Die Elektromobilität schreitet auch im Nachbarland Frankreich weiter voran. Die Grande Nation, Luxemburg und Deutschland vernetzen sich verstärkt, um die Wasserstoffproduktion voranzutreiben.
Die Folgen des Klimawandels machen den Protagonisten der Energie-, Wärme- und Verkehrswende aus der Großregion Saarland, Luxemburg und Lothringen Beine. Die Themen Elektromobilität und Wasserstoff gewinnen deutlich an Fahrt, die Fördertöpfe für Infrastrukturmaßnahmen und den Umbau der Industrie sind gut gefüllt, erste Projekte in Planung oder bereits realisiert. Dass Klimawandel keine Grenzen kennt und die enormen Anforderungen zur nachhaltigen Reduktion des klimaschädlichen CO2 nur gemeinsam gelöst werden können, scheint in den Köpfen der politisch Handelnden aus der Region Grand Est, dem Saarland und Luxemburg angekommen zu sein. Das zeigen die zahlreichen grenzüberschreitenden Veranstaltungen und Workshops zum Thema wie der Deutsch-Französische Business Lunch in Saarbrücken und Metz oder die deutsch-französischen Gespräche in Nancy Ende November.
Eine Million E-Autos bis Ende 2022
Vor allem die Verkehrswende mit Elektromobilität und Wasserstoff scheint die Großregion endlich zu „elektrisieren", wurde sie doch jahrelang massiv ausgebremst. Beispiel Frankreich, wo der Verkehr rund 30 Prozent des CO2-Ausstoßes verursacht: In den Metropolregionen Metz, Nancy und Straßburg ist der elektrische Funke allmählich übergesprungen: Fuhrparks der öffentlichen Verwaltungen fahren zunehmend elektrisch, in Nancy sind es von 200 Autos schon fast ein Viertel, in Straßburg verbindet seit über einem Jahr eine elektrische Buslinie den Bahnhof mit dem EU-Parlament, in Metz pendeln zwei Elektrobusse zwischen Zentrum und Einkaufsmarkt, 4.000 öffentliche Ladesäulen stehen in Grand Est für inzwischen über 30.000 angemeldete Elektrofahrzeuge bereit. „Ende 2022 sollen in ganz Frankreich eine Million E-Fahrzeuge fahren und auf eine öffentliche Ladesäule umgerechnet zehn Fahrzeuge kommen", betont Danièle Behr vom gleichnamigen Consultingbüro für Standortmarketing das ehrgeizige Ziel. Zum Vergleich: Im Saarland sind es nach Angaben des hiesigen Wirtschaftsministeriums derzeit rund 400 Ladesäulen, davon 50 Schnellladepunkte, an 185 Standorten. Tendenz auch hier steigend.
Viel „Drive" gibt es zudem beim Thema Wasserstoff dies- und jenseits der Grenzen. Während in Lothringen, unter anderem in Sarreguemines, bereits drei Wasserstofftankstellen in Betrieb sind, gibt es im Saarland zwar erst eine öffentlich zugängliche Tankstelle in Saarbrücken-Gersweiler. Aber die Stadtwerke Saarlouis und Homburg haben bereits ihr Interesse signalisiert, öffentliche Wasserstoff-Tankstellen zu bauen, so der Klimaschutzkoordinator der Landesregierung, Nicola Saccà aus dem Wirtschaftsministerium. „Damit kommen wir der Ost-West-Achse bei der Tankstellen-Infrastruktur einen wichtigen Schritt näher." Sie soll eine wichtige Verbindung darstellen zwischen Karlsruhe im Osten sowie Grand Est und Luxemburg im Westen.
Der Ausbau der Infrastruktur sei für das Geschäft des 2020 gegründeten Unternehmens Mob’Hy in Sarreguemines von großer Bedeutung, so Geschäftsführer Jean-Michel Sylvestre. Die Projektentwicklungsgesellschaft, die aus erneuerbaren Energien grünen Wasserstoff für Fahrzeuge produziert, sieht die Großregion als Sprungbrett in Europa. Von der Produktion über die Verteilung bis hin zu technischen Lösungen vor Ort inklusive Wartung und Instandhaltung biete Mob’Hy alle Wasserstoff-Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette und setze dabei auch auf Kooperationen mit Deutschland und Luxemburg, wo es schon einen festen Interessenten gebe, so Sylvestre. Interessant sei das vor allem für Branchen mit Schwerlastfahrzeugen wie die Logistikbranche, Landwirtschaft, das Bauwesen und die Großindustrie sowie öffentliche Verwaltungen.
Das Infrastrukturprojekt „mosaHYc" (Moselle Sarre HYdrogen Conversion) der beiden Netzbetreiber Creos Deutschland und GRT Gaz zum Transport von Wasserstoff gilt als das prominenteste grenzüberschreitende Wasserstoffprojekt der Großregion. Die beiden Partner wollen in den kommenden Jahren ein rund 100 Kilometer langes Netz zwischen Carling, Dillingen, Völklingen, Saarbrücken, Perl und Luxemburg aufbauen, um Wasserstoff zu den Großverbrauchern aus Schwerindustrie und Verkehr zu transportieren. Angebunden werden soll es an das europäische Wasserstoff-Verbundnetz Richtung Südfrankreich und Spanien. Während die technische Machbarkeit gegeben sei, lägen die Probleme bei der Umsetzung eher im betriebswirtschaftlichen Bereich, so Nicola Saccà. Notwendig für die Realisierung eines Transportnetzes dieser Größenordnung seien Ankerkunden wie die Stahlindustrie, die hohe Mengen an Wasserstoff zur Produktion von grünem Stahl benötige. Die grundsätzliche Bereitschaft, auf eine grüne Wasserstoffproduktion umzustellen, gebe es zwar, aber angesichts der enorm hohen Investitionen und der damit verbundenen Kapitalkosten bestehe weiterhin Klärungsbedarf. Hinzu kommen die derzeit noch hohen Kosten für ein Kilogramm Wasserstoff von bestenfalls fünf Euro im Gegensatz zu herkömmlichen Energiekosten von rund 1,50 Euro. Selbst wenn der Preis für Wasserstoff auf drei bis vier Euro sinke, aufgrund von Exporten oder besserer Anlagenauslastung, sei das noch lange nicht wettbewerbsfähig. Hier soll es aber Verhandlungen mit der EU um etwaige Marktmechanismen geben, um den grün produzierten Stahl konkurrenzfähig zu machen.
Was die Mengen angeht, soll bis 2026 ein Elektrolyseur am Standort Völklingen-Fenne 35 Megawatt bereitstellen. Um die Stahlindustrie an der Saar komplett auf Grün zu stellen, sei aber die achtfache Menge notwendig. Begründete Hoffnung macht die geplante großindustrielle Wasserstoffproduktion am französischen Standort Carling bei Saint-Avold. Dort könnte für das stillgelegte Kohlekraftwerk ab 2022 schrittweise ein Elektrolyseur mit bis zu 400 MW aufgebaut werden. Ein grenzüberschreitendes Transportnetz wäre dafür eine wichtige Voraussetzung.
Die Möglichkeit, Wasserstoffzüge auf den Strecken Saarbrücken nach Straßburg und Saarbrücken nach Luxemburg über Thionville einzusetzen, sieht das Saarland eher skeptisch. „Die enge Taktung der Züge zwischen Thionville und Luxemburg lässt derzeit keine weiteren Züge zu. Und die Strecke Straßburg nach Sarreguemines wurde gerade mal erst vor zwei Jahren ausgeschrieben, wobei hier noch mit einer Erweiterung für Wasserstoffzüge nachgebessert werden könnte, sofern die EU das zulässt", erklärt Saccà. „Vielleicht fahren dann dort doch ein oder zwei Modellzüge auf der nicht elektrifizierten Strecke."
400 Megawatt aus Elektrolyseur in Carling
Das Saarland wird aber auf jeden Fall auf der Schiene Dieselfahrzeuge durch batterieelektrische Züge ersetzen. Ab Ende 2025 sollen sie zwischen Saarbrücken und Pirmasens und ab Dezember 2026 zwischen Dillingen und Niedaltdorf verkehren.
Wichtig für den weiteren Fortschritt der Elektromobilität und der Wasserstoffstrategie sind vor allem die Aus- und Weiterbildung sowie Forschungsprojekte. Auf einem deutsch-französischen Workshop Ende November in Saarbrücken wurden mögliche Kooperationen beider Länder angesprochen. So ist der Standort Saint-Avold an einer Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen im Saarland stark interessiert. Auf dem Folge-Workshop im März nächsten Jahres sollen unter anderem diese Fragen konkretisiert werden.
Über Erfolg oder Misserfolg der Verkehrswende entscheiden aber nicht nur die Protagonisten mit ihren ehrgeizigen Projekten. „Entscheidend ist, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und zu sensibilisieren", so der Tenor. Und da bleibt angesichts der hohen Kosten und der Veränderungsbereitschaft noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.