, die Kosten zu senken und die Umstrukturierung von schlecht laufenden Unternehmensbereichen zu beschleunigen. Dafür hat Farley bereits große Teile seines Führungsstabes ausgewechselt.
Gleichzeitig will Ford wachsen, um mehr Kapital, Ressourcen und Talente für die stärksten Unternehmensbereiche bereitstellen zu können. Außerdem plant Ford sein Nutzfahrzeuggeschäft, den führenden Unternehmensbereich, um eine Reihe von Softwarediensten zu erweitern, um die Kundenloyalität zu fördern und wiederkehrende Einnahmequellen zu erschließen.
Elektrifizierung verschlafen
Auch die Elektrifizierung stellt selbstverständlich einen neuen Grundpfeiler dar, Ford investiert dort insgesamt 30 Milliarden Dollar, muss an anderer Stelle aber auch sparen. Werke wurden geschlossen, andere, wie das im spanischen Valencia und im saarländischen Saarlouis, gegeneinander in Stellung gebracht: Ford Deutschland muss eine Marge von sechs Prozent erbringen. Davon hängt auch das Überleben der Werke ab. Aber ist das saarländische Ford-Werk dafür gut aufgestellt, angesichts von Produktionsausfällen durch Corona und den aktuellen Halbleitermangel in der Branche? Die knapp 4.000 Angestellten und Gewerkschafter von Ford mit Unterstützern aus Politik und Wirtschaft, die kürzlich für den Erhalt des Saarlouiser Werkes demonstrierten, sind jedenfalls davon überzeugt.
„Wir haben einen hohen Anteil von Facharbeitern im Saarland im Autobau", zählt der Betriebsratsvorsitzende des Ford-Werkes, Markus Thal, auf, „wir arbeiten in hoher Qualität, sind hochflexibel, und das bereits über 50 Jahre hinweg. Deshalb hat Ford auch eine Verantwortung gegenüber der Belegschaft." Dass der Konzern beide Werke gegeneinander ausspielt, wie die IG Metall im Saarland sagt, sei nicht tragbar.
Das Werk in Saarlouis, so teilt die Presseabteilung von Ford Europe in Köln in dürren Worten mit, sei ein wichtiger Pfeiler für das Europageschäft, mehr habe man derzeit nicht zu sagen. Motivierend klingt das nicht, die Nachrichten sind zwiespältig: 2017 pumpte Ford 600 Millionen Euro in das Saarlouiser Werk – für den Ford Focus, der dort auch als Electric-Modell vom Band rollte, damals noch eine Entscheidung in Verantwortung von Ex-Ford-Chef Jim Hackett. Im gleichen Jahr stoppte Ford jedoch den Bau des elektrischen Modells wegen geringer Nachfrage und importiert ihn seither aus den USA. Im Herbst 2020 wurde bekannt, dass der Konzern sein Werk in Köln-Niehl zum elektromobilen Kompetenzzentrum umbauen will. Für Saarlouis gilt eine Zusage für den Focus bis 2025 bei gleichzeitigem Jobabbau. Danach – Schweigen aus der Firmenzentrale. Bis 2026 sollen laut Unternehmensplan alle verkauften Ford-Modelle entweder elektrisch oder als Plug-in-Hybrid fahren, bis 2030 sollen in Europa nur noch rein elektrische Fahrzeuge fahren.
Wohin dies führen kann in einem Werk, das zwar die Kompetenzen, aber nicht die dafür notwendigen Investitionen erhält, ist für viele der Demonstranten schon jetzt ersichtlich. Fast 2.500 Arbeitsplätze hat Ford seit 2018 in Saarlouis sozialverträglich abgebaut, eine Schicht und ein Modell gestrichen. Und die Unternehmensleitung fordert weiter Zusagen des Arbeitsplatzabbaus und der Flexibilisierung. „Aber für das, was wir an Zusagen erbringen sollen, gibt es seitens der Führung nur ein ‚Vielleicht‘", kritisiert Markus Thal.
Derweil soll das Werk in Valencia auf das Verbauen von Hybrid- und Batteriemotoren umgerüstet werden. Ab Ende 2022 soll dort ein Hybrid-Triebwerk gebaut werden, das in drei verschiedenen Fahrzeugmodellen zum Einsatz kommt, 5,2 Millionen Euro zusätzlich sollen die Batteriemontage des spanischen Werks stärken. Nach Werksschließung klingt das nicht.
Auch das rumänische Werk in Craiova hat bereits eine Zusage für ein elektrisches Nutzfahrzeugmodell ab 2023 erhalten, dafür investiert Ford 300 Millionen Dollar – kein Wunder, im Gegensatz zu Deutschland gilt Rumänien als Billiglohnland. Geld für eine eigene Plattform für E-Automobile aber gibt Ford zunächst nicht aus. Stattdessen bezieht der Konzern sie über eine Kooperation von Volkswagen.
7.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel
Gerade weil die Zukunft für andere EU-Werke gesichert scheint, sei nun die Zeit, die Öffentlichkeit für das Saarlouiser Werk zu mobilisieren, sagt Lars Desgranges von der IG Metall. „Mit den 5.000 Arbeitsplätzen in Saarlouis stehen auch die Arbeitsplätze von 2.000 Zulieferern auf dem Spiel." Rund um das Ford-Werk haben sich Supplier angesiedelt, die Einzel- und vorgefertigte Bauteile an das Hauptwerk liefern, und zwar auf dem kürzestmöglichen Transportweg. Ein geschlossenes Werk bedeute auch für die meisten von ihnen das Aus. Müssten sie sich neue Abnehmer für ihre Teile in Europa suchen, erfordere dies eine deutlich aufwendigere Logistik. In einer Branche, in der um Margen mit harten Bandagen gekämpft wird, kein leichtes Unterfangen.
Deshalb hoffen die Angestellten und Gewerkschafter nun auch auf die Politik. Heiko Maas, Bundesaußenminister und Bundestagskandidat der SPD im Landkreis Saarlouis, habe bereits mit Jim Farley über Saarlouis gesprochen. Das sagte Maas anlässlich der jüngsten Demo. Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister und Kandidat der CDU, versprach sogar finanzielle Hilfen des Bundes, falls Ford seine Batteriezellenproduktion nach Deutschland bringen sollte. Noch übernimmt Volkswagen auch diese Produktion. „Am Ende", so beschreibt Heiko Maas seinen Eindruck nach dem Gespräch mit dem neuen Ford-CEO, „läuft es auf eine Entscheidung zwischen Valencia und Saarlouis hinaus, wo ein zusätzliches E-Auto-Modell produziert wird".
Angesichts der Investitionen, die Ford bereits anderswo und bis jetzt nicht in Saarlouis getätigt hat, erscheint diese Entscheidung schon fast als getroffen. „Das ist das Endspiel", schwor Betriebsratschef Markus Thal die Belegschaft auf die kommenden Monate ein. Er kritisierte die Geschäftsführung des Konzerns, die jahrelang Fehlentscheidungen getroffen habe, weil Ford als letzter der großen Autokonzerne auf den E-Mobilitäts-Zug aufsprang. „Wir müssen wie eine Festung zusammenstehen, um unsere Arbeit, unsere Stadt, unser Land zu verteidigen." Die Gespräche hinter den Kulissen, auf politischer, auf Betriebsratsebene mit der Konzernleitung gehen weiter, ob, wie und mit welchen Technologien in Saarlouis weitergearbeitet werden kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch in Saarlouis.