Rund vier Millionen Tonnen ausgedienter Elektroteile wandern europaweit auf den Müll. Reparieren? Lohnt nicht oder ist gleich ganz unmöglich. Ein neues Gesetz soll Abhilfe schaffen.
Meterweise Elektrokabel, mehrere Verteilerdosen, Kaffeemaschinen und Computer lagen auf dem Waldboden verstreut. Irgendjemand muss vor wenigen Tagen haufenweise Elektroschrott mitten im sachsen-anhaltinischen Wald nahe Wetterzeube entsorgt haben. Abgesehen davon, dass man seit 2018 Elektroschrott nicht mehr einfach so in den Hausmüll und erst recht nicht in die freie Natur werfen darf, sind seit 2018 Händler mit großen Verkaufsflächen verpflichtet, ausgediente und defekte Geräte zurückzunehmen. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe haben Händler in Deutschland im Jahr 2020 aber nur rund 200.000 Tonnen Altgeräte eingesammelt, obwohl mehr als 2,8 Millionen Tonnen Neugeräte verkauft worden seien. Denn viele nutzen dieses Angebot nicht. Nach den letzten verfügbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2018 insgesamt 853.000 Geräte weggeworfen. Nicht nur in Deutschland wird mit Elektroschrott leichtfertig umgegangen. EU-weit landeten rund vier Millionen Tonnen ausgedienter Geräte im Müll. Das bedeutet: Mit knapp 42 Prozent wird weniger als die Hälfte des in der EU anfallenden Elektroschrotts recycelt.
Dass so viel weggeworfen wird, mag zwar auch an der Unkenntnis über die Recyclingmöglichkeiten auf Wertstoffhöfen, bei Händlern und sogar im Online-Handel liegen. Aber dahinter steckt auch ein Gewöhnungseffekt: Was kaputt ist, fliegt in den Müll, ans Reparieren denkt so ziemlich niemand mehr, zumal die Industrie eine Reparatur immer unmöglicher gemacht hat: Handys haben verschweißte Akkus, Ersatzteile sind entweder sündhaft teuer oder es gibt sie erst gar nicht. Für manche Handgriffe braucht man Spezialwerkzeug.
Weniger als die Hälfte wird recycelt
„Mit schnelleren Produktionslaufzeiten und niedrigeren Produktpreisen ist die Beziehung zu den Geräten verloren gegangen", erläutert Daniel Affelt, Koordinator für Abfall- und Ressourcenpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin gegenüber FORUM. Der Umweltexperte erinnert sich noch daran, wie in seiner Kindheit die Instandsetzung von technischen Geräten sehr viel präsenter gewesen sei, dass etwa noch der Fernseher repariert worden sei. Dinge zu reparieren werde den Menschen „weniger vorgelebt".
Ein Lichtblick sieht der Berliner in den Repair-Cafés: Da beginne sich der Trend umzukehren. „Die Menschen kommen zu uns", sagt er. Bei der Reparatur ist der BUND-Koordinator schon auf die ein oder andere Erschwernis gestoßen: „Wir erleben, dass es beim Öffnen der Geräte oft verdeckte Nieten gibt. Da kommt man ganz schwer an das Gerät ran." Die Hersteller führten meist Sicherheitsgründe an, aber das halte er für „vorgeschoben", wie er sagt. „Dadurch kann man auch eine Reparatur verhindern."
Gesamteuropäischer Ansatz notwendig
SPD, Grüne und die FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag ein „Recht auf Reparatur" angekündigt. Damit werde man „einen wichtigen Schritt aus der Wegwerfgesellschaft gehen", äußerte sich die Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produktes sollen laut den Koalitionsplänen „zum erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft" werden. Verbraucherschützer haben inzwischen das Ministerium aufgefordert, das neue Gesetz bis Mitte März auf den Weg zu bringen. Das müsse sich Ministerin Lemke für die ersten 100 Tage im Amt vornehmen, sagte Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Viele Menschen ärgern sich ständig, weil etwas kaputt geht und man es dann wegwerfen muss", so Müller. „Das ist schlecht für den Geldbeutel und ein gutes ökologisches Gewissen hat man dabei auch nicht."
Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) äußert man sich grundsätzlich erst einmal positiv zu dem neuen Gesetzesvorhaben und der damit verbundenen „Ausweitung von Gewährleistungsrechten bei Produkten für Verbraucher", sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des BDI, Holger Lösch. Dennoch sollte das Ganze wegen „zu erwartender Zielkonflikte produktspezifisch geregelt" werden. „So kann zum Beispiel der Kauf von energieeffizienten Neu-Geräten aus dem Bereich von Haushaltsgroßgeräten im Vergleich zur Reparatur älterer Geräte ökologisch mehr Sinn machen, wenn dadurch in der Nutzungsphase erheblich Energie eingespart werden kann", führt der Verbandschef aus. Beim BUND begrüßt man, dass das Gesetz auf dem Weg ist, sagt Koordinator Daniel Affelt. Jetzt müsse es nur noch „mit Leben gefüllt" werden. Noch besser findet der Umwelt-Experte die europaweite Eco-Design-Richtlinie. Dadurch werde dafür gesorgt, dass sich die Geräte einfach öffnen und damit auch reparieren ließen. Der Haken an der Sache: Die EU-Richtlinie gilt bislang nur für größere Geräte wie etwa Wasch- oder Spülmaschinen. Kleinere Elektrogeräte wie Handys sind nicht vom Gesetz abgedeckt.
Reparaturindex wie in Frankreich
Einen guten Ansatz sieht der Berliner Umweltexperte im sogenannten Reparierbarkeitsindex, den auch Ministerin Lemke mit ins Auge gefasst hat. In Frankreich wird dieser Index bereits seit Anfang 2021 verwendet. Anhand eines Labels auf dem Produkt können Kunden schon beim Kauf ihres neuen Smartphones, Laptops, Fernseher oder Rasenmähers sehen, ob es reparaturfreundlich ist. „Ich möchte das im europäischen Kontext entwickeln und in Deutschland einführen", sagte die Ministerin zum RND. Es dürfe dann nicht mehr passieren, dass man eine Waschmaschine kaufe und „nach fünf Jahren keine Ersatzteile mehr bekommt", so Lemke. Für verfügbare Ersatzteile plädiert denn auch Daniel Affelt. Allerdings spielt dabei die Preispolitik eine wichtige Rolle. Wenn beispielsweise ein neuer Saugroboter 80 Euro koste, der Staubkorb dafür aber schon 45 Euro, stünde das in keinem Verhältnis, erläutert er an einem aktuellen Beispiel aus seinem Alltag. Das sei absurd, und durch „so eine Preispolitik" lasse sich eine Reparatur „auch verhindern". Ein anderer Aspekt, der oft vergessen werde, sei auch die Software technischer Geräte, sagt Affelt. Wenn es nach einer Weile keine Updates für die Software mehr gibt, könne man das Gerät auch nicht mehr nutzen. Wie wichtig die Langlebigkeit von technischen Produkten und deren Nachhaltigkeit ist, sieht der Umweltexperte im größeren Kontext: „ Ressourcenschutz ist auch Klimaschutz, das muss man immer zusammendenken."