„150 Jahre Lyonel Feininger" – das ist in den vergangenen Monaten mit verschiedensten Veranstaltungen gefeiert worden. Dem am 17. Juli 1871 in New York geborenen Künstler ist in Quedlinburg ein eigenes Museum gewidmet.
Er lebte in vielen deutschen Städten – darunter in Hamburg und Berlin, in Weimar, Erfurt und Dessau. Von dort unternahm Lyonel Feininger, meist mit dem Fahrrad, Malausflüge nach Thüringen, Brandenburg und an die Ostseeküste. Besonders häufig findet man Motive aus der Region um Halle und von der Insel Usedom in seinen Werken. Auch im Harz war er öfter unterwegs. So dienten der Ort Braunlage und dessen Umgebung als Inspiration für einige seiner Werke.
In Quedlinburg allerdings war Feininger nie. Dennoch ist hier die Lyonel-Feininger-Galerie zu Hause, das einzige Museum weltweit, das sich ausschließlich dem Werk des berühmten Bauhauskünstlers widmet. Zu verdanken ist das dem Quedlinburger Architekten und Kunstsammler Hermann Klumpp (1902–1987). Der hatte als junger Mann selbst am Bauhaus in Dessau studiert und sich dabei mit Feininger und dessen Familie angefreundet, war dort häufig zu Gast. Als Feininger und seine jüdische Frau 1937 vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen mussten, ließen sie bei ihm mehr als 60 Gemälde und über 1.000 weitere Arbeiten zurück.
Flucht 1937 vor den Nationalsozialisten
Klumpp versteckte die von den Nazis als „entartet" geschmähten Werke vor deren Zugriff. Im Gegensatz zu vielen anderen Werken Feiningers überlebte die Klumppsche Sammlung die Jahre der Naziherrschaft unbeschadet. Unklar blieb aber, ob Feininger seine Bilder Klumpp geschenkt oder lediglich zur Aufbewahrung überlassen hatte. Lyonel Feininger jedenfalls forderte keines seiner Werke nach Kriegsende zurück und seine Frau Julia schrieb Klumpp lediglich einen Brief, in dem sie acht Bilder namentlich nannte, die sie „eventuell später" zurückhaben wollte.
Nach Julia Feiningers Tod im Jahr 1970 – Lyonel Feininger war bereits 1956 gestorben – meldeten die Hinterbliebenen ihre Ansprüche an. Erst dadurch wurde den DDR-Behörden bewusst, welch wertvoller Kunstschatz sich auf ihrem Staatsgebiet befand. Die Sammlung wurde umgehend in „Sicherungsverwahrung" genommen und dem Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR unterstellt. Die nun folgenden Verhandlungen zwischen den Anwälten der Kinder auf der einen, und Klumpp beziehungsweise den DDR-Behörden auf der anderen Seite zogen sich lange hin. In dieser Zeit entstanden bei den zuständigen Stellen in der DDR erste Pläne für ein Feininger-Museum.
Die entsprangen allerdings keiner plötzlichen Kunstbegeisterung – Feiningers Werke galten im Arbeiter-und-Bauern-Staat als „bürgerlich, dekadent" – sondern waren taktischer Natur. Mit den Museumsplänen im Hintergrund hofften die DDR-Bürokraten, bei den Verhandlungen mit den Erbenfamilien einen zusätzlichen Trumpf in den Händen zu halten. Schließlich einigten sich die Parteien darauf, dass bis auf zehn Gemälde alle Werke an die Söhne zurückgegeben werden mussten. Alle Arbeiten auf Papier verblieben aber im Besitz Hermann Klumpps, der diese wiederum der 1986 eröffneten Lyonel-Feininger-Galerie zur Verfügung stellte. Sie beherbergt heute die weltweit zweitgrößte Feininger-Sammlung. Lediglich das Harvard Art Museum im amerikanischen Cambridge verfügt über mehr Werke des deutsch-amerikanischen Künstlers.
Feininger-Galerie
Noch bis zum 9. Januar wird in der Quedlinburger Feininger-Galerie anlässlich des Jubiläumsjahres die Sonderausstellung „Becoming Feininger" gezeigt. In chronologischer Reihenfolge wird anhand von 140 Werken das künstlerische Leben des Bauhaus-Meisters nachgezeichnet. Neben der hauseigenen Klumpp-Sammlung ergänzen Bilder aus der Feininger-Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg Halle und Karikaturen aus der Sammlung Armin Rühl die Schau. Ab 10. April konzentriert sich die Galerie dann unter dem Titel „Lyonel Feininger – Meister der Moderne" auf die Schaffensperiode von den 1890er-Jahren bis 1937. Daneben wird die spannende Geschichte der Sammlung selbst zum Thema der Ausstellung. Einige Werke von Feiningers Zeitgenossen Paul Klee, Emil Nolde, Lovis Corinth und Wassily Kandinsky runden die Sammlung ab und geben den Besuchern die Möglichkeit, Feiningers Werk in der Kunstgeschichte des beginnenden 20. Jahrhunderts einzuordnen.
Als 16-Jähriger war der in New York geborene Feininger mit seinen Eltern, die beide erfolgreiche Musiker waren, nach Deutschland gekommen. Eigentlich hatte er in deren Fußstapfen treten wollen, stellte aber bald fest, dass er das größere Talent für die bildende Kunst hatte. Er studierte an der Hamburger Kunstgewerbeschule und dann in Berlin an der Königlichen Akademie der Künste. Bald schon machte er sich einen Namen als Karikaturist. 1901 lobte ihn Georg Hermann in seinem Buch „Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert", als den besten „von den Berliner Zeichnern". Er arbeitete unter anderem für die „Lustigen Blätter" und „Ulk" und verdiente offenbar auch gutes Geld. Trotzdem blieben die satirischen Zeichnungen nur eine Zwischenstation, ab 1905 suchte er neue Wege und widmete sich bald schon der Malerei. Auf der Suche nach Motiven war Feininger viel unterwegs. Besonders die Dörfer und Landschaften Thüringens und entlang der Ostseeküste hatten es ihm angetan. Ansonsten unbekannte Ortschaften wie Gelmeroda, Niedergrunstedt, Possendorf oder Zottelstedt wurden zu Vorlagen für große Kunst. Schon bald zählte Feininger zu einem der bedeutendsten Vertreter der Moderne.
Thüringen und Usedom
Lyonel Feininger war Usedom-Fan. Zwischen 1908 bis 1921, als er seinen Hauptwohnsitz in Berlin hatte, verbrachte er die Sommer auf der Insel. Dabei quartierte er sich bevorzugt in Heringsdorf ein. Manchmal wohnte er aber auch in Benz und Neppermin. Den Namen des letztgenannten Ortes verballhornte der Deutsch-Amerikaner mit Vorliebe zu „Peppermint" oder „Never mind". Seine erste Ankunft auf der Insel hat der Künstler genau dokumentiert. Auf seinem Skizzenblock notierte er am 17. Mai 1908: „Eingekehrt in einer der typischen Villen im Stil der Bäderarchitektur nahe dem Strand" und daneben skizzierte er (s)einen Fuß, der gerade die Heringsdorfer Strandpromenade betritt. Feininger hatte sich schnell in die Insel verliebt, für die nächsten 13 Jahre feierte er dort jedes Jahr am 17. Juli seinen Geburtstag. Feininger war Fahrrad-Fan und so machte er mit seinem Rennrad der Marke Cleveland Ohio unzählige Touren über die Insel. Anders als heute waren Fahrradfahrer zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein exotischer Anblick. Vermutlich zog der piekfein gekleidete Großstädter, der mit seinem Rad über die ungeteerten Wege der Insel fuhr, die neugierigen Blicke der Fischer und Bauern auf sich. Stets war er auf der Suche nach neuen Motiven und entsprechend immer mit seinem Block ausgestattet. Über 1.300 flüchtig hingeworfene Skizzen sind erhalten – manchmal nur aus einigen Bleistiftstrichen bestehend, dann wieder mit Buntstift gezeichnet. Feininger hatte seine Lieblingsorte auf der Insel, zu denen er immer wieder zurückkehrte: Die Benzer Mühle, die Villa Oppenheim in Heringsdorf, das Wasserschloss Mellenthin oder das Seezeichen im heute polnischen Świnoujście/Swinemünde. Ein ganz besonderer Ort war für ihn aber die Kirche von Benz, die zu seinem weltweiten Lieblingsmotiv avancierte. Rund 80 seiner Werke zeigen Usedomer Motive. Den Benzer Kirchturm malte er ein letztes Mal 1955, nur wenige Monate vor seinem Tod.