Natalie Stommel (33) aus Düsseldorf bloggt zu Themen wie Body Positivity und Selbstliebe. Ein Interview über Social Media, Diversity, Werbepartner, Foto-Tricks von Influencern und Beauty-Filter.
Liebe Natalie, für welche Dinge möchtest Du Deine hohe Reichweite nutzen?
Ich möchte mich von ganzem Herzen dafür einsetzen, dass sich jeder so liebt, wie er oder sie ist. Dass wir unsere guten und schlechten Seiten akzeptieren. Und dass wir die Augen mehr für die schönen und positiven Dinge des Lebens öffnen.
Der Begriff „Influencer" ist in letzter Zeit teilweise negativ besetzt. Findest Du es schlimm, dass alle in einen Topf geworfen und schlechtgeredet werden?
Ich persönlich finde es so schade, dass der Beruf des Influencers so negativ besetzt ist, denn im Endeffekt ist jeder von uns ein Influencer – sei es klein im privaten Umfeld oder eben groß über Social Media. Ich möchte mit meinen Followern so reden wie mit einer Freundin und hoffe, dass ich im besten Fall positiv beeinflusse oder zumindest in manchen Punkten zum Nachdenken anrege. Wir werden nie alle einer Meinung sein. Ich bin einfach eine Freundin für jeden, der das möchte.
Ganz ehrlich: Ich bin selbst der Meinung, dass es einige Influencer gibt, die sich ihrer Verantwortung gar nicht bewusst sind – oder sich nicht bewusst sein wollen – und deswegen Dinge tun, die dann natürlich ein schlechtes Bild auf dieses Berufsfeld werfen. Deswegen versuche ich persönlich gar nicht mehr für das ganze Berufsfeld zu sprechen, sondern meine Arbeit so gut es mir eben möglich ist zu machen, um positive Vibes zu verbreiten.
Wie sahen Deine ersten Schritte bei Instagram aus?
Ich habe damals ganz „klassisch" als Mode-Bloggerin angefangen. Habe täglich Outfits von mir gepostet und mich eher mit oberflächlichen Themen beschäftigt. Damals war Instagram aber auch noch eine reine Fotoplattform, deswegen waren die Möglichkeiten, tiefer auf Dinge einzugehen, begrenzt.
Wie ging es dann weiter?
Irgendwann merkte ich, dass mich das, was ich hier tat, nicht mehr erfüllt. Ich habe durch TV-Produktionen etwas an Bekanntheit gewonnen und hätte wahrscheinlich eine Zeit lang auf der Erfolgswelle mitschwimmen können, aber genau das hat mich einfach nicht erfüllt und ich wusste, dass ich etwas mit Mehrwert bieten möchte. Zu der Zeit habe ich mich sehr mit mir selbst beschäftigt und habe Texte über Selbstliebe geschrieben, fast schon als Eigentherapie. Dass ich damit so viele andere tolle Menschen bewegen und teilweise auch zum Umdenken anregen konnte, freut mich natürlich besonders.
Du setzt dich für mehr Realität bei Instagram ein. Was findest du an den derzeitigen Schönheitsidealen unrealistisch und verwerflich?
Ich war und bin immer noch der Meinung, dass jeder so aussehen und leben darf, wie es ihm oder ihr gefällt.
Von mir aus darf sich jeder, der es für sich macht, Schönheits-OPs unterziehen und und und. Was aber nicht sein darf – und das findet meiner Meinung nach noch viel zu sehr auf Social Media und generell den Medien statt – ist das nachträgliche Retuschieren von Gesichtern und Körpern. Denn viele suchen sich ihre Vorbilder eben nicht mehr nur im privaten Umfeld, sondern auch über Social Media. Und sobald die Bilder eines Models/Influencers etc. etwas zeigen, was nicht der Realität entspricht, verzerrt sich eben auch die Wahrnehmung des Betrachters.
Du zeigst auf Fotos, wie man mit der richtigen Pose vorteilhafter beziehungsweise mit schlechter Pose unvorteilhaft wirkt. Hast Du schon immer so zu Dir gestanden und Dich auch mal „unvorteilhaft" gezeigt oder kam das erst mit der Zeit?
Ich habe ja früher sehr viel über Mode und Outfits gepostet und da habe ich – wenn ich mir die Bilder jetzt anschaue –
auch unbewusst Posen eingenommen, die vorteilhaft für mich waren. Gar nicht, um andere damit zu täuschen, sondern weil ich mich selbst damit wohlgefühlt habe. Früher hatte ich aber auch noch nicht das Körperbewusstsein wie heute, was definitiv durch meine Zeit in der Magersucht kam. Wahrscheinlich auch deswegen, weil man mit vermeintlich perfekten Bildern weniger Angriffsfläche bietet als mit einem Bild, auf dem man Cellulite et cetera sieht. Das hätte ich damals mental definitiv nicht geschafft. Letztlich ist die eigene Gesundheit immer noch das Wichtigste.
Womit wird man auf Instagram & Co. bei Fotos – außer mit der idealen Pose/Perspektive – noch geblendet? Welche Tricks nutzen Influencer?
Heutzutage kann man in der Nachbearbeitung so viel machen. Filter können nicht nur über Bilder gelegt werden, sondern mittlerweile auch über Videos. Wenn dabei nur ein bisschen mit der Farbe oder der Intensität gespielt wird, finde ich das überhaupt nicht schlimm. Aber es gibt sogar Programme, welche die Figur einer Person im Video verändern – und das ohne viel Aufwand.
Generell werden auf Social Media natürlich auch sehr gerne nur die positiven Seiten gezeigt. Alle führen die perfekte Beziehung, haben den perfekten Job und sind 24/7 happy. Als Betrachter kann das meiner Meinung nach extrem verunsichern und man fragt sich vielleicht, ob mit einem selbst etwas nicht stimmt.
Du hältst also nichts von Beauty-Filtern?
Gar nichts. Als sie damals vorgestellt wurden, habe ich sie natürlich auch mal ausprobiert und ich finde es erschreckend, wie schnell man sich an sein „optimiertes" Bild gewöhnt. Wenn man sich dann im richtigen Spiegel nicht mehr schön findet, sieht man erst, wie schnell diese Filter gefährlich werden können.
Welche Tipps würdest Du Menschen geben, die unter ihren vermeintlichen „Makeln" leiden?
Ich glaube, man sollte sich immer erst darüber im Klaren sein, warum man selbst darunter leidet. Macht man sich selbst den Druck, weil man denkt, man sei für die Außenwelt nicht perfekt genug, oder kommt der Druck von außen weil man gemobbt oder beleidigt wird et cetera? Meist ist nämlich nicht der Makel an sich das Problem, sondern das sitzt viel tiefer.
Auf der einen Seite werden Body Positivity, Selbstliebe und Diversity immer mehr propagiert, auf der anderen Seite sehen viele erfolgreiche Models und Influencerinnen mit vollen Lippen, Wallemähne und durchtrainiertem Körper nahezu identisch aus. Denkst du, dass sich Diversity wirklich immer mehr durchsetzen wird?
Ich denke, dass es sich immer mehr durchsetzen wird, dass jeder so sein darf, wie er oder sie es möchte. Ich finde eigentlich sogar traurig, dass es dafür überhaupt ein Wort geben muss. „Diversity" heißt schließlich nichts anderes als „Vielfalt" und ich finde es schade, dass das im Jahr 2022 nicht das Normalste der Welt ist.
Sogar Formate wie „Germany’s Next Topmodel" setzen jetzt auf Diversity. Wie findest du das?
Generell finde ich es schön zu beobachten, dass das Format nicht nur auf Personen, die den Maßen 90-60-90 entsprechen, setzt. Andererseits ist es immer noch eine Unterhaltungsshow und das erweckt bei mir manchmal den Eindruck, dass speziell nach Geschichten gesucht wird und der Begriff Diversity dafür ausgenutzt wird.
Welche Dinge regen dich bei Instagram auf?
Mittlerweile regt mich tatsächlich gar nichts mehr auf, denn ich folge niemandem mehr, der oder die mich aufregen könnte.
Welche negativen Seiten hat Social Media?
Die Anonymität ist und bleibt ein negativer Aspekt. Es gibt zwar immer mehr Möglichkeiten, gegen Drohnachrichten, anzügliche Nachrichten oder Beleidigungen vorzugehen, aber trotzdem ist die Anonymität für viele ein Freifahrtschein, ihren Frust rauszulassen. Ich bin sehr dankbar, dass sich das bei mir sehr in Grenzen hält.
Nach welchen Kriterien wählst Du Werbepartner aus? Gehen die finanziell lukrativsten Angebote vor?
Ich arbeite nur mit Partnern zusammen, von denen ich zu 100 Prozent überzeugt bin, deren Produkte ich im besten Fall schon vorher selbst genutzt habe, deren Werte und Visionen mit meinen übereinstimmen und die ich jeder meiner Freundinnen empfehlen würde. Wenn ich ein Produkt teste und es mir nicht gefällt, kann mich kein Geld der Welt vom Gegenteil überzeugen. Auf meinem Kanal soll jeder wissen, dass er oder sie eine ehrliche Meinung von mir bekommt und keine Angst haben muss, den größten Schrott zu kaufen.
Deswegen bin ich unglaublich glücklich darüber, mit welchen tollen großen und kleinen Firmen ich die letzten Jahre zusammenarbeiten durfte. Und ich finde es noch schöner zu sehen, dass fast alle Brands, mit denen ich zusammenarbeite, nicht den reinen Verkauf in den Vordergrund stellen, sondern sich einfach als Marke präsentieren wollen. Das ist in der heutigen Zeit meiner Meinung nach viel mehr wert, als einmal seine Lager leer zu verkaufen.
Folgen Dir überwiegend Männer oder Frauen?
Zu 90 Prozent Frauen.
Welchen Blogs und Influencern folgst Du persönlich am liebsten?
Puh, da gibt es einige und tatsächlich hat sich das in der letzten Zeit gewandelt. Früher mochte ich die „lauten" Accounts, auf denen immer was los war. Mittlerweile mag ich die Accounts, die mir selbst ein gutes Gefühl geben, 10.000-mal lieber. Die Menschen, die vielleicht selbst an ihrem Mindset arbeiten und an denen man sieht, dass die Arbeit etwas bringt.
Wie wichtig ist Dir Nachhaltigkeit? Wie genau setzt Du sie um?
Ich achte sehr bewusst auf Nachhaltigkeit, auch wenn ich da noch lange nicht alles richtig mache. Ich finde aber wichtig, dass man deutlich ein Umdenken bei den Firmen sieht und es einem so immer einfacher gemacht wird, nachhaltig zu handeln, ohne großartig auf Dinge verzichten zu müssen. Und gerade dann gibt es für mich gar kein Argument mehr, nicht nachhaltig zu handeln. Aber wie gesagt, ich finde, man muss auch nicht von null auf 100 alles richtig machen. Jeder Schritt zählt.
Wie lassen sich Trends und Nachhaltigkeit für Dich vereinen?
Eigentlich ist das gar nicht schwierig. Ich finde, wie bei allem ist eine gesunde Balance wichtig. Ich gehe gerne shoppen, gar keine Frage. Nur weil man sich mal neue Klamotten kauft, heißt das ja nicht, dass man nicht nachhaltig ist. Ich liebe es zum Beispiel auch, mir auf Pinterest Inspirationen zu suchen und dann im eigenen Schrank nach Möglichkeiten zu schauen, wie man etwas nachstylen kann. Denn meist braucht es gar keine neuen Teile, sondern eher die Erkenntnis, dass man Dinge auch mal anders als gewohnt kombinieren kann.