Weihnachten kommt die Bescherung – so oder so. In jedem Fall gehören neben Feuerwehr, Krankenhaus-personal und Gastronomen die Sicherheitsleute zu denen, die auf ihre Geschenke erst mal warten müssen.
Lange Warteschlangen stehen geduldig vor den Impfzentren. Alle müssen an ihnen vorbei, an den Sicherheitsleuten, die geduldig zum x-ten Mal erklären, welche Unterlagen bereitgehalten werden müssen. Sie sind überall gegenwärtig – deutschlandweit. Bei der Kontrolle zur Einhaltung der 2G- oder 3G-Regeln, in Gaststätten, Apotheken, Krankenhäusern, bei Fußballspielen, Theater- und Musikveranstaltungen. Und jetzt auch auf einigen der noch stattfindenden Weihnachtsmärkten.
Die Sicherheitsbranche brummt, denkt sich jeder, der das beobachtet. Doch es ist ganz anders. Die Branche hat gleich mehrere Probleme: die Finanzierung, fehlende Arbeitskräfte und nicht zuletzt das Image. Erst seit Anfang 2020, mit der Pandemie, erfuhren die Sicherheitskräfte Anerkennung und sind weg von dem alten Bild des „Sicherheitsrowdys".
„Die Menschen begrüßen, dass Sicherheitskräfte dafür sorgen, dass die Hygieneregeln eingehalten werden. So konnten wir zeigen, dass unsere Dienstleistung einen hohen Wert hat", sagt Daniel Schleimer, Geschäftsführer der Securitas Services GmbH. Aber diese Wertschätzung habe die Politik noch nicht erreicht. Noch immer sei kein Sicherheitsdienstleistungsgesetz verabschiedet. Ganz akut fehle es an einer Regelung zu den Überbrückungskrediten in der Sicherheitswirtschaft, um vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen drohende Insolvenzen zu vermeiden.
Die 25 führenden Sicherheitsdienstleister in Deutschland sind im Jahr 2020 im Durchschnitt um sieben Prozent gewachsen. Coronabedingten Umsatzrückgängen von im Durchschnitt 4,5 Prozent standen Zusatzaufträge in Höhe von durchschnittlich 2,8 Prozent des Jahresumsatzes gegenüber. Insgesamt machten die 42 führenden Unternehmen 2020 einen Umsatz von 4,2 Milliarden Euro. Das ist die Hälfte des Marktvolumens. Marktführer ist die Securitas (21.000 Beschäftigte) mit einem Umsatz von 905 Millionen Euro (2019: 907 Millionen Euro). Insgesamt arbeiten 270.000 Beschäftigte bei Sicherheitsdiensten.
Image wurde in der Pandemie besser
Zwar sanken die Umsätze der großen Unternehmen etwa durch den Wegfall von Messen, Veranstaltungen und großen Konzerten um 4,5 Prozent. Andererseits aber führten die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Infektionsgefahr zu Umsatzzuwächsen durch Einsätze in Krankenhäusern, Pflege- und Altenheimen, Impf-, Test- und Einkaufszentren sowie Ämtern. Zu dem Auf und Ab erklärt Jens Müller, Geschäftsführer für das operative Geschäft bei Securitas: „Die Corona-Pandemie hat uns im letzten Jahr viel abverlangt. Ganze Märkte, wie der Bereich Aviation, brachen plötzlich weg, aber neue Sicherheitsaufgaben im Zusammenhang mit der Pandemie wurden sehr stark nachgefragt. Wir blicken sehr optimistisch in die nächsten Jahre, sehen aber auch, dass wir noch viel mehr in innovative Technologien und in unser Personal investieren müssen."
Matthias Dreiucker, Inhaber der DSD Sicherheitsdienste, gehört zu den mittelständischen Unternehmern in der Branche. Von März bis Mai 2020 boomte sein Geschäft regelrecht. „In diesen drei Monaten habe ich denselben Umsatz generiert wie im gesamten Jahr zuvor", erklärt der Unternehmer offen, der 40 Mitarbeiter beschäftigt. „Im Jahr 2021 verzeichne ich ein Plus von 25 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019." Dreiucker zahlt über den gesetzlichen Mindestlohn noch zusätzliche Fahrtengelder und würde seine Mitarbeiter gern noch besser bezahlen, „… aber wir werden immer noch nicht leistungsgerecht bezahlt in der Branche." Auf Grund der weiterhin steigenden Corona-Inzidenz sagte Dreiucker gerade den Weihnachtsmarkt in seiner kleinen Gemeinde Neukirchen ab. Auch wenn das für den Touristik- und Gewerbeverein, in dem er Vorsitzender ist, einen Einnahmeverlust bedeutet.
Und der Fachkräftemangel macht auch vor der Sicherheitswirtschaft nicht halt. Bereits vor der Pandemie fehlten Arbeitskräfte in zahlreichen Tätigkeitsbereichen. Securitas zum Beispiel ist quer durch die Industrie tätig, im Werkschutz, ÖPNV, Empfangsdiensten, auch in Seehäfen, Flughäfen und bei Werkfeuerwehren. Entsprechend werden qualifizierte Fachkräfte für Schutz und Sicherheit, Luftsicherheitsassistenten, Sicherheitstechniker oder auch Feuerwehrkräfte gesucht. In diesem Jahr gelang es dem Unternehmen, 92 Auszubildende den Start in das Berufsleben zu ermöglichen. Dabei fällt die Vergütung der Auszubildenden – offizieller Name: „Fachkraft für Schutz und Sicherheit" – in den einzelnen Bundesländern nach der Tarifübersicht des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) sehr unterschiedlich aus. In Bayern werden im ersten Jahr 950 Euro, in Hamburg 780 Euro und in Berlin und Brandenburg 650 Euro gezahlt (Stand 1. September 2021).
Bewacher werden „Wohlfühl-Teams"
Auch die Löhne fallen sehr unterschiedlich aus: Den höchsten Stundensatz zahlt auch hier Bayern mit 17,23 Euro, Thüringen mit 12,10 Euro den geringsten. Eine Frage der harten Tarifverhandlungen in den jeweiligen Ländern zwischen den Gewerkschaften, zum Beispiel Verdi als Arbeitnehmervertreter und dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft als Vertreter für die Sicherheitsunternehmen.
Nicht alle Dienstleistungsunternehmen können für ihre Kunden das geforderte Personal stellen. Denn auf dem Arbeitsmarkt stehen zu wenige Leute mit entsprechenden Voraussetzungen zur Verfügung. Und es gebe zu viele „schwarze Schafe", kritisiert Friedrich Kötter, der Chef des zweitgrößten deutschen Sicherheitsunternehmens, Kötter Security. Die Zugangsvoraussetzungen seien ein „schlechter Witz", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bei einfachen Tätigkeiten reichten ein Sitzschein für 40 Stunden Unterricht bei der IHK ohne Prüfung und ein polizeiliches Führungszeugnis nach Aktenlage – schon könne man als Sicherheitsmann anfangen. Die Folge sei, dass sich viele unseriöse Subunternehmer mit ungenügend geschulten Kräften am Markt tummelten, die bestenfalls den Mindestlohn erhielten. Die Billigfirmen sorgten für einen scharfen Preiskampf und verschlechterten zudem das Image. Dabei kann jemand als geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft durchaus aufsteigen. Nach oben sind durch Studium oder Fort- und Weiterbildung Qualifizierungen zum Fachwirt, Meister oder Master of Arts offen.
Für Veranstalter Hans-Dieter Laubinger findet der Weihnachtmarkt am Berliner Rathaus zum Glück statt. Und das funktioniert für ihn nur in Zusammenarbeit mit einer guten Security-Firma. Sein Credo als Veranstalter: Nur geschulte Sicherheitsmitarbeiter können bei Unregelmäßigkeiten professionell reagieren. „Für uns heißt das ein zusätzlicher finanzieller Aufwand. Den Markt-Teilnehmern neue Kosten aufzubürden ist aber nicht möglich." In der Kulturbrauerei sind Sascha Eisolts Mitarbeiter tätig. Die Firma gehört zu den kleineren Unternehmen. Auf dem Lucia-Markt besteht Maskenpflicht und bei mehr als 2.000 Besuchern wird das Gelände geschlossen, so Marktbetreiber Michael Wiegner zu seinem Sicherheitskonzept. Die Bewacher kontrollieren die Einhaltung der aktuellen Hygieneauflagen und achten auf den gewaltfreien Umgang der Besucher untereinander. Das heißt für die Sicherheitsmitarbeiter, die Eisolt „Wohlfühl-Teams" nennt, immer wieder korrekt und höflich auf die Besucher einzugehen, ohne die Nerven zu verlieren, auch wenn die oft nicht sehr höflich reagieren. Aber „Wohlfühl-Teams" halten das aus.