Braucht man einen Mäzen oder nicht? Darf man eine Partnerschaft mit Katar eingehen? Den Verein an Saudi-Arabien verkaufen? Fußball-Fans hinterfragen immer mehr die Deals ihrer Vereine. Gehen sie damit zu weit? Oder müssen sie auf Gehör pochen?
Die Diskussionen sind ziemlich emotional, oft polemisch. Von Einzelfällen kommt man oft auf Grundsatzfragen. Doch der Trend ist klar: Der gemeine Fußball-Fan will immer mehr wissen, woher sein Verein Geld bekommt und mit wem er sich daraufhin einlässt. Die Vereine monieren dagegen, dass sie sich nicht allen Kanälen verschließen können, wenn sie wettbewerbsfähig sein wollen. Gibt es irgendwo einen Weg dazwischen? Wir versuchen uns an einer sachlichen Einordnung der Thematik, ganz ohne Polemik.
Ende November war eine Mitgliederversammlung des Fußball-Bundesligisten Arminia Bielefeld. 185 der rund 15.000 Mitglieder waren anwesend. Nur ein kleiner Prozentsatz, in Corona-Zeiten aber eine normale Quote. Auf der Sitzung wurde ein Antrag eingebracht, der den Mitgliedern mehr Mitbestimmung garantieren soll. Und er wurde mit 81 Prozent angenommen. Künftig müssen Änderungen von Geschäftsanteilen mit einer Dreiviertelmehrheit statt mit einfacher Mehrheit verabschiedet werden. Und ein Mitglied feixte in der „Neuen Westfälischen" Richtung München: „Wir haben den Bayern gezeigt, wie JHV geht."
„Gibt es irgendwo einen Weg dazwischen?"
Wenige Tage zuvor war die Versammlung beim Serienmeister derart eskaliert, dass Ehrenpräsident Uli Hoeneß nachher feststellte: „Das war die schlimmste Veranstaltung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe." Was war passiert? Ein Mitglied hatte den Antrag eingereicht, dass der FC Bayern den Sponsorenvertrag mit „Qatar Airways", der Fluglinie aus dem aufgrund von Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehenden Emirats Katar, 2023 auslaufen lässt. Der Verein ließ diesen nicht zur Abstimmung zu und verwies auf eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts München.
Als es turbulent wurde, brach Präsident Herbert Hainer die Veranstaltung kurz nach Mitternacht ab. Er nehme sich als Versammlungsleiter das Recht heraus, „dass ich die Wortmeldungsliste schließen kann", sagte Hainer – und damit die gesamte Veranstaltung. Dass die Versammlung fortan sinnbildlich für einen durchaus wachsenden Konflikt zwischen Fans und Vereinen stehen sollte, lag an mehreren Faktoren. Daran, dass es so aus dem Ruder gelaufen war. Daran, dass es eben der FC Bayern war. Dass es um Katar ging. Und dass sich das Ganze mit einem unglücklichen Satz des ersten Vizepräsidenten Dieter Mayer so plakativ runterbrechen ließ. „Es geht hier doch nicht um Demokratie", sagte Mayer tatsächlich, als er eigentlich nur sagen wollte, dass man nicht über das Thema sprechen werde, weil der Antrag juristisch nicht zulässig war.
Es geht nicht um Demokratie. Als Schlagsatz wäre das ein Armutszeugnis. Manche Fans empfinden das inzwischen genauso. Doch das ist nur die eine Seite des sich zuspitzenden Konflikts.
Grundsätzlich gibt es diese Diskussionen, wem ein Verein gehört und von wem das Geld kommen darf, seit knapp zwei Jahrzehnten. In Deutschland drangen erst der VW-Club Wolfsburg, dann der von Mäzen Dietmar Hopp geförderte Verein Hoffenheim und schließlich das von Red Bull aufgebaute RB Leipzig in die Bundesliga und auch in den Europacup. Und während es in England zum Beispiel normal ist, dass die Clubs an reiche Geschäftsleute aus dem Ausland verkauft sind, gilt in Deutschland immer noch die 50+1-Regel. Sie besagt, dass ein Verein höchstens Anteile verkaufen darf, aber immer mehr als die Hälfte des Stimmrechts halten muss. Die Fans sind in der Regel gegen Verkäufe, der Verein soll ihnen gehören. Schwer wird es bei der entscheidenden Frage: Würdet Ihr lieber Europacup spielen mit einem Mäzen? Oder 2. Liga als eingetragener Verein?
Darauf, das versichern viele Vereinsvertreter, läuft es auf kurz oder lang hinaus. Ein Funktionär erklärte in einem Hintergrundgespräch: „Mit Katar dürfen wir nicht verhandeln. Mit Saudi-Arabien nicht. Mit China oder Russland aber auch nicht. Mit wem dürfen wir denn dann noch verhandeln?" Mit fast allen außer diesen würden die traditionellen Fans sagen. Doch daher komme eben das Geld, heißt es dann. Wer alle neuen Quellen ablehne, verpasse irgendwann den Anschluss. Alleine mit der lokalen Brauerei als Sponsor lasse sich die Bundesliga auf Dauer nicht halten.
Fans sind gegen die Verkäufe von Anteilen
Das erscheint durchaus realistisch. Und in England herrscht in dieser Hinsicht inzwischen eine ganz andere Denke. Als ein Konsortium um Saudi-Arabiens Staatsfonds den Premier-League-Club Newcastle United übernahm, feierten die dortigen Fans. Weil sie wussten, was Liverpools Trainer Jürgen Klopp kurz darauf bei Sky öffentlich aussprach: „Das wird eine Supermacht. Das ist der dritte Verein im Weltfußball, von dem ich weiß, der einem Land gehört und das offensichtlich der wohlhabendsten Familie auf dem ganzen Planeten. Die Möglichkeiten, die sich auftun, sind natürlich immens. Das ist jetzt im Grunde genommen so was wie die Super League –
halt nur für einen Verein. Newcastle wird garantiert die nächsten 20, 30 Jahre im Weltfußball eine dominierende Rolle spielen können." Die anderen beiden Vereine, die Klopp meinte, waren das aus Katar gelenkte Paris Saint-Germain und Manchester City, dessen Hauptanteilseigner aus Abu Dhabi stammt.
Mit dem FC Bayern ist das nicht vergleichbar. Die Münchener haben insgesamt 25 Prozent (je 8,33) an die drei deutschen Firmen Adidas, Allianz und Audi verkauft. Bei der Verbindung mit Katar handelt es sich um einen 2016 geschlossenen Sponsorenvertrag, der angeblich bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr einbringt. Wenn Fans – egal welchen Vereins – sich nun gegen einen Sponsor stellen, hört man von Clubseite oft die Klage, man könne nicht bei jedem Vertrag die Mitglieder fragen, ob dieser genehm sei. In München wird aber nicht jedes Sponsoring hinterfragt, sondern so lautstark nur dieses. Man könnte auch argumentieren, dass 800 Mitglieder von insgesamt 290.000 ein so kleiner Anteil sind, dass bei der JHV nicht „die Fans" des FC Bayern gesprochen haben. Auf der anderen Seite gibt es durchaus auch in der breiten Fläche ein Grummeln bezüglich der Verbindung. Von Bayern-Seite wiederum hört man immer wieder das Argument, dass sich in Katar vieles gebessert habe seit Beginn der Partnerschaft. „Unsere Ansicht ist, dass Wandel nicht durch Zurückweisung passiert, sondern nur durch Dialog", sagte Karl-Heinz Rummenigge, bis vor Kurzem Vorstandschef des FC Bayern. Vereinfacht gesagt: Katar muss sich durch die Verbindungen nach Westeuropa öffnen. Vor allem aber werde der Blick auf Katar gelenkt. „Unsere Erfahrung über die letzten fünf, sechs Jahre der Partnerschaft mit Qatar Airways hat gezeigt, dass die Dinge durch Fußball, durch Dialog, besser geworden sind. Langsam aber sicher", versicherte Rummenigge. Ein Sponsoring eingehen, um den Blick auf Missstände des Partners zu lenken – das ist aber durchaus eine ungewöhnliche Betrachtungsweise.
Rummenigge setzt auf langfristigen Wandel
Fakt ist, und das weg vom FC Bayern ganz allgemein gesagt: Wer eifrig Mitglieder wirbt, und manche gar nur darüber gewinnt, dass man sonst kaum Chancen auf Tickets wähnt, der darf nicht nur mit Rekordzahlen werben und die Mitgliedsbeiträge einsacken, der muss auch eine kritische Auseinandersetzung zulassen. Fakt ist im Gegenzug auch, dass Fans nicht die Illusion haben dürfen, mit einem Jahresbeitrag das Recht zu erkaufen, über jeden Spielertransfer oder Sponsor mitzubestimmen. Dass sie bei konkreten Bedenken in Einzelfällen Gehör finden, dürfen sie aber schon erwarten.
Im Endeffekt ist es in erster Linie so, wie es Uli Hoeneß’ Bruder Dieter, einst auch lange Jahre Bayern-Torjäger, im Sport1-„Doppelpass" sagte. Die Mitglieder wählen eine Vereinsführung, der sie durch ihre Wahl das Vertrauen schenken. Und wenn es zur Neuwahl kommt, wird die Arbeit dieser Vereinsführung bewertet. Dann wird sie im Amt bestätigt oder abgewählt. Das ist sicher das Grundgerüst des demokratischen Vereinsgebildes. Dies heißt aber im Gegenzug nicht, dass Mitglieder während der gesamten Amtszeit ihrer Führung keine Kritik äußern dürfen. Klar muss aber sein: Diese muss einerseits im Rahmen bleiben. Und muss andererseits auch zugelassen werden.