Mehr Technik und mehr Geld: Das Hochwasser vom 14. und 15. Juli stand auf der Agenda der jüngsten Konferenz der Umweltminister. Sie fordern unter anderem, dass der Bund eine Pflichtversicherung prüft. Auch Künstliche Intelligenz könnte helfen, das Phänomen vorherzusagen.
Es wird teuer, sagt die Versicherungsbranche. Der weltweit drittgrößte Rückversicherer Hannover Rück rechnet nach der Hochwasserkatastrophe in Deutschland mit deutlich steigenden Preisen für Rückversicherungsschutz. „Das Jahr 2021 wird nach den schrecklichen Unwetterkatastrophen im Juni und Juli eines der schadenträchtigsten Jahre auf dem deutschen Markt werden“, so der Chef der deutschen Hannover-Rück-Tochter E+S Rück, Michael Pickel. Nach den Schäden durch die Pandemie erforderten die jüngsten Unwetterschäden, die Niedrigzinsen und die steigenden Preise im Baugewerbe eine spürbare Erhöhung der Rückversicherungspreise.
Die Flutkatastrophe im Juli habe allein in Deutschland zu versicherten Schäden von deutlich mehr als acht Milliarden Euro geführt, hieß es. Hinzu kämen mehrere Hagel- und Starkregenereignisse. Insgesamt gehe die E+S Rück daher von spürbaren Anpassungen bei Preisen und Konditionen vor allem bei Naturkatastrophendeckungen aus.
Deshalb forderten die deutschen Umweltminister auf ihrer jüngsten Konferenz eine Pflichtversicherung – erneut. Sie könnte Preise niedrig halten und soll nun vom Bund geprüft werden. Erfolgreich waren die Vorstöße in Richtung einer Elementarschadenversicherung für alle Haushalte, wie in der Schweiz beispielsweise üblich, in Deutschland bislang nicht. „Wir müssen, darin waren wir uns einig, das Bauordnungs- und Bauplanungsrecht sowie die Städtebauförderung an die Herausforderungen des Hochwasserschutzes und Klimawandels anpassen. Hochwasserangepasstes Planen und Bauen muss stärker im Fokus stehen“, so der saarländische Umweltminister Reinhold Jost (SPD).
Eine wichtige Forderung der Ministerkonferenz sei auch, eine bundeseinheitlich gesetzliche Regelung „zur uneingeschränkten Veröffentlichung der Starkregengefahrenkarten“. Darin könne jeder Anwohner individuelle Risiken für seinen Wohnbereich erkennen und für weitere Sicherungsschritte nutzen. Denn Eigenvorsorge bilde einen wichtigen Baustein des Hochwasserschutzes, so die Minister.
Experten prüfen an Hochwasser angepasstes Bauen
Sachsen-Anhalts Umweltminister Armin Willingmann möchte dortige Städte und Gemeinden deshalb in den kommenden Jahren noch stärker bei Hochwasserschutz-Vorhaben sowie beim Starkregenrisikomanagement unterstützen: „Beim Hochwasserschutz müssen wir mehr denn je auch die kleinen Gewässer in den Blick nehmen.“ Auch beim Hochwasser in Westdeutschland waren es vor allem die kleineren Nebenbäche und -flüsse, die zu reißenden Strömen anschwollen. So könnten beispielsweise Pegel, die zuvor nur bei Gewässern auf Landesebene den Wasserstand messen, auf Gewässer in kommunaler Verantwortung, sprich kleinere Bäche, ausgeweitet werden.
Wie aber kann man beim Wiederaufbau in den Katastrophengebieten an der Ahr und verschiedenen Flüssen in Nordrhein-Westfalen die Siedlungs- und Infrastrukturen an künftige Starkregen und Hochwasser anpassen, um Schäden und Opfer zu verringern? Dies untersucht nun ein Team unter der Leitung des Raumplaners Prof. Jörn Birkmann von der Universität Stuttgart und des Experten für Wasserwirtschaft Prof. Holger Schüttrumpf von der RWTH Aachen.
„Wir wollen zum Beispiel prüfen, wie man über die gesetzlich festgelegten Überschwemmungszonen hinaus hochwasserangepasste Siedlungs- und Infrastrukturen strategisch fördern kann. Dazu gehört die Frage, wie und wo man Wassermassen ableiten kann, damit diese eben nicht zu zahlreichen Opfern und massiven Schäden führen wie 2021“, erklärt Jörn Birkmann. Dies könne unter anderem durch Notwasserwege oder die gezielte Ableitung von Starkregen auf Sportplätze oder Freiflächen in Städten und Dörfern geschehen. Zudem soll untersucht werden, welche Haushalte vom Fluss wegziehen möchten und ob es in den jeweiligen Orten Wohnstandorte gibt, die eine höhere Sicherheit gegenüber Extremereignissen bieten. Dabei geht es auch um besondere Verwundbarkeiten, etwa von Kindern. So sollten einstöckige Schulbauten in Flussnähe beispielsweise vermieden werden.
Die Hochwasser an Ahr und Erft haben jedoch zusätzlich gezeigt, dass Vorwarnsysteme, seien es analoge Sirenen oder digitale Vorhersagesysteme, Zeit kaufen können. Schon heute könnte Künstliche Intelligenz durch maschinelles Lernen Starkregenzellen genauer voraussagen – mit einer Vorwarnzeit von 30 bis 60 Minuten. Testsysteme des Bochumer Forschungsprojektes „25square“ stehen bereits in mehreren deutschen Städten und Gemeinden. Das Problem: Starkregenereignisse sind örtlich selten. Das Projekt „Deep Rain“ am Forschungszentrum Jülich soll herausfinden, ob aufgrund der vergleichsweise geringen Datenmenge überhaupt eine valide Vorhersage durch stationäre Sensoren und Messstationen und eine trainierte Künstliche Intelligenz möglich ist. Auch Googles KI-Projekt Deepmind arbeitet in London daran. Falls es funktioniert, könnte die Technologie künftig Leben retten.