Die Infrastruktur für Gründer im Saarland ist inzwischen sehr breit aufgestellt, es gibt zahlreiche Förder- und Beratungsangebote. Trotzdem stellt die Kooperationsstelle für Wissenschaft und Arbeitswelt fest, dass es auch noch Verbesserungspotenzial gibt.
Wer hätte nicht gern das nächste Unternehmen wie Biontech, „Made in Saarland"? Start-ups sind in der Wirtschaft in aller Munde, in sie wird viel Hoffnung im allgemeinen Strukturwandel gesetzt. Gerade Neugründungen aus dem Bereich der Hochschule gelten weithin als Chance auf Arbeitsplätze und öffentliche Einnahmen über die Gewerbesteuern. Schließlich betreiben sie den Wissenstransfer von der Lehre in die Wirtschaft. Klar, dass auch die saarländischen Hochschulen mit Unterstützung durch die Landesregierung gründungswillige Studierende fördern möchten. Aber wie erfolgreich ist die saarländische akademische Gründerförderung eigentlich? Was funktioniert gut, und wo gibt es dringenden Nachholbedarf? Welche Gründe haben Hochschulabsolventen, nicht zu gründen? Fragen, die bei genauerer Betrachtung gar nicht so pauschal zu beantworten sind. Gerade weil an vielen Stellen Daten fehlen. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, hat die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt der Universität des Saarlandes, kurz Kowa, seit 2018 zum Thema Ausgründungen an den saarländischen Hochschulen geforscht. Für Luitpold Rampeltshammer, Leiter des Kowa, ist eine „erste Annährung mit der komplexen Thematik" entstanden. Für die Lage im Saarland eine Grundlagen-Publikation, da es bisher keine Studien in ähnlichem Umfang zu dem Bundesland gibt. Tatsächlich untersuchten in Deutschland bisher nur ein paar Universitäten das Gründungsverhalten ihrer Studierenden systematisch, weiß Rampeltshammer.
Gründen interessiert zehn Prozent
Für die Studie „Unternehmensgründungen im Umfeld saarländischer Hochschulen" befragten die Autoren insgesamt über 2.000 Personen: Studierende, die die zahlreichen akademischen Beratungsangebote nutzen, aktive Gründer sowie ehemalige Gründer. Eine wichtige Erkenntnis: Sowohl an der Universität des Saarlandes (UdS) und an der Hochschule für Technik und Wissenschaft (HTW) nutzen zirka zehn Prozent der Studierenden die Angebote zur möglichen Selbstständigkeit, die sie als hilfreich und fachlich kompetent beschreiben. Dabei ist das Interesse nicht bei allen Studiengängen gleich groß. Gerade angehende Wirtschaftswissenschaftler nutzen die Beratungs- und Förderangebote verstärkt. 17 Prozent haben sich mindestens einmal beraten lassen oder einen Gründungsworkshop besucht. Auch in der mehrfach ausgezeichneten Informatik gibt es einen hohen Bedarf an Beratung, wenn dieser auch noch nicht zu einer erhöhten Gründungsaktivität im digitalen Bereich geführt hat. Rampeltshammer: „Es hat mich verwundert, dass hier trotz der erhöhten Nachfrage die studentische Kultur des Gründens, wie man sie aus dem Fernsehen mit Steve Jobs oder Bill Gates kennt, nicht so ausgeprägt ist." Doch auch die Antwort auf diese Frage liegt nach genauerer Betrachtung auf der Hand. „Schaut man sich die Chancen von Informatikern auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt an, stellt man fest, dass sie schnell gute Jobs mit einem hervorragenden Gehalt finden können", so der Leiter der Kowa, „Dadurch sinkt der Anreiz, selbst als Unternehmer aktiv zu werden." Die Aussicht auf Erfolg ist auf der anderen Seite auch nicht sicher: Weit mehr als die Hälfte aller Neugründungen scheitern in den ersten Phasen der Selbstständigkeit. Also sowohl, während sie sich noch aus eigenen und familiären Mitteln finanzieren, als auch während sie auf öffentlichen Fördertöpfe angewiesen sind.
Die bestehenden Angebote, wie die Gründerberatung, das Starterzentrum oder Gründerworkshops, werden dabei von den Studierenden in aller Regel als sehr positiv eingeschätzt. Nach dem bundesweiten Gründungsradar steht die UDS im Ranking mit anderen großen Hochschulen nicht ohne Grund auf Platz acht, und auch die HTW muss den Vergleich mit anderen mittelgroßen Hochschulen nicht scheuen. Trotzdem sollte man sich darauf nicht ausruhen, meint beispielsweise Prof. Sven Heidenreich vom Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement. Neben den Faktoren, die Studierende zu Gründungen anregen, untersuchte er auch diejenigen, die sie davon abhalten. Drei Gründe stechen dabei hervor: die deutsche Bürokratie, Schwierigkeiten bei der Kunden- und Auftragssuche sowie die jeweiligen rechtlichen Auflagen, die schon frisch gegründete Unternehmen einhalten müssen. Gerade in diesen Bereichen könnten sowohl die UDS als auch die HTW noch nacharbeiten und bessere Informationsangebote schaffen, so Heidenreich, um angehenden Gründer die Angst zu nehmen, beziehungsweise sie bei Problemen besser zu unterstützen. Schließlich müssen nicht nur die Idee und das Produkt für den wirtschaftlichen Erfolg stimmen.
Studierende bewerten Beratung als sehr kompetent
Für Luitpold Rampeltshammer gibt es noch weitere Rahmenbedingungen, die auch mit der Gesellschaftsstruktur des Saarlandes zusammenhängen, die gegen das Gründen sprechen: „Wir haben hier schlicht eine fehlende Gründerkultur. Das Saarland hatte immer schon eine stark ausgeprägte Industrie und gleichzeitig eine niedrige Akademikerquote. Bis heute kommen viele Studierende aus Arbeitnehmerhaushalten, die finanziell nicht übermäßig ausgestattet sind. Die wünschen sich für ihre Kinder statt einem eigenen Unternehmen lieber einen sicheren Job mit einem guten Gehalt. Und das kommt natürlich bei dem Nachwuchs an." Außerdem fehle es im Saarland, so Rampeltshammer, an Risikokapitalgebern für junge Gründer.
Dass es im Saarland an solchen Kapitalquellen aus der freien Wirtschaft fehlt, sorgt dafür, dass viele der Gründer im Saarland fast ausschließlich auf öffentliche Mittel angewiesen sind. Für viele Neuunternehmer sind diese zunächst ein Segen, schaffen auf Dauer aber andere Probleme, meint Prof. Markus Thomas Münter von der HTW. Für die Publikation untersuchte er unter anderem auf wie viele Finanzquellen saarländische Start-ups zurückgreifen. Dabei stellte er fest, dass circa 70 Prozent der von ihm untersuchten Gründungen nur auf eine Finanzquelle bauten. Im Bundesschnitt sind es zwischen drei und vier. Sich nur auf eine Kapitalquelle zu verlassen, bedeutet in der Praxis jedoch oft, unterfinanziert zu sein, gerade dann, wenn es sich nur um sicherere, aber kleine Geldquellen handelt. Wovon Münter hier ähnlich wie Rampeltshammer ausgeht, ist, dass es den jungen saarländischen Unternehmern an Risikobereitschaft fehle, sie „müssten größer denken", um langfristig mit ihrer Gründung Erfolg zu haben. Um sie besser auf das Risiko vorzubereiten, schlägt er vor, den Fokus Finanzförderung künftig zentraler in der Gründungsberatung zu behandeln, statt wie bisher das Hauptaugenmerk auf Ideenförderung zu legen. Dadurch könnte das Unbehagen gegenüber anderen Finanzierungsmethoden gesenkt werden. Auch mit Blick auf die Finanzierer schlägt Münter vor, die Angebote mehr Richtung Kofinanzierung statt auf die reine Folgefinanzierung auszurichten und den Wettbewerb zwischen den Finanzierungsmöglichkeiten zu fördern.
Natürlich können nicht alle Start-ups erfolgreich sein. Manchmal mangelt es an einer ausreichend innovativen Idee, mal am Unternehmergeist oder schlicht dem Geld. Im Saarland kommt der Konflikt zwischen der Sicherheit einer Vollzeitstelle und dem Risiko der Selbstständigkeit hinzu. Aber die Hochschulen leisten schon jetzt eine sehr gute Arbeit, wie die Wissenschaft selbst, die Studierenden und Gründer und die Untersuchungen der Kowa belegen. Trotzdem gibt es Hausaufgaben, wie man die Gründerstruktur weiter verbessern könnte. Die Angst vor der Neugründung zu nehmen und die saarländischen Erfolgsgeschichten sichtbarer zu machen, sind dabei erste wesentliche Schritte, die gegangen werden sollten.