Die Billigmarke Dacia macht auch bei E-Autos mit einem Preisknaller von sich reden. Der Dacia Spring ist ein Mini-SUV mit Abstrichen, aber braucht man mehr Pkw als das?
Man könnte so viel lästern: Der Autoschlüssel ist so leicht, dass er ein Fake aus dem Spielwarenhandel sein könnte. Das Navi ist kaum intuitiv zu bedienen. Die Sitzpolster sind dünn, das Fahrwerk gibt sich rumpelig, die Türen klingen blechern. Der Innenraum – eine einzige Hartplastikwüste. Aber stop mal. Mit was haben wir es hier denn zu tun? Mit nicht mehr und nicht weniger als Deutschlands billigstem Elektroauto. Ab rund 11.000 Euro ist man dabei, wenn man den Umweltbonus abzieht. Dank der rumänischen Renault-Tochter Dacia können Autofahrer ab einem Einstiegspreis von 21.790 Euro auf E-Mobilität umschwenken. Und hält man die Elektromotoren für den Königsweg zu emissionsfreier Mobilität, dann böte der Günstigpreis auch einen Anreiz für mehr Klimaschutz hinter dem Autolenkrad. Mit Nachsicht also sollte man sich dem Dacia Spring nähern. Am besten, man geht vorher in sich: Wie viel Auto ist für die eigenen Zwecke wirklich nötig?
Klar ist: Wenn auch ein Stromer, in der Liga der reichweitenstarken Batteriemodelle wie BMW iX (bis zu 631 Kilometer) oder Mercedes EQS (bis zu 784 km) spielt der Spring längst nicht mit. Im reinen Reichweitenvergleich misst er sich mit Modellen wie dem Mini Cooper SE (234 km) oder Honda e (222 km), andere überbietet er – so den Renault Twingo Electric (190 km), den Smart (bis zu 159 km) oder den Fiat 500 mit kleiner Batterie (ab 190 km).
Mangels Reichweite kein Reiseauto
Für Vortrieb sorgt im frontgetriebenen Spring ein Akku mit 27,4 Kilowattstunden. Auf der Dacia-Website können Kunden einen Reichweitenrechner (https://www.dacia.de/modelle/spring/batterie-und-laden.html) nutzen, der maximal erzielbare 250 Kilometer ausgibt – allerdings bei Idealbedingungen von 20 Grad Celsius Außentemperatur und 30 km/h Fahrgeschwindigkeit. Verschiebt man dort die Regler auf fünf Grad Celsius und 120 km/h werden nur noch 72 Kilometer angezeigt. Ein Reiseauto ist der Spring nicht, ein Stadtauto, das alle paar Tage an die Steckdose muss, schon eher. Laut der Regierungsstudie „Mobilität in Deutschland" von 2018 legen die Deutschen täglich zwischen 22 und 37 Kilometer mit dem Auto zurück.
Wir drehen den Zündschlüssel für unsere ersten Kilometer. Bei gehaltener Fußbremse wird der Drehregler in der Mittelkonsole auf „D" für Drive gestellt, und schon lässt sich der Spring stromertypisch fast lautlos von der Stelle bewegen. Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist einzig ein spaciges Außengeräusch zu hören, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, um andere Verkehrsteilnehmer zu warnen.
Und es stellt sich typisches E-Auto-Feeling ein: Auch im Dacia fasziniert die lineare Beschleunigung ohne jeden Schaltvorgang. Doch eine Sprintorgie sollte man nicht erwarten. Der erste Antritt ist noch spritzig und durchaus frei von Schlupf, doch alsbald wird’s zäh. Es fühlt sich an, als müsse der E-Motor sein Drehmoment wie bei einem Benziner erst aufbauen. Fast 20 Sekunden dauert es, bis man auf Tempo 100 ist, und schneller als 125 km/h kann das Modell mit Rücksicht auf den Stromverbrauch ohnehin nicht fahren. Für zügiges Mitschwimmen im Stadtverkehr reicht es aber allemal.
Dabei muss man den Fahrkomfort als durchwachsen einstufen. Bei der Fahrt über Kopfsteinpflaster federt der Dacia plump aus, die Sitze mit wenig Seitenhalt sind funktional, aber nicht mehr. Wäre der Spring ein Langstreckenauto, wäre das ein herber Kritikpunkt. Auch bei der Lenkung lässt sich mit Blick auf das urbane Anwendungsszenario ein Auge zudrücken: Sie besitzt so gut wie keine Rückstellkräfte, das Lenkrad gleitet nach Kurven nicht zurück in die Mittellage. Die Lenkung fühlt sich also ultraweich an. In der Stadt, wo selten sportliche Ambitionen walten und mehr das Rangieren gefragt ist, ist das gar nicht so unangenehm – bleibt aber Geschmackssache. Was wohl weniger für die fette C-Säule gilt, die die Sicht nach hinten einschränkt. Zum Glück ist im Testwagen eine aufpreispflichtige Rückfahrkamera an Bord. Wer dann doch mal schneller fährt, nimmt deutliche Abrollgeräusche wahr. Und wer bei Nässe und Nebel dem Gebläse freien Lauf lässt, wird ebenfalls akustisch nicht gerade unterversorgt. Die wichtigere Versorgung findet aber an der Steckdose statt. Die maximale Ladeleistung liegt bei 30 kW – das ist nicht sonderlich viel und nur mit einem CCS-Anschluss möglich, der 600 Euro extra kostet. An einer Schnellladestation lässt sich der Stromspeicher damit bis zu 80 Prozent der Reichweite in immerhin unter einer Stunde befüllen. Per Wechselstrom (AC) an einer üblichen Haushaltssteckdose mit bis zu 6,6 kW geladen, dauert alles wie bei jedem E-Auto unpraktikabel lange. Über die kostenlose Dacia-App lässt sich die Ladefunktion aus der Ferne an- und abschalten, die Reichweite nachsehen und das Mini-SUV orten.
Nur einer von fünf Sternen bei Crashtests
Apropos mini: Die geringe Fahrzeuglänge von 3,73 Metern und der kleine Wendekreis von 9,5 Metern kommen zwar der Handlichkeit zugute. Doch im Viersitzer der Gattung Kleinstwagen wird es hinten eng. Knie- und Kopffreiheit auf der Rückbank sind arg begrenzt, der Kofferraum birgt ein Volumen von nur 290 Litern. Doch unter der Abdeckung überrascht im Testwagen ein richtiges Ersatzrad als Teil der „Comfort Plus"-Ausstattung. Dieses enthält auch ein Technik-Paket mit Sieben-Zoll-Touchscreen, Digitalradio (DAB+), Navigationssystem und Smartphone-Integration (Apple und Android), die gut funktioniert. Was für die Spracherkennung weniger gilt: Auf den Befehl „Navigation" ging das Radio an, ein andermal spielte ungefragt Apple Music, was im Zweifel mobile Daten kostet.
Solche Dinge muss man im Dacia Spring hinnehmen, dabei ist die Serienausstattung mit Klimaanlage, Lederlenkrad und Notbremsassistent gar nicht so übel. Ausgerechnet beim Thema Sicherheit aber patzt er. Beim Euro-NCAP-Crashtest erzielte der in China schon seit Längerem als Renault K-ZE vermarktete elektrifizierte SUV-Knirps nur einen von fünf Sternen (https://cdn.euroncap.com/media/66949/euroncap-2021-dacia-spring-datasheet.pdf). Größte Kritikpunkte: Mangelhafter Insassenschutz, mangelhafter Fußgängerschutz. Renault betont, der Spring erfülle „zu 100 Prozent" europäische Sicherheitsvorschriften und gehe teils darüber hinaus. So seien das automatische Notbremssystem oder der Feuerwehrmann-Zugang in europäischen Vorschriften nicht vorgesehen. „Dacia zielt für seine Fahrzeuge nicht auf Euro-NCAP-Sterne, denn das würde bedeuten, dass wir Fahrzeuge mit Funktionen und Technologien ausstatten, für die die meisten unserer Kunden nicht bereit sind zu bezahlen", sagte ein Konzernsprecher. Womit wir wieder beim Preis wären.