Echt digital – damit könnten sogenannte Non-Fungible Tokens, kurz NFT, für sich werben. Diese digitalen Echtheitszertifikate sind jedoch nicht nur für Sammlerobjekte interessant. Sie könnten auch bei offiziellen Dokumenten helfen – fressen jedoch jede Menge Strom.
Der Rummel um die Krypto-Technik Blockchain erinnert manche Beobachter bereits an die Internet-Blase vor der Jahrtausendwende. Auf der Hightech-Messe CES in Las Vegas standen allerdings weniger Digitalwährungen wie Bitcoin oder Ethereum im Fokus, sondern die digitalen Echtheitszertifikate NFT. Die Abkürzung steht für Non-Fungible Token (auf Deutsch etwa „nicht-austauschbare Wertmarke") und basiert auf der gleichen Technologie wie Kryptowährungen.
Diese Wertmarke repräsentiert dabei nicht nur den Wert eines Wirtschaftsgutes, eines digitalen oder physischen Vermögenswertes wie beispielsweise eines Kunst- oder Sammlergegenstandes, sondern auch dessen Echtheit und Einzigartigkeit – denn die Wertmarke ist „nicht austauschbar" und digital untrennbar mit dem Gegenstand verknüpft. Zum Vergleich: Bargeld als „Wertmarke" hat einen gewissen Wert, doch ein Fünf-Euro-Schein ist mit jedem beliebigen anderen Fünf-Euro-Schein austauschbar. Damit bieten NFT die Möglichkeit, rechtssicher Eigentumsnachweise auf digitale Objekte anzuwenden.
Basiert auf Blockchain-Technologie
Dass NFTs einzigartig und sicher bleiben, dafür sorgt die Blockchain-Technologie. Die Blockchain ist eine Art Datenbank, die ihre Informationen in Blöcken wie an einer Perlenschnur aufreiht und auf einer Vielzahl von Rechnern gespeichert vorliegt. Ein Block enthält die gespeicherten Daten und einen sogenannten Hashwert, der sicherstellt, dass diese Daten korrekt und unverändert sind. Wird nun, vereinfacht gesagt, beispielsweise ein NFT-zertifizierter Gegenstand verkauft, wird ein neuer Block hinzugefügt – im Falle von Sammlerobjekten mit dem Namen des Künstlers, den Besitzern und der Auflage. Dieser neue Block bezieht seinen Hashwert immer auf die Hashwerte der vorherigen Blocks, sodass die Korrektheit und die Unveränderlichkeit der Daten wie in einer Kettenreaktion gewährleistet wird. Gefälschte Zertifikate können so ebenfalls schneller erkannt werden, da die dahinterliegende Blockchain-Technologie ein solches nicht verifizieren würde. Dies macht Blockchain-Datenbanken und NFT-zertifizierte Gegenstände auf digitale Art und Weise fälschungssicher.
Mithilfe von NFT können digitale Werke vom Aussehen her zwar nicht von Kopien unterschieden werden, aber die Originale auch als Originale eindeutig ausgewiesen, authentifiziert werden. Auf der CES stellte Hersteller Samsung bereits einen Bildschirm vor, der diese Technologie beherrscht – wer sich also ein digitales NFT-Original kauft, kann sich dieses auf einem solchen TV-Gerät oder auf dem heimischen Rechner anzeigen lassen. Das Geld, mit deren Hilfe NFTs ver- und gekauft werden, basiert in der Regel auf der Kryptowährung Ethereum.
Was aber wird nun mit dieser digitalen Technologie verkauft? Die weltgrößte Presseagentur Associated Press startete kürzlich ein Fotojournalismus-Portal, auf dem die Werke mithilfe von NFT erworben werden können. Die erste SMS der Welt wurde im vergangenen Jahr für 110.000 Euro versteigert, verknüpft mit einem NFT. Die Band „Kings of Leon" verkaufte 34.000 Exemplare ihres neuen Albums mit exklusivem Download, Vinyl-Schallplatte und Artwork über die NFT-Verkaufsplattform „Open Sea" zum Preis von 0,035 Ethereum, umgerechnet etwa 96 Euro. Die US-amerikanische Internetkünstlerin Itzel Yard wurde zur Millionärin, als ein Sammler umgerechnet zwei Millionen Dollar für eines ihrer NFT-gesicherten Kunstwerke ausgab. Und der Künstler „Beeple" alias Mike Winkelmann gehört mittlerweile zu den reichsten zeitgenössischen Digitalkünstlern. Über Jahrzehnte publizierte er täglich ein digitales Kunstwerk. Die ersten fünftausend hatte er letztlich zu einer gewaltigen Collage zusammengestellt: Sein digitales und per NFT zertifiziertes Werk „Everydays: The First 5000 Days" wechselte im März 2021 für umgerechnet 69 Millionen Euro den Besitzer.
Damit beginnt gewissermaßen die Umwälzung auf dem Kunstmarkt, noch stärker hin zu digitaler Kunst, die ohnehin häufig mithilfe von Kryptowährungen gehandelt wird – Kunst, die kein physisches Gegenstück mehr hat. Mithilfe von NFT kann deren Echtheit deutlich einfacher nachgewiesen werden, indem sie digital verifiziert statt wie traditionell mit Papierdokumenten bewiesen wird – was oft in der Medien- oder Kunstwelt zu Zweifeln oder gar Urheberrechtsstreitigkeiten führen kann. Der Unterschied zwischen beispielsweise privat gehandelten Gemälden und Krypto-Kunst: Letztere könnte weiterhin auf öffentlichen Servern der Öffentlichkeit zugänglich sein. Ein Paradigmenwechsel hin zu einer Kunstlandschaft, die ihre Werke trotz des Handels unabhängig vom Besitzer und dem Speicherort jedem Betrachter zu jeder Zeit zugänglich machen kann.
Starke Schwankungen der Kryptowährung
Damit erweitert sich der Kreis von Kunstinteressierten und –sammlern auf jene, die sich insbesondere für digitale Kunst interessieren. Über NFT und mithilfe von Kryptowährungen entstehen gleichzeitig neue Distributionskanäle von Kunst, abseits von Auktionshäusern und Galerien, die häufig Vermittlungsgebühr für den Vertrieb verlangen. Zudem können NFT so gestaltet werden, dass Künstler bei einem erneuten Verkauf an Dritte mit einem gewissen Prozentsatz am Verkaufspreis beteiligt werden – zusätzlich Einnahmequellen, die verlockend für viele Künstler sein könnten.
Aber die Bedeutung von NFT bleibt nicht auf den Kunstmarkt beschränkt. Da ein eindeutiges Token einem eindeutigen Gegenstand zugeordnet wird, könnte NFT auch Produktpiraterie deutlich eindämmen. Denkbar wäre jedoch auch, NFTs mit persönlichen einzigartigen und eindeutigen Dokumenten zu verknüpfen, etwa dem Personalausweis oder der Krankenkassenkarte, oder als Zertifikate im Lizenzgeschäft zum Beispiel bei der Fertigung von Ersatzteilen.
Kritiker werfen der Technologie jedoch vor, nur etwas für Zocker zu sein. Kryptowährungen gelten im Handel als sehr volatil. So hat die Währung Ethereum in den vergangenen sechs Monaten extreme Wertschwankungen erfahren: Ende Juli 2021 kostete ein Ethereum umgerechnet 1.857 Euro, Anfang November 4.081 Euro und liegt derzeit bei 1.942 Euro. Zudem werden NFT von speziellen Blockchain-Rechnern „hergestellt", die dafür sehr viel Strom verbrauchen. Der Digitalkünstler Memo untersucht auf der Webseite cryptoart.wtf unter anderem den Stromverbrauch. Mit seiner Methode kommt er auf einen CO2-Ausstoß von 57 Kilogramm CO2 und 142 Kilowattstunden Strom alleine für das Erstellen eines NFT. Zum Vergleich: Ein deutscher Haushalt verbraucht pro Kopf etwa das Zehnfache pro Jahr.
Solange NFT und die Blockchain-Technologie nicht mithilfe von grünem Strom betrieben werden können, belasten sie nicht nur die Stromnetze, sondern auch die Umwelt. Ob es sich um einen Hype oder eine ernstzunehmende Zukunftstechnologie handelt, werden neue Einsatzmöglichkeiten von NFT erst einmal beweisen müssen.