Trotz Messeabsage findet nun doch ein Wiedersehen in Leipzig statt. In wesentlich kleinerem Format, aber doch mit einer Vielzahl von Möglichkeiten, spannende Autorinnen und Autoren unter anderem aus Portugal und Südosteuropa kennenzulernen.
Schon zum dritten Mal musste sie abgesagt werden, die Leipziger Buchmesse. Und der Frust, die Besorgnis, die Enttäuschung waren groß. Ein weiteres Jahr ohne das beliebte Frühjahrstreffen der Buchbranche, das Leserinnen und Leser aller Altersgruppen, also Literaturbegeisterte schlechthin zusammenbringt – und das, obwohl im vergangenen Oktober eine Frankfurter Buchmesse wohlgemerkt stark reduziert und unter strengen Schutzbestimmungen stattfand?
Wie es dazu kommen konnte, dafür gibt es eine ganze Vielzahl von Gründen: Buchmesse-Direktor Oliver Zille hatte bis zuletzt voller Elan darum gerungen, die Verlage bei der Stange zu halten. Auch das Land Sachsen hatte mit einer angepassten Corona-Verordnung eigentlich grünes Licht gegeben. Am Ende hatte es dann aber doch nicht sollen sein: Vor allem die Absage einiger großer Häuser wie Random House, der Holtzbrinck Verlagsgruppe (umfasst Rowohlt und Kiepenheuer & Witsch) und der Bonnier Verlage (Ullstein, Piper) hat die Wirtschaftlichkeit der Messe, die, so hatte es Zille stets betont, nur in ihrer vollen Auslastung liege, am Ende derart ins Wackeln gebracht, dass nur noch die Absage als Ausweg blieb.
Buchmesse-Popup und andere spontane Events
Waren die Großkonzerne zu vorsichtig, hätten sie mutiger sein müssen? Es ist vielleicht zu schnell gedacht, ihnen den Schwarzen Peter zuzuschieben: Es ist nun einmal noch Corona-Zeit, und gerade in großen Unternehmen ist die Homeoffice-Pflicht noch immer oberstes Gebot. Und aus dem harschen Omikron-Winter in das trubelige Treiben des Bücherfrühlings durchzustarten, das ist dann doch etwas anderes, als nach einem relativ entspannten Sommer 2021 vergleichsweise gelassen zur Frankfurter Buchmesse zu fahren.
Doch das Problem bleibt: Wie Neuerscheinungen präsentieren, Lesungen und Pressetermine vorbereiten, ohne das Medienereignis im März, das die Buchmesse stets verlässlich darstellte? Gerade kleinere Verlage, und das liegt ja auf der Hand, sind mit ihren schmalen Budgets auf jede Möglichkeit, Öffentlichkeit zu schaffen, angewiesen.
Und so entstand in den Tagen des Katzenjammers nach dem Messe-Aus in einigen Verlagshäusern eine trotzige Aufbruchsstimmung: Allen voran Gunnar Cynybulk, Verleger des noch ganz jungen Kanon Verlags aus Berlin und Leif Greinus vom traditionsreichen Indie-Haus Voland & Quist bliesen zur Flucht nach vorne: „Unser aller Autor*innen und ihre Bücher brauchen die positive Energie, die von Leipzig im Frühjahr ausgeht“, so das einhellige Statement. Innerhalb weniger Tage entstand ein Veranstaltungskonzept, das nun als „buchmesse-popup Leipzig“ in einer Veranstaltungshalle am Connewitzer Kreuz mit über 50 Verlagen und einem großen Veranstaltungsprogramm an den Start geht – darunter illustre Namen wie Suhrkamp, Aufbau und Klett-Cotta und ein Solidaritätsabend für die Ukraine, der zusammen mit dem PEN durchgeführt werden soll. Dezidiert nicht in Konkurrenz zur Leipziger Buchmesse, auf die 2023 alle wieder setzen, das machen die Veranstalter klar: „Wir lassen Leipzig vom 18. bis 20. März ein wenig erstrahlen und freuen uns auf eine reguläre Messe 2023“, so gibt Leif Greinus dem „Börsenblatt“ zu verstehen. Aber die charmante Herangehensweise des „Do it yourself“ beeindruckt nachhaltig. Denn mittlerweile gibt es parallel zahlreiche weitere Initiativen, vom #buchbesuch einiger Leipziger Verlage wie Seemann Henschel, Faber & Faber und Klett Kinderbuch, die in ihre Räumlichkeiten laden, bis hin zur Lesenacht der „Leipziger Volkszeitung“ in der LVZ-Kuppel am Peterssteinweg, bei der etwa die für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierte Heike Geißler ihren Roman „Die Woche“ (Suhrkamp Verlag) vorstellen wird, und der Independent-Aktion „weiter:lesen22“ im Felsenkeller, die flankiert wird von einem umfangreichen Kinderprogramm der Buchkinder Leipzig e.V. Deren Stand war auf der Buchmesse immer ein beliebter Publikumsmagnet. Selbst das Blaue Sofa des ZDF, sonst Stammgast in der berühmten Glashalle des Messegeländes, hat sich für das Wochenende vom 17. bis zum 18. März in der Leipziger Kongresshalle angekündigt. Platz nehmen wird dort neben vielen anderen auch der aktuelle Literaturnobelpreisträger, der tansanische Schriftsteller Abdulrazak Gurnah, dessen neu ins Deutsche übersetzter Roman „Ferne Gestade“ im März erscheint.
„Leipzig liest“ trotz des Katzenjammers
der Autor Gonçalo M. Tavares - Foto: picture alliance / dpa
Und die Leipziger Buchmesse? Macht das Beste daraus: „Leipzig liest trotzdem“ heißt es in einer Presseaussendung vom 24. Februar, in der gesammelt das breite Programm von Lesungen und Spontan-Initiativen vor Ort beworben wird. Denn das ist die Leipziger Buchmesse auch: Glutkern für zahlreiche, nicht zwingend direkt mit der Messe zusammenhängende Lesungen im gesamten Stadtgebiet unter dem Motto „Leipzig liest“. So sieht es nun doch nach einem literarisch aufgeladenen März aus. Ein Highlight des Messereigens bleibt Literaturfans dieses Jahr sogar erhalten, nämlich der Preis der Leipziger Buchmesse. Dieser wird – nur eben ohne das breite Publikum vor Ort – wie geplant am 17. März in der Glashalle verliehen werden, begleitet natürlich durch einen Livestream.
Und wie sieht es mit dem Gastland-Auftritt Portugals aus, auf den sich schon viele potentielle Messebesucher gefreut hatten? Auch hier sieht es gut aus. Die portugiesische Kulturrätin Patrícia Salvação Barreto unterstreicht im Sonntagsgespräch mit dem Branchenblatt „Buch-Markt“: „Die Absage der Messe hat uns bestärkt, uns noch mehr anzustrengen, um einer lebendigen und unerwarteten Literatur eine Bühne zu geben.“ Immerhin zehn portugiesische Autoren werden nun also unter dem Motto „Die unerwartete Begegnung des Verschiedenartigen“ zwischen dem 17. und 20. März in der Stadt erwartet, darunter José Luis Peixeto, Dulce Maria Cardoso, Gonçalo M. Tavares, Tatiana Salem Levy, Paulo Moura, Djaimila Pereira de Almeide, Luis Quitais und Margarida Vale de Gato. Im Leipziger Haus des Buches gibt es daneben eine Ausstellung zu José Saramago, Gewinner des Literaturnobelpreises 1998, zu sehen. Immerhin sind im Zeitraum der Planung des Gastland-Auftritts bereits über 50 Bücher erschienen, die neu aus dem Portugiesischen ins Deutsche übersetzt wurden.
Auch die Schwerpunktregion Südosteuropa, die vom Literaturbüro Common Ground bereits 2020 ihren Messestand in Leipzig präsentieren wollte und der ersten Corona-Absage zum Opfer fiel, ist wieder präsent. Unter dem Motto „Wir und sie“ wird es erneut eine anregende Balkannacht, die vierte Balkan Film Week im UT Connewitz und einige virtuelle Veranstaltungen geben.