Technisch entwickeln sich Videospiele stetig weiter. Richtig gute Geschichten haben sie aber auch schon vor mehr als 30 Jahren erzählt. Diese sechs Adventures von damals beweisen das eindrücklich.
Heutige Spiele sind nicht selten bombastische, grafische Meisterwerke, die mehr von einem interaktiven Film denn von einem Spiel haben. Doch bei aller grafischer Opulenz und immer größerem Realismusgrad kranken viele moderne Spiele an dem Fehlen einer guten Geschichte. In den späten 80er- und frühen 90er-Jahren steckte die Computergrafik noch in den Kinderschuhen. Damalige Spiele wirken aus heutiger Sicht grafisch wie das Werk eines Erstklässlers. Doch dafür hatten Spiele der damaligen Zeit meist weitaus mehr erzählerischen Tiefgang als heutige. Insbesondere sogenannte Point’n’Click-Adventures waren so etwas wie ein spielbarer Abenteuerroman. Nicht selten strotzten sie vor bissigem Humor und boten zahlreiche – zum Teil extrem knackige – Rätsel und gaben der Welt der Computerspiele einen wichtigen Anschub.
Reichlich Rätselspaß und jede Menge Humor
Point’n’Click-Adventures gehören zu den ältesten Genres der Spielewelt. Seit Mitte der 80er-Jahre klicken und rätseln sich Fans bereits durch bizarre Fieberwelten, Sci-Fi-Dramen und klassische Rittergeschichten. Hunderte dieser Spiele sind in den vergangenen vier Dekaden erschienen. Sechs ganz besonders gute Adventures – echte Klassiker – sind heute noch genauso spielenswert wie damals. Und die beste Nachricht: Es gibt sie alle auch in überarbeiteten Versionen für heutige Computer, sodass man keine Angst haben muss, sofort Augenkrebs zu bekommen, wenn man sie startet. Grafisch aufgehübscht machen sie auch heute noch verdammt viel Spaß.
Das Spiel „Day of the Tentacle" ist von vorne bis hinten ausgesprochen bizarr: Drei Freunde reisen in Dixie-Toiletten durch die Zeit und müssen ein lila Tentakel aufhalten, das nach einem Chemie-Unfall plötzlich zwei kleine Ärmchen und den starken Wunsch hat, die Welt zu unterjochen. Präsentiert wird diese absurde Geschichte in einer Fiebertraum-Ästhetik voller unmöglicher Architekturelemente, schiefer Winkel und gekrümmter Innenräume. Was sich völlig irre anhört, ist tatsächlich ein Riesenspaß und ein Meilenstein in der Spielegeschichte. Genau dieser Mix macht „Day of the Tentacle" zu einem echten Klassiker seines Genres. Denn obwohl die Geschichte auf den ersten Blick vollkommen bizarr wirkt, entspinnt sie sich doch zu einem spannenden Zeitreise-Abenteuer mit fordernden, aber niemals unfairen Rätseln. Und mal ehrlich: Wann kann man sonst mit einem Baustellenklo ins 18. Jahrhundert reisen und die amerikanischen Gründerväter bei ihrer Arbeit beobachten? „Day of The Tentacle" mag zwar zunächst geradezu abschreckend bizarr wirken. Hinter der Fiebertraum-Fassade verbirgt sich aber ein wirklich humorvoller Zeitvertreib.
„Hinter dir, ein dreiköpfiger Affe!" Dieser seltsame Ausruf stammt aus einem echten Adventure-Klassiker: „The Secret of Monkey Island" ist ein humorvolles Abenteuer über den jungen Guybrush Threepwood, der sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich ein Pirat zu werden. Spieler helfen ihm bei seiner Mission und erleben auf dieser Reise Dutzende, wirklich lustige Momente. Aber auch den einen oder anderen spannenden Showdown, denn ganz ohne Zombie-Bösewicht geht es auch in dieser ungewöhnlichen Piratengeschichte nicht. Wie viel Spaß „The Secret of Monkey Island" wirklich macht, beweist sein Ruf unter den Fans: Trotz seiner mittlerweile mehr als 30 Jahre auf dem Buckel gehört das liebevoll gestaltete Adventure zu den bekanntesten und beliebtesten Point’n’Click-Titeln überhaupt. Deutlicher kann man „Spielempfehlung" nicht mehr buchstabieren. Es bietet eine detailverliebte Pixelgrafik, einen Ohrwurm-Soundtrack – und einen tollpatschigen Piraten in Ausbildung. Mit diesen Zutaten zauberte Lucasfilm Games 1990 ein unterhaltsames Adventure, das bis heute nichts von seinem Charme verloren hat und seinesgleichen sucht.
Indiana Jones ist neben Lara Croft wohl der bekannteste Archäologe der Welt. Aber tatsächlich peitschte sich der belesene Draufgänger in der Vergangenheit nicht nur durch Hollywood-Filme, sondern auch durch pixelige Spielwelten: „Indiana Jones and The Last Crusade" erschien 1989 und ist das erste Point’n’Click-Adventure von Lucasfilm Games. Ein damals wirklich gelungenes Debüt, das den Archäologen auf die Suche nach seinem Vater und dem Heiligen Gral schickt. Zwar erzählt das Spiel in Grundzügen die gleiche Geschichte wie der im selben Jahr erschienene Kinofilm. Doch immer wieder schweift das Spiel von der Filmvorlage ab. Dutzende Rätsel warten, außerdem eine der wohl schönsten und aufwendigsten Intro-Sequenzen des gesamten Genres. Allein dafür lohnt sich das Reinspielen! Viel Humor, viele Rätsel, darunter einige echte Kopfnüsse und wunderschöne Pixellandschaften zeichnen diesen Klassiker bis heute aus.
Auch in „The Dig" geht es um Archäologie. Allerdings stöbern Spieler hier nicht durch alte Ruinen und Wüstenlandschaften, sondern auf der Oberfläche eines Meteoriten. Der saust direkt auf die Erde zu. Ein kleines Expeditionsteam soll den gefährlichen Gesteinsbrocken sprengen und stößt dabei auf eine überraschende Entdeckung. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, denn „The Dig" ist am spannendsten, wenn man nicht allzu viel über das Spiel weiß. Ursprünglich sollte zeitgleich zum Release des Spiels 1995 auch ein gleichnamiger Kinofilm veröffentlicht werden, dessen Budget dann allerdings zugunsten der Entwicklung am Spiel gestrichen wurde. Spannend dabei: Star-Regisseur Steven Spielberg war als kreativer Impulsgeber Teil des Entwicklerteams von „The Dig". Das Adventure inszeniert mitten im Weltraum ein spannendes Kammertheater, in dem fünf Forscherinnen und Forscher die Hauptrolle spielen. Wendungsreich, dramatisch – und hin und wieder ausgesprochen knifflig.
Kammertheater mitten im Weltall
Unverhofft zur Weltrettung kommt in unserem nächsten Spieletipp der junge Simon. Eigentlich ist die namensgebende Hauptfigur in „Simon the Sorcerer", ein ganz normaler Jugendlicher, der eines Tages aber dank eines magischen Buchs plötzlich in einer Fantasywelt strandet. Mit erstaunlich viel Humor erträgt Simon seine neue Rolle als Zauberer, der nun dem Oberbösewicht Sordid das Handwerk legen muss. So schwer und episch dieser Stoff auch klingt, so bizarr und abstrus sind viele der Bewohner in dieser Welt: Da begegnen dem Spieler schon einmal sozialistische Holzwürmer mit Ambitionen zur Revolution, ein streikender Brückentroll und eine Prinzessin in Schweinsgestalt. Humor wird in diesem Adventure aus dem Jahr 1993 groß geschrieben und macht „Simon the Sorcerer" auch heute noch zu einem sehr kurzweiligen Abenteuer.
Das Spiel „Myst" ist in dieser Reihe von Empfehlungen ein Sonderling. Es ist kein klassisches Point’n’Click-Adventure, sondern vielmehr ein globales Abenteuer. „Myst" wird aus der Ego-Perspektive und in einer dreidimensionalen Spielwelt erlebt. Spieler blicken auf statistische Szenerien, in denen einzelne Interaktionspunkte entdeckt werden müssen, die dann neue Szenen freilegen. Was ein wenig trocken klingt, verfehlt aber bis heute seine Wirkung nicht. „Myst" kommt einem Mystery-Thriller gleich, der in einer bizarr-surrealen Welt eine spannende Geschichte erzählt. Statt Humor wartet hier der ein oder andere schaurige Gruselmoment in den verwinkelten 3D-Szenen.
Der Klassiker war seinerzeit übrigens eines der ersten auf CD-ROM veröffentlichten Spiele. Die Grafik war für damalige Verhältnisse sensationell. Zugegeben: „Myst" ist nicht unbedingt ein besonders zugängliches Spiel, belohnt aber Hartnäckige mit einer unheimlichen Geschichte, die in einer surreal anmutenden Welt spielt. Die für das Genre untypische Ego-Perspektive, die ungewöhnlichen Klangwelten des Soundtracks und die fordernden Umgebungsrätsel sind allesamt Gründe, diesen Klassiker auch heute noch nachzuholen.