Die britische Regierung hat ohne Absprache entschieden, dass die Übergangsphase für Lebensmittellieferungen nach Nordirland länger gelten soll. Die EU reagiert entsprechend verärgert.
Nachdem im Alleingang die britische Regierung die Übergangsphase für Lebensmittellieferungen nach Nordirland mit geringen Kontrollen einseitig bis Oktober verlängert hat, flammt der Streit um die Brexit-Regelungen wieder auf. Dem vorausgegangen war Ende Januar ein Streit über mögliche Kontrollen von Impfstoff-Lieferungen nach Nordirland, ein im Nordirland-Protokoll eingebauter Notfallmechanismus hatte für Kritik gesorgt. Unlängst hatten beide Seiten, das Vereinigte Königreich und die EU, einen vorläufigen Handels- und Kooperationsvertrag ausgehandelt.
Der britische Nordirland-Minister Brandon Lewis erklärte, Unternehmen müssten angemessen Zeit erhalten, um neue Anforderungen umzusetzen und den Warenfluss zwischen Großbritannien und Nordirland zu gewährleisten. Das Mitglied der britischen Convervative Party betonte, dass es sich um eine vorübergehende Maßnahme handle.

Supermarktregale blieben leer
Die Europäische Kommission übte harsche Kritik an dem Vorgehen des abtrünnigen EU-Landes. Kommissions-Vizepräsident Maroš Šefčovič reagierte seinerseits verärgert über die einseitige Maßnahme. Er warf Großbritannien einen Verstoß gegen das im Brexit-Abkommen vereinbarte Nordirland-Protokoll vor. Großbritanniens Regierung habe die EU nicht im Vorfeld darüber informiert. Das gegenseitige Vertrauen sei damit beschädigt worden.
Großbritannien und Nordirland sind seit 1. Februar 2021 keine EU-Mitglieder mehr. Nach dem Brexit zum 1. Januar war das Vereinigte Königreich aus dem EU-Binnenmarkt und der europäischen Zollunion ausgeschieden. Dennoch sieht ein spezieller Passus im Brexit-Vertrag (Nordirland-Protokoll) vor, dass das 1,8-Millionen-Einwohner-Land faktisch weiterhin zum EU-Binnenmarkt gehört. Das soll Kontrollen an der Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Land Irland verhindern. Dafür müssen allerdings Warentransporte von der großen Insel nach Nordirland teilweise kontrolliert werden. Eine mehrmonatige Übergangsphase soll beispielsweise dabei helfen, Probleme bei der Lebensmittelversorgung zu vermeiden.
Dessen ungeachtet hatten etliche Unternehmen moniert, dass es Schwierigkeiten beim Handel zwischen Großbritannien und Nordirland gebe. Mancherorts in Nordirland waren Supermarktregale leer geblieben. Die erste Übergangsphase sollte Ende März auslaufen. Ab dann müssen Lieferanten tierischer Erzeugnisse spezielle Gesundheitszertifikate für Lieferungen von UK nach Nordirland vorweisen.
Auch der irische Außenminister Simon Coveney rügte Londons Entscheidung. Ein einseitiges Vorgehen in dieser Angelegenheit schadet seinen Worten nach dem „Aufbau des Vertrauens- und Partnerschaftsverhältnisses“.
Die britische Regierung unter Premier Boris Johnson verteidigte erwartungsgemäß den Alleingang in Sachen Übergangsphase. Ein Regierungssprecher teilte mit, der für den Brexit zuständige Staatssekretär David Frost habe mit dem EU-Vizekommissionspräsidenten Šefčovič gesprochen und vereinbart, in engem Austausch zu stehen. Frost habe in dem Gespräch erklärt, dass es sich bei der Verlängerung um einen notwendigen Schritt handle, um den Menschen in Nordirland ein möglichst störungsfreies Alltagsleben zu ermöglichen.
Unterdessen soll der gemeinsame Ausschuss, dem Vertreter von Großbritannien, Nordirland und der EU angehören, regelmäßig darüber beraten, wie das Brexit-Abkommen umgesetzt werden kann.