Der spezielle Corona-Modus und eine starke Gruppe machten die Titelverteidigung als Deutscher Kunstturn-Meister sehr schwer. Wenigstens wurde mit einem entscheidenden Sieg der Klassenverbleib gesichert.
Vor einem Jahr wurde die TG Saar deutscher Kunstturn-Meister, in der Saison 2021 musste sie sich im „Abstiegs-Halbfinale" den Klassenverbleib sichern. Erst nach dem souveränen 50:32-Erfolg gegen Eintracht Frankfurt am 20. November vor etwa 200 Zuschauern in der Dillinger Kreissporthalle war klar, dass der amtierende Meister nicht ins Duell um den Abstieg muss. An fünf von sechs Geräten behielten die favorisierten Saarländer die Oberhand. Im Finale um die deutsche Meisterschaft treffen am 4. Dezember in Neu-Ulm der TuS Vinnhorst (51:13 gegen Siegerländer KV) und der TV Wetzgau (35:27 bei KTV Straubenhardt) aufeinander. Zuvor turnen Straubenhardt und Siegerland Platz drei aus.
„Die Saison war gar nicht so verkehrt", findet der TG-Vorsitzende Thorsten Michels, „wir wussten vorher schon, dass es schwer werden würde, sich für das Halbfinale um die Meisterschaft zu qualifizieren. Die Jungs haben das gebracht, was wir von ihnen erwartet hatten. Daher ist das in einer solchen Übergangs-Saison für uns kein Beinbruch". Vor allem der Verlust von Weltklasse-Mehrkämpfer Oleg Verniaiev, der die Saarländer 2020 zur vierten Deutschen Meisterschaft der Vereinsgeschichte führte, wog schwer. Der 27-jährige Ukrainer steht unter Dopingverdacht und wurde im Sommer vom Schiedsgericht des Internationalen Turnverbands (FIG) für vier Jahre gesperrt, wogegen er Einspruch eingelegt hatte. „Wir als Verein distanzieren uns ganz klar von jeglicher Art unlauteren Wettbewerbs und Doping. Deshalb ist Oleg nicht mehr Mitglied unseres Kaders. Das gilt so lange, bis er beweisen kann, dass er in dieser Geschichte unschuldig ist", stellt Thorsten Michels klar. Der Meistertitel 2020 ist durch die Dopingsperre nicht in Gefahr.
„Die Saison war nicht so verkehrt"
Nach einem deutlichen 60:18-Sieg über den StTV Singen musste die TG am zweiten Wettkampftag der Bundesliga-Gruppe B beim TV Wetzgau antreten. Der Vorjahres-Finalgegner der Saarländer stand nach einer knappen 22:29- Niederlage gegen den selbst ernannten Titelfavorit TuS Vinnhorst schon mit dem Rücken zur Wand und musste gewinnen, um seine Halbfinal-Chance zu wahren. Und so kam es auch. Der Titelverteidiger unterlag Wetzgau mit 27:44. Das Ziel, möglichst fehlerfrei zu turnen, gelang den Saarländern dabei nicht. Gleich in der ersten Übung am Boden stürzte Waldemar Eichhorn auf seiner Schlussbahn. „Der Sieg für Wetzgau ist verdient", stellte Thorsten Michels nach dem Wettkampf klar. Trotzdem wollte er seiner Mannschaft „ein Kompliment aussprechen. Sie hat sich nicht aufgegeben und bis zur letzten Übung gekämpft". Bemerkenswert: Ausgerechnet die erst 16-jährigen TG-Talente Maxim Kovalenko und Daniel Mousichidis blieben bei ihren Übungen fehlerfrei. Um doch noch ins Halbfinale einzuziehen, hätte die TG sehr deutlich mit mindestens 9:3 Gerätepunkten gegen Vinnhorst gewinnen müssen. Aber dies gelang nicht. Der Heimkampf ging mit 26:43 (4:8 Gerätepunkte) verloren und statt des Halbfinals um die deutsche Meisterschaft stand das „Abstiegs-Halbfinale" gegen Eintracht Frankfurt, den Vierten der Gruppe A, auf dem Plan.
„Wir haben gegen Wetzgau einfach keinen guten Tag erwischt. Vinnhorst war dann einfach zu stark. Bei uns hätte alles reibungslos laufen müssen, um die nötigen Gerätepunkte sammeln zu können", sagte Michels nach dem Wettkampf. „Trotzdem haben die Jungs sehr gut gekämpft und sich bis zum Schluss nicht aufgegeben", lobte Trainer Eugen Spiridonov. Der 39-Jährige half angesichts der knappen Personaldecke gegen Vinnhorst sogar selbst mit. Kovalenko und Mousichidis fehlten aufgrund eines Lehrgangs mit der Junioren-Nationalmannschaft und so sprang Spiridonov, genannt „Mister Zuverlässig", ein. Doch weder der Routinier noch der russische TG-Star Nikita Nagorny, mit insgesamt 50 Scorerpunkten der beste Einzelturner der Gruppenphase, konnten die Niederlage verhindern. Nagorny, Mannschafts-Olympiasieger von Tokio, merkte man die hohe Belastung gegen Ende der zweiten Corona-Saison in Folge an. „Für die Topathleten war es eine harte Saison. In diesem Jahr fanden ja auch die Europameisterschaften, die Olympischen Spiele und die Weltmeisterschaften statt", erklärt Michels, „gerade Nikita war nach seiner Goldmedaille und zwei Bronzemedaillen bei Olympia ständig zu Ehrungen und Empfängen eingeladen und hat deshalb das Trainingspensum reduziert."
Verein will stark auf den Nachwuchs setzen
Das soll nächstes Jahr wieder anders sein. Über die Topathleten hinaus rücken dann wieder die 16-jährigen Eigengewächse Maxim Kovalenko und Daniel Mousichidis, aber auch Nicklas Sprengart immer weiter in den Fokus. Nach Topleistungen in der Zweitligamannschaft der TG wurde der 22-Jährige mit der Berufung in den Bundesligakader belohnt und sammelte wertvolle Einsatzzeit. „Er hat seine Chance genutzt, sich zu empfehlen", attestiert Michels. Ohnehin sieht er bei den Nachwuchskräften des Vereins „sehr viel Potenzial". Der Verein verfolge „ganz bewusst" die Strategie, eigene Talente für die Bundesliga auszubilden: „Wir haben als einziger Verein in Deutschland zusätzlich zur Bundesligamannschaft auch noch eine Nachwuchs-Bundesligamannschaft und eine Zweitligamannschaft", betont Michels und erklärt: „Wir wollen unsere jungen Turner über die Wettkampfschiene bis in den Kader der Ersten Mannschaft bringen und so den Bestand im Turnen auf Jahrzehnte hin aufrechterhalten." Der Grundstein hierfür wurde mit dem Sichern des Klassenverbleibs gegen Frankfurt gelegt. Dadurch, dass die TG beim 50:32-Sieg schon an den ersten Geräten einen deutlichen Vorsprung erarbeitet hatte, konnten neue Übungen eingebaut und erneut die jüngeren Turner eingesetzt werden, während Nationalturner Felix Remuta geschont wurde.
Die starke Nachwuchsriege der TG Saar verspricht Steigerungspotenzial. Ob dies schon in der nächsten Saison zum Tragen kommt, bleibt abzuwarten. „Ursprünglich sollte es 2022 wieder zurück zur Normalität gehen, also in den regulären Modus ohne Gruppenphase", sagt Thorsten Michels und hofft auf eine Saison, in der wieder jeder gegen jeden turnt. Bei einer Bundesliga mit acht Vereinen, von denen sich die ersten vier für die Finalrunde qualifizieren, sei die Finalteilnahme am Ende des Jahres „durchaus im machbaren Bereich", findet der TG-Vorsitzende und merkt an: „Wenn es nicht das große Finale wird, dann eben das um die Bronzemedaille. Wir wollen jedenfalls nächste Saison wieder voll angreifen."