Schätze aus der Kunstkammer Würth und Gemälde von Anna Dorothea Therbusch, einer heute fast vergessenen Malerin aus dem 18. Jahrhundert, zeigt das Berliner Kulturforum.
Es ist nicht so, dass es vor 300 Jahren keine Malerinnen gegeben hätte. Frauen betätigten sich zu allen Zeiten in der Kunst, nur wurden sie von den Institutionen in der Regel ausgeschlossen und „übersehen“. Doch insbesondere wenn die Künstlerin aus einer gut situierten Familie stammte oder ihr Vater bereits Maler war, dann gingen sie informierter und selbstbewusster an ihre Karriere heran. So wie im Fall der „Anna Dorothea Therbusch. Eine Berliner Künstlerin der Aufklärungszeit“. Unter diesem Titel stellt die Gemäldegalerie Berlin sie zum 300. Geburtstag vor.
Aus heutiger Sicht erscheint es „typisch“, dass Anna Dorothea Therbusch (1721–1782) erst ihre fünf Kinder aufziehen und ihren Mann in seiner Gastwirtschaft unterstützen musste, bis sie sich im 40. Lebensjahr stärker ihrer Passion, dem Malen, widmen konnte. Immerhin stammte sie aus einer Künstlerfamilie: Ihr Vater, Georg Lisiewsky, durfte sich Hofmaler nennen, hatte er doch neben zahlreichen preußischen Offizieren auch den König Friedrich II. porträtiert. Dazu muss man sagen, dass Friedrich der Große sich nicht zum Modellsitzen herabließ; da musste der Maler schon seine Fantasie etwas spielen lassen.
Ambitionierte Reise nach Paris
Im Jahr 1765 trat Anna Dorothea Therbusch eine Reise nach Paris an. Schließlich galt die Académie Royale de Peinture et de Sculpture als renommierteste Ausbildungsstätte, sofern man die Aufnahmeprüfung schaffte. Die Berlinerin reichte also eines ihrer Bilder ein – und bekam es mit einer Absage wieder zurück. Ein solch anspruchsvolles Werk könne eine Frau nicht selbst gemalt haben, hieß es zur Begründung. Mit einer zweiten Arbeit konnte sie die Jury dann überzeugen.
Dass Frauen nicht an den Aktklassen teilnehmen durften (und auch nicht an den Wettbewerben), hielt Therbusch nicht davon ab, kaum bekleidete Figuren zu malen. In der Ausstellung mit insgesamt zwölf Werken von ihr findet man „Jupiter und Antiope“, leicht geschürzt in der freien Natur, und eine „Junge Frau im Negligé“. Zu Letzterer soll sie durch erotische Literatur ihres Pariser Bekannten, dem Enzyklopädisten und Kunstkritiker Denis Diderot, inspiriert worden sein. Doch das sind Rokoko-Spielereien, zu denen sich in der Gemäldegalerie auch Bilder von Watteau und Pesne gesellen.
Auch der preußische König schätzte den französischen Stil, und so schaffte es Therbusch nach ihrer Rückkehr, nicht nur ihn und seine jüngste Schwester Amalie zu porträtieren. Die Künstlerin, die seit ihrer Aufnahme an der Pariser Akademie mit „Peintre du Roy de France“ unterzeichnete, wurde in Berlin bald zur populären Gesellschaftsmalerin. Hier sticht ihr Gemälde „Henriette Herz als Hebe“ von 1778 heraus. Das Bild zeigt die 14-jährige Tochter eines portugiesischen jüdischen Arztes kurz vor ihrer Hochzeit. Dargestellt als Göttin der Jugend und Mundschenkin im Olymp hatte es einen besonderen Platz in ihrem berühmten Salon.
Weitere weibliche Werke aus der Sammlung der Gemäldegalerie belegen die Präsenz von Frauen am damaligen Kunstmarkt: Am bekanntesten ist sicher Maria Angelica Kauffmann („Bacchantin“), dazu Elisabeth Vigée-Lebrun („Prinz Henryk Lubumirski als Genius des Ruhmes“) sowie Anne Vallayer-Coster („Stilleben“). Doch für alle galt: Gut zu malen, reichte als Frau nicht. Ihre Bilder mussten superb sein. So beeilte sich die Académie Royale, 1770 eine Höchstquote von vier weiblichen Mitgliedern einzuführen.
Nachdem 1772 ihr Ehemann gestorben war, teilte sich Anna Dorothea Therbusch mit ihrem Bruder Christoph ein Atelier in der Straße Unter den Linden. Auch ihre Schwester Barbara Rosina malte. Zwölf Selbstbildnisse sind von Anna Dorothea Therbusch bekannt, zwei Spätwerke davon sieht man in der Schau. Ein großes, unvollendetes zeigt sie weißhaarig, mit einem Augenglas, als aufgewecktes und belesenes Individuum. Auf dem kleineren Bild wirkt sie älter, „ausgezehrt“, schreibt die Kuratorin Nuria Jetter dazu.
Therbusch starb im Alter von 61 Jahren.
In ihrem Leben hat sie rund 200 Gemälde geschaffen. Sieben lebensgroße Porträts der preußischen Königsfamilie hängen, von der Zarin Katharina der Großen bestellt, in der St. Petersburger Eremitage. Das Dutzend Bilder in der Gemäldegalerie Berlin ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
Charaktervolle Selbstbildnisse
Gleich nebenan, im Kunstgewerbemuseum, zeigt man „Illustre Gäste. Kostbarkeiten der Kunstkammer Würth“. Es ist „die große Welt im Kleinen“, wie die Direktorin Sabine Thümmler zur Eröffnung sagte, „ein Einblick in die göttliche Schöpfung“ – aus der Perspektive barocker Kunsthandwerker und ihrer Sammler. Dabei ist ihr jüngster Besitzer der Unternehmer und Mäzen Reinhold Würth. Seine über 18.500 Werke umfassende Sammlung streckt sich über mehr als 500 Jahre Kunstgeschichte. Allerdings ist der weitaus größte Teil davon zeitgenössisch. Aus der kleinen Kunstkammer Würth kamen 60 Objekte nach Berlin.
Bekanntermaßen dienten „Wunderkammern“ vor Jahrhunderten der Entdeckung, Anregung. Sie waren für ihre fürstlichen oder geistlichen Besitzer eine Möglichkeit, sich Wissen anzueignen und ihren Gästen Exotisches zu zeigen. So gelingt der Einstieg in die Schau mit dem Bild „König Salomon und die Königin von Saba“ aus dem 17. Jahrhundert, denn der König präsentiert ihr seine Schätze: Goldobjekte, Münzen, Schmuck. Umstehende bewundern von Balustraden herab den Reichtum; Wächter sind im Raum platziert. Es ist die früheste Darstellung einer Kunstkammer.
Auch der kleine höfische Kunstschrank (Augsburg, um 1610) hilft, sich vorzustellen, wie in den winzigen, verzierten Schubladen wertvolle Stücke versteckt wurden. Den Kuratorinnen gelingt es, das Sammelsurium – im wahrsten Sinne des Wortes – in acht Themenbereiche zu ordnen. Man sieht „Göttliche Körper“ in Form von idealen Statuetten, oft aus Elfenbein. „Die Andacht im Privaten“ zeigt sich in Hausaltären und Schmerzensmännern, während „Der gefühlvolle Blick“ ebenfalls auf christliche Motive, Madonnen und Heilige Familien fällt.
Den Anstoß zu dieser Kollektion des Gegenwartskunstsammlers Würth gab der schwäbische Bildhauer Leonhard Kern (1588–1662). Er stammte aus Forchtenberg und somit aus der gleichen Region wie der in Öhringen geborene Unternehmer. „Seit Ende der 80er-Jahre sammelt Reinhold Würth aus Kunstkammern“, erklärt seine Kuratorin Sonja Klee. „Er bewundert die Perfektion, die Qualität und Ästhetik der Arbeiten.“ Schon zu ihrer Entstehungszeit zeugten die feinen Skulpturen von der Bildung des Besitzers.
Doch auch die Unterhaltung durfte nicht zu kurz kommen. Im Kapitel „Sex und Gewalt im antiken Gewand“ berauschten sich die Kunstkenner an geraubten Frauen und Amorknaben. Verpackt in antike Mythologie wie den Raub der Sabinerinnen konnten erotische Fantasien trotz strenger katholischer Moral ihren Platz finden.
Ausladende Tafeln und ihr prunkvoller Schmuck drehten sich aber auch oft auch um Jagdthemen. Unter dem Titel „Kostbare Gastlichkeit“ wird beispielsweise eine „Diana auf dem Hirsch“ dargestellt. Mit einer Aufziehmechanik konnte sich das metallene Tier über den Tisch bewegen und fuhr – gefüllt mit Wein – unkontrolliert hin und her. Die höfischen Spiele wie Trinkschiffe auf Rädern, seltene Nautilus- und Bernsteinpokale animierten zum zügellosen Genuss.
Der Souverän als Kunsthandwerker
Das enorme Geschick der Kunsthandwerker gipfelt in den „Gedrechselten Preziosen“. Besonders beliebt waren Contrefaitkugeln, die mittels eines Zugmechanismus zwei unterschiedliche Bildnisse freilegten. Das Staunen konnte nur noch durch spektakuläre Arbeiten des Herrschers selbst getoppt werden. Fürsten ließen sich daher im Elfenbeindrechseln unterrichten, um bei ihren Besuchern Bewunderung zu erheischen: Die Meisterstücke bewiesen die ruhige Hand des Souveräns, der gottähnlich die Materie bearbeitete. „Die Hauptleistung lag dabei aber wohl beim Mechanicus, der die Drechselbank einrichtete“, so die Kuratorin.
Ergänzt um zehn erlesene Stücke des Gastgebers wird anschaulich, wie aus fürstlichen Wunderkammern königliche Sammlungen und später städtische Museen wurden. Die ersten Besitzer haben dabei wertvolle Vorarbeit geleistet, indem sie anfingen, die Objekte von eigenen Kunstkennern – frühen Kuratoren – systematisieren zu lassen. So ist es nur schlüssig, dass die illustren Gäste im Kunstgewerbemuseum inmitten des „hauseigenen“ Lüneburger Tafelsilbers und Brüsseler Tapisserien ausgebreitet werden. „Man braucht ein bisschen Muße, um sich darauf einzulassen, zu entdecken“, sagt Direktorin Sabine Thümmler, und sie empfiehlt, „am besten jemanden mitzubringen, um sich austauschen zu können.“