50 Jahre Bericht Club of Rome, der Denkfabrik für Nachhaltigkeit. Ein Weckruf für radikale Veränderung, der heute noch drängender nötig ist als vor Jahrzehnten.
Er ist ein Stück weit Opfer des eigenen Erfolgs. Mit seinem Bericht zu den „Grenzen des Wachstums" hat der Club of Rome das Thema Nachhaltigkeit auf die globale Agenda gesetzt. Kein Wahlkampf und kein Regierungsprogramm kommen ohne diesen Begriff aus, keine große Konferenz, aber auch kein Unternehmen, keine Schule, kein Verein. Eigentlich ist es eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Nur während kaum einer um das Wort Nachhaltigkeit herumkommt, werden die Herausforderungen immer drängender und die Zeit immer knapper. Sicher hat sich seit dem ersten Bericht des Club of Rome vieles verändert und verbessert. Nur eben weder in der Konsequenz noch in der Nachhaltigkeit, die dazu führen könnte, dass wir heute einigermaßen ruhig schlafen können. Ganz im Gegenteil.
Die Mahnungen vor einem halben Jahrhundert haben die damalige junge Generation stark beeindruckt und geprägt. Es schien eine Zeit des Aufbruchs zu einem neuen Denken anzubrechen, zumindest in Teilen der Gesellschaft. Aus einer bunten Alternativbewegung zogen die einen auf selbstbewirtschaftete Bauernhöfe, andere setzten auf politische Veränderung. Acht Jahre nach den „Grenzen des Wachstums" wurden „Die Grünen" als politische Partei gegründet. Erstaunlich genug, dass ausgerechnet die Grünen in Europas stärkster Wirtschaftsnation, dem industriellen Deutschland, eine konstante politische Kraft geworden und geblieben sind, im Gegensatz zu den großen europäischen Nachbarn.
Die damals junge Generation fand einen plakativen Slogan und sichtbaren Ausdruck für die Grundhaltung, in allen Bereichen – auch und besonders im Wirtschaften – umzudenken: „Jute statt Plastik". Ein halbes Jahrhundert später sind tatsächlich Plastiktüten zum Großteil aus dem Geschäften verbannt. Wie viel allerdings in der Zwischenzeit in Plastikteppichen durch die Ozeane treiben und wie viele Tiere daran jämmerlich verendet sind und noch verenden werden, lässt sich allenfalls grob berechnen. Und ganz nebenbei: der Großteil der Stofftaschen kommt (wie auch Shirts) von rund um den Globus zu uns, unter anderem aus China. Im Ergebnis wird dann zwar Plastiktütenmüll reduziert – ohne Zweifel ein Fortschritt. Aber ob sich dann die industrielle Stofftaschenproduktion als besonders nachhaltig einstufen lässt, ließe sich dann bei genauerer Betrachtung auch nur mit einem Fragezeichen versehen. Ein Beispiel, das zeigt, wie hochkomplex Zusammenhänge sind, wenn es um Zukunftsprobleme der Menschheit und des Planeten geht, also das Hauptanliegen des Club of Rome.
Die Zeit wird immer knapper
Die Art zu leben und zu wirtschaften hat letztlich dazu geführt, dass der „World Overshoot Day" immer weiter vorrückt. Dieser Welterschöpfungs- oder auch Erdüberlastungstag ist der Tag, ab dem die Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen größer ist als die Reproduktionsfähigkeit der Erde für diese Ressourcen. Die Menschheit verbraucht schlicht mehr, betreibt also unwiederbringlichen Raubbau.
Und damit steht die Menschheit heute in einer Situation, die schon mit vielen Superlativen und dramatischen Vergleichen beschrieben wurde – und das völlig zu Recht. „Kipp-Punkte", ab denen eine Entwicklung unumkehrbar wird, sind nicht mehr nur theoretisch hochgerechnete Szenarien in irgendeiner Zukunft, wie sie der Club of Rome zu Beginn vorgelegt hat, sie stehen uns unmittelbar vor Augen.
Das spiegelt sich auch in dem vielbeachteten Spruch des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz vor fast genau einem Jahr (März 2021) wider, der im Kern eine „Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen" festhält, die „ein Grundrecht auf das ökologische Existenzminium" hätten. Damit sind höchstrichterlich neue Maßstäbe gesetzt. Um die einzuhalten, stößt das bislang gewohnte Wachstum mehr als deutlich an seine Grenzen, und der zeitliche Druck ist durch die Zögerlichkeiten und Halbherzigkeiten der Vergangenheit enorm.
Politisch herrscht derzeit das Schlagwort einer „Versöhnung von Ökonomie und Ökologie" vor. Gerungen wird zumeist allenfalls darum, welchen der beiden Seiten das größere Gewicht beigemessen werden soll. Immer noch überwiegend scheint die Überzeugung, mit technologischem Fortschritt und Innovation der Herausforderung begegnen zu können, was letztlich bedeutet, im bestehenden Wirtschaftssystem zu arbeiten. Die Stimmen, die eine grundlegend andere Form des Wirtschaftens einfordern, sind zwar deutlich vernehmbar, aber offensichtlich derzeit nicht mehrheitsfähig. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck versucht, mit seinen Vorstellungen einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft Transformation innovativ zu gestalten, so der Titel einer Grundsatzrede vor dem Bundestag. „Es ist möglich, das BIP-Wachstum von Treibhausgasemissionen zu entkoppeln", sagt Habeck, und liegt an der Stelle gar nicht weit weg vom jüngsten Statement von Club of Rome-Mitgliedern.
Die Diskussion um ein Wirtschaften, das auf Wachstum ausgerichtet wird, wird weiter geführt werden. Ständiger Begleiter wird das Schlagwort von der Nachhaltigkeit sein, was nicht unbedingt zu mehr Klarheit und Orientierung führt. „Nachhaltigkeit" wird inzwischen derart inflationär verwendet, dass es in vielen Diskussionen schon ziemlich sinnentleert daherkommt. Und in anderen Debatten empfiehlt sich, erst mal zu klären, wer was damit meint, wenn er (oder sie) von Nachhaltigkeit spricht.
Der Club of Rome hat unzweifelhaft wesentlichen Anteil daran, dass sich die Diskussion verändert hat. Das kommt in dieser Form nicht allzu oft vor. Dass die Konsequenzen aus den Grundgedanken bislang so bescheiden daherkommen, ist den Mahnern und Forschern nicht anzulasten. Genau deshalb aber bleibt ihre Arbeit weiter dringend nötig. Mit 50 ist keine Zeit, an Ruhestand zu denken.