Der Dehoga verleiht zum zweiten Mal das Siegel „Top-Ausbildungsbetrieb“ an zwei saarländische Hotels – in einer Zeit, in der die Branche weiter unter massivem Druck steht und der Wettbewerb um Fachkräfte stetig zunimmt. Hauptgeschäftsführer Frank Hohrath wirbt daher für die duale Ausbildung.
Herr Hohrath, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband hat ein neues Ausbildungssiegel ausgelobt,
warum ein neues?
Das Siegel Top-Ausbildungsbetrieb hat der Dehoga bundesweit vereinheitlicht, damit ist es nun besser möglich, auch Länder untereinander zu vergleichen. Zuvor gab es länderspezifische Siegel mit unterschiedlichen Kriterien, die nun durch ein neues Verfahren, in das auch die Auszubildenden stark miteinbezogen werden, abgelöst wurde. Die Azubis werden anonym zu ihren Ausbildungsbetrieben regelmäßig befragt. Zu den Kriterien gehört zum Beispiel auch die Vergütung, ob man sich am Tarif orientiert, ob es Mentoren gibt, feste Ansprechpartner, Arbeitszeiten und vieles mehr. Im Saarland war die Seezeitlodge der erste Betrieb, der dieses Siegel erhielt. In diesem Jahr geht es an das Parkhotel Weiskirchen und das Victor’s Residenz Hotel am Deutsch-Französischen Garten.
Was versprechen sich die Betriebe davon?
Zum einen ist es eine Bestätigung für den Betrieb für hervorragende Ausbildungsbedingungen und dadurch auch als Marketing-Instrument beim Werben um Fachkräfte interessant. Denn die Branche leidet unter Nachwuchsproblemen.
„Überall einen job finden“
Dies war bereits vor der Corona-Krise so?
Ja. Bereits vor Corona fehlten zum Beispiel Restaurantfachleute. Und dennoch: Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse zwischen 2019, wenn wir dies als „Normaljahr“ kennzeichnen, und dem ersten Coronajahr 2020 ist um 56 Prozent zurückgegangen. Dank staatlicher Programme wie der Ausbildungsprämie und dem Engagement der Betriebe ist es gelungen, dies auf 14 Prozent gegenüber 2019 zu reduzieren. Aber Minus bleibt Minus, um jeden Auszubildenden wird gekämpft. Wenn sich für diesen die Frage stellt, wo gehe ich hin und stimmt das alles, was man mir erzählt, ist ein solches Siegel eine gute Orientierung.
Woran liegt es, dass sich zu wenige Menschen für die Hotel- und Gastgewerbe-Berufe interessieren?
Unter anderem daran, dass wir diese Berufe auch gut vermitteln müssen. Der Verdienst steht bei vielen Azubis gar nicht mehr an erster Stelle, wobei wir im Saarland im oberen Drittel Deutschlands rangieren. Viele Menschen haben zum Beispiel, wenn es um das Berufsbild Koch geht, eine bestimmte Vorstellung: Es sei etwas Kreatives, man kann Sterneauszeichnungen erhalten. Das stimmt beides. Die Realität aber ist vielfältiger und härter. Der Beruf ist körperlich anstrengend, die Arbeitszeiten sind nicht mit Bürojobs vergleichbar, in der Küche herrscht bei Hochbetrieb eine große Anspannung und eine strenge Ordnung. Damit muss man klarkommen. Deshalb rate ich jedem, Praktika zu machen. Dennoch haben viele Berufe im Gastgewerbe ein schlechtes Image – Wirt werden kann im Grunde jeder mit polizeilichem Führungszeugnis, Schuldenfreiheit und einer Lebensmittelschulung von acht Stunden. Hier tappen auch Gutwillige in eine Falle.
Was muss sich also ändern, oder vielmehr, wie gehen Betriebe damit um?
Hotels wie die ausgezeichneten sind sich darüber im Klaren, dass sie künftig mehr Azubis brauchen werden, als sie in ihrer direkten Umgebung finden. Es gibt Betriebe, die mittlerweile eigene Wohnhäuser und Wohnungen für Azubis bereitstellen, die nicht aus dem Saarland stammen. Wir könnten mehr Franzosen in unsere Betriebe integrieren, doch die duale Berufsausbildung ist in Frankreich leider nicht hoch angesehen. Woran es noch hapert, ist die Sprachbarriere. Da gibt es Initiativen, doch entsprechend interessiertes Personal jenseits der Grenze zu finden ist schwierig. Entscheidend bleibt jedoch, das eigene Personal auch im eigenen Haus auszubilden.
„Die Anforderung steigt“
Worin liegen denn die Vorteile einer deutschen Ausbildung im Gastgewerbe?
Der Vorteil liegt darin, dass ich mit einer abgeschlossenen deutschen Ausbildung in diesem Gewerbe überall in der Welt einen Job erhalte – ob auf einem Kreuzfahrtschiff, in der internationalen Hotellerie, ein für Frauen sehr durchlässiger Job mit vielen weiblichen Führungskräften.
Die Ausbildung hat nach Angaben aller Verbände massiv gelitten in den vergangenen beiden Jahren, diese aber nicht alleine. Was sind die weiteren Auswirkungen?
Wir erinnern uns an die Lockdowns 2020, an die völlig verregnete Zeit des Saarland-Modells, dann an die Bundesnotbremse. Aus dem Kurzarbeitergeld, das die Branche mit allen anderen Hilfen über die Krise zu tragen versuchte, sind allerdings die vielen 450-Euro-Kräfte rausgefallen. Die brauchen wir in der Branche, da wir sehr unterschiedlichen Arbeitsanfall haben. Wir haben tägliche, wöchentliche und saisonale personalintensive Spitzenzeiten, und da sind die Minijobber Teil eines eingespielten Teams. Diese sind jedoch abgewandert, zu Discountern beispielsweise. Aber auch Facharbeiter haben uns verlassen, Köche haben sich nach Jobs in Kantinen umgeschaut. Ob sie wiederkommen, ist fraglich. Ein kurzer Lauf im Sommer 2021 hat der Branche insgesamt ein wenig Luft verschafft, aber letztlich nicht viel. Umgekehrt bedeutet dies aber derzeit auch, dass wir einen Arbeitnehmermarkt vorfinden, das heißt, Fachkräfte können sich ihren Arbeitgeber quasi aussuchen. Die Branche insgesamt schrumpft, die Anforderungen an die Betriebsführung werden größer: Finanzen, Marketing und vieles mehr. Die Personalsituation kommt nun dazu. Die hier ausgezeichneten Betriebe haben hier alles richtig gemacht, denn sie haben noch ausreichend Auszubildende. Im Übrigen gilt dies nicht nur für große Betriebe, auch wenn es größere Hotels sind, die nun ausgezeichnet wurden. Auch viele kleinere, familiär betriebene Hotels im Land verfügen über die besten Voraussetzungen dafür, dieses Siegel zu erhalten. Aber ich verstehe, wenn viele Betriebe sagen, unser Überleben ist in diesen Zeiten erst einmal wichtiger.
Die Wirtschaftshilfen werden weiter verlängert, ließ der Bundeswirtschaftsminister verlauten, auch die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf 28 Monate. Wo liegen die Schwierigkeiten derzeit?
Das Signal ist zu begrüßen. Trotz der angekündigten Lockerungen wird der Start schwer. Denn wir haben keine Ahnung, wie schnell eine „Normalität“ einkehren wird – mit Essen gehen, in Urlaub fahren, Hotels besuchen. Das heißt, dass wir noch längere Zeit mit der Möglichkeit von Kurzarbeit und schwachen Umsätzen rechnen müssen. Und das bei steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel sowie bei den Löhnen.