Er gehört untrennbar zum Weihnachtsfest – ein liebevoll oder originell dekorierter Weihnachtsbaum. Im norddeutschen Husum werden in einem kleinen Museum Geschichte und Geschichten rund ums Weihnachtsfest lebendig.
Egal, ob draußen hochsommerliche Hitze herrscht oder Reif auf den Dächern der angrenzenden Gebäude liegt – hinter der grünen Holztür des Gründerzeithauses in der Husumer Westerende ist immer Weihnachten. Denn im Weihnachtshaus wird die Geschichte der sich ums Fest rankenden Traditionen mit Tausenden von Exponaten erzählt – und eines der Hauptthemen sind dabei die Christbäume und der Christbaumschmuck.
Seit 1970 habe sie alles gesammelt, was mit Weihnachten zusammenhänge, erzählt Verlegerin Alix Paulsen, Weihnachten sei in ihrer Familie immer intensiv vorbereitet und gefeiert worden. Auch berufsbedingt spielt das Thema Weihnachten bei Paulsen eine wichtige Rolle, denn ihr Verlag hat sich auf volkskundliche Bücher und Publikationen zum Beispiel über das Erzgebirge und dessen Weihnachtstraditionen spezialisiert. Und die Adventskalender, die Paulsens Mutter in einer Tüte aufgehoben hatte, wurden zum Grundstock einer Sammlung, die im Laufe der Jahre einen beachtlichen Umfang angenommen hat.
Christbaum-Mode ist das diesjährige Motto
Wie gut dass sich 2008 die Möglichkeit ergab, das frühere Wohnhaus einer wohlhabenden Eiderstedter Familie vom Ende des 19. Jahrhunderts zum Museum umzugestalten. Ein Gebäude, das mit seinen hohen Decken, dem Stuck, den knarrenden Treppen wohl passender nicht sein könnte. Hier kann Alix Paulsen einen Teil ihrer umfangreichen Sammlung auf drei Etagen ganzjährig präsentieren und außerdem regelmäßig kleine Sonderausstellungen zu besonderen Themen zeigen. „Wenn der Christbaum Mode trägt" etwa ist das Motto der momentanen Sonderausstellung, die eigentlich für letztes Jahr geplant war, wegen Corona aber verschoben werden musste. Eine Ausstellung, die mit Dutzenden teilweise ziemlich ausgefallenen Objekten unterstreicht, wie sich Zeitgeist, gesellschaftliche Themen oder Modetrends beim Christbaumschmuck widerspiegelten und -spiegeln. Angesagte Stiefel- oder Taschenmodelle „en miniature" finden sich da als glänzende und glitzernde Anhänger für den Weihnachtsbaum, ebenso gläserne Burger, die Logos von Fussballclubs oder Filmfiguren. Und zu Corona-Zeiten dürfen auch Klopapierrollen oder ein Weihnachtsmann mit Maske am Weihnachtsbaum oder im Sortiment der Hersteller nicht fehlen.
Wie früher Weihnachtsbaumschmuck produziert wurde, das erfährt der Besucher gleich im Parterre des Weihnachtshauses. Ab etwa 1850 wurden beispielsweise Glaskugeln als Ersatz für Äpfel oder Pflaumen am Weihnachtsbaum modern, rund um das thüringische Lauscha entwickelte sich eine kleine Industrie zur Fertigung der gläsernen Accessoires am Tannenbaum. Heimarbeiter fertigten sie in ihren Wohnstuben an, im Museum wird eine Werkbank mit Werkzeugen und Material gezeigt. Auch zur Veredelung der feinen Glaskugeln. Die wurden unter anderem mit „leonischen Drähten" umwickelt, also mit versilberten, vergoldeten oder verzinkten Kupferdrähten. Ein Zentrum dieses Handwerks gab es bei Nürnberg, aber auch im sächsischen Annaberg wurde im 19. Jahrhundert unter anderem Rauschgold oder Lametta in Heimarbeit hergestellt.
Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Tradition, einen immergrünen Baum zum Christfest aufzustellen – und spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte ein mit bunten Glaskugeln, Lichtern und glänzendem Zubehör geschmückter Weihnachtsbaum in jedes gutbürgerliche Wohnzimmer. Mal üppiger, mal etwas schlichter dekoriert – einige Beispiele aus verschiedenen Epochen sind auch im Weihnachtshaus zu sehen. Vom biedermeierlichen Baum mit Holzäpfeln und bunten Kugeln über den fast etwas kühl in silber und weiß dekorierten Jugendstil-Weihnachtsbaum bis hin zum überladen wirkenden Beispiel aus der Gründerzeit. Daneben zeigt eine Vitrine Weihnachtskarten und Christbaumschmuck aus der Zeit der beiden Weltkriege, da gibt
es unter anderem Miniatur-Tannenbäume in Feldpostpäckchen aus dem Ersten Weltkrieg oder Weihnachtsbaumschmuck in Nationalfarben.
Was wäre ein Weihnachtsmuseum in Husum, wenn es nicht auch Bezug auf den wohl berühmtesten Sohn der Stadt, den Schriftsteller Theodor Storm nehmen würde? Der war erwiesenermaßen „Weihnachtsfan" – widmete sich den Vorbereitungen des Festes mit besonders viel Elan. Und schrieb darüber im Dezember 1851:
Schon Theodor Storm war ein Weihnachtsfan
„ … kleine Wachskinder, die jedes Mädchenherz entzücken müssen, schweben auf den Tannenspitzen, unzählige Glaskugeln, goldene Eier, goldne Walnüsse und Pflaumen, denen ich die Arbeit dreier Feierabende widmete, während Probst Feddersen uns Arnims Appelmänner vorlas, Rosinenguirlanden, Goldstreifen, buntgefüllte weiße Netze, über deren richtige Construktion eine ganze Ratsversammlung gehalten;… nachdem fünf Personen 6 Stunden damit zugebracht hatten, nur um die Sachen an diesem ungeheuern Baum zu befestigen, wurden denn gestern Abend um 5 Uhr die 60 Wachslichter angezündet; und ich konnte mir mit aufrichtiger Befriedigung sagen: ein solcher Weihnachtsbaum brennt vielleicht heut Abend in ganz Schleswigholstein nicht mehr!"
Das gesamte Weihnachtsbrauchtum habe seinen Ursprung in Deutschland, erklärt Museumsleiterin Alix Paulsen bei einem Rundgang. Von hier aus habe es sich nach Skandinavien, später über Auswanderer nach Nordamerika verbreitet. Was mitunter zu kuriosen Neuinterpretationen der ursprünglichen Tradition geführt habe. Zum Beispiel bei der legendären „Weihnachtsgurke". In den USA ist es weit verbreitet, die sogenannte „christmas pickle" gut im Baum zu verstecken, wer sie findet, bekommt ein Extra-Geschenk und soll besonders viel Glück im neuen Jahr haben. Nach nordamerikanischer Lesart soll ein deutschstämmiger Soldat im Amerikanischen Bürgerkrieg gefangen genommen worden und nach Georgia gebracht worden sein. Bei den unmenschlichen Bedingungen im dortigen Gefangenenlager soll er nur dank einer sauren Gurke, die er zu Weihnachten von einem Wärter bekam, überlebt haben. Eine logische Erklärung für den sich hartnäckig in den USA haltenden Brauch? Alix Paulsen ist da eher skeptisch. Früher habe es zum Beispiel im Norden Deutschlands oft nur ein einziges Geschenk für alle Kinder in ärmeren Familien gegeben. Vielleicht der „Finderlohn" für die im Baum versteckte Gurke.